Eimsbüttel. Eigentümer will Immobilie in Hoheluft sanieren, soll Kosten aber nicht auf Mieter umlegen. „Nur noch Wahl zwischen Verfall und Verkauf“.
Eigentlich wollte die Familie nur das Haus im Generalsviertel sanieren, das sie 2015 in Teilen geerbt hatte. Die Fassade sollte ausgebessert und hell gestrichen und neue Fenster eingebaut werden, die den Mietern beim Energiesparen helfen – und möglichst aussehen sollten wie die Originalfenster von 1903. Entsprechende Angebote von einem Maler und einem Tischler hatte sich Hausverwalter Uwe S., der hier anonym bleiben möchte, bereits eingeholt. Weil das Gebäude seit 2013 denkmalgeschützt ist, fragte er im Juni 2021 beim Denkmalschutzamt nach, welche Unterlagen er einreichen müsse.
Heute, nach eineinhalb Jahren, ist das Haus in der Gneisenaustraße im Hamburger Stadtteil Hoheluft immer noch nicht saniert. Aber die Finanzierungskosten sind ordentlich gestiegen, ebenso die Preise und die Wartezeiten für das benötigte Material, von den Problemen, Handwerker zu bekommen, ganz zu schweigen. Durch die 35 Jahre alten Fenster ist viel Wärme entwichen. Und im mittlerweile gut gefüllten Aktenordner von S. landen immer weitere Schriftwechsel, Anordnungen, Rechnungen und Gutachten.
Immobilie in Hoheluft: Eigentümer verzweifelt am Denkmalschutz
Die Anfrage beim Denkmalschutzamt brachte einen Stein ins Rollen, der die Eigentümerfamilie mittlerweile fast erdrückt. Und dabei geht hier nicht nur um den Denkmalschutz. Das Haus liegt in einem sozialen Erhaltungsgebiet. Und so fordert das Bezirksamt Bauanträge für jede einzelne geplante Maßnahme, Dokumentationen, Listen der Mieter und Berechnungen ein, wie sich die Sanierungen auf die Miethöhe auswirken werden. „So gut und richtig das auch aus Sicht der Mieter ist – uns Vermieter bringt das in große Schwierigkeiten“, sagt der 68-Jährige, der sich selbst als „sozialen Verwalter“ bezeichnet, und seine Tätigkeit eigentlich als „Hobby, an dem ich Spaß habe“.
Der ist ihm mittlerweile vergangen. Aber der Reihe nach. Auf seine Anfrage im Juni 2021 teilte ihm das Denkmalschutzamt mit, dass er die Fassade entweder in ihrem jetzigen Zustand belassen oder, im Falle einer Sanierung, einen Restaurator mit der Ermittlung des Ursprungsfarbtons beauftragen müsse. Außerdem müssten die im Laufe der Jahrzehnte abgebrochene Stuckteile ersetzt werden. Und erlaubt seien nur Materialien aus der Bauzeit: also kein Vlies, um die Fassade nachhaltig vor den von der Kopfsteinpflasterstraße ausgehenden Erschütterungen zu schützen, und keine neuen Kunststofffenster.
Vorgeschriebene Holzfenster mehr als doppelt so teuer
Laut Tischler würden die vom Denkmalschutzamt geforderten Holzfenster 23.500 Euro pro Wohnung kosten, sagt S., Kunststofffenster dagegen nur 11.000 Euro. Zudem wären Holzfenster viel pflegeintensiver. „Ich müsste sie regelmäßig streichen lassen, wofür ich ein teures Gerüst aufstellen oder die Mieter in ihren Wohnungen stören müsste.“ Auch die im Vorfeld mit 37.000 Euro veranschlagten Malerarbeiten würden durch den höheren Aufwand sicher doppelt so teuer. „Mir bliebe also nichts anderes übrig, als die Miete zu erhöhen“, so S., der für die Wohnungen in der Gneisenaustraße Mieten im unteren Bereich des Mietenspiegels oder sogar darunter verlangt.
Dieses und ein weiteres Mehrfamilienhaus in Eimsbüttel gingen 2015 je zur Hälfte durch eine Erbschaft in den Besitz der Eigentümerfamilie über, den Rest kauften sie der anderen Erbengemeinschaft ab. Dafür investierte sie etwa 1,25 Millionen Euro. Weitere gut 335.000 Euro flossen in die Sanierung der Eimsbüttler Immobilie.
Mieterhöhung bei neuen Kunststofffenstern: 50 Euro
Wie viel Wert S. auf eine für Haus und Mieter vorteilhafte Sanierung legt, ist an dem sanierten Gebäude gut zu sehen: Dort hat er in allen Wohnungen (bis auf zwei, deren Bewohner das ablehnten) die vorhandenen Aluminiumfenster gegen Kunststofffenster ausgetauscht, die optisch denen der Bauzeit ähneln. Außerdem wurden drei Wohnungen vollständig modernisiert, die Fassade ausgebessert und gestrichen sowie schadhafte Balkongitter und der Jägerzaun ersetzt durch industriell gefertigte Elemente, die zum Stil des Hauses passen. „Wäre es ebenfalls denkmalgeschützt, hätte ich das alles anfertigen lassen müssen – was sicher dreimal so teuer geworden wäre.“ Die Mieterhöhung für die Wohnungen mit den neuen Fenstern: 50 Euro im Monat.
Auch in die Gneisenaustraße wurde seit der Übernahme schon viel von der Eigentümerfamilie investiert. So wurden Schäden durch eine 2008 nicht sachgerecht durchgeführte Dämmung der Rückfassade beseitigt. Historische Fliesen im Eingangsbereich von einer Spezialfirma vorsichtig entfernt, gereinigt und – nach Sanierung eines verrosteten Fußbodenträgers – wieder eingebaut. „Hier war die vom Denkmalschutzamt vorgegebene Alternative, die Fliesen nachmachen zu lassen“, so der Verwalter. „Das hätte 3000 Euro pro Quadratmeter gekostet und damit rund 40.000 Euro für die Gesamtmaßnahme.“
Bei Wertermittlung berief sich Finanzamt auf falsche Flurkarte
Der Zaun zur Straße hin durfte allerdings nicht, wie bei der anderen Immobilie, durch einen industriell gefertigten ersetzt werden – aber nach langem Ringen konnte S. zumindest erreichen, dass der restaurierte Zaun aus Haltbarkeitsgründen erst verzinkt und dann im (vom Restaurator ermittelten) originalen Grünton gestrichen werden durfte. Die Kosten waren dreimal so hoch wie ursprünglich kalkuliert.
Insgesamt, sagt S., seien schon 50.000 Euro in die Gneisenaustraße geflossen. 8000 Euro alleine für ein Gutachten zur Wertermittlung des Hauses, weil dieser vom Finanzamt zu hoch angesetzt wurde. Unter den Grundstücken verläuft nämlich ein 300 Meter langer Röhrenbunker, der in den Flurkarten, die zur Berechnung des Grundstückswerts herangezogen wurden, merkwürdigerweise nicht verzeichnet war. Einer der Ausgänge liegt hinter dem Haus der Eigentümerfamilie. Da sie für die Verkehrssicherheit zuständig und der Bunker wertmindernd ist, wollte sie das nicht auf sich beruhen lassen. Und tatsächlich fand sich ein ehemaliger Anwohner mit einer originalen Flurkarte, was zu einer neuen Wertermittlung führte.
Wie es mit dem Haus weitergeht, weiß S. nicht. Die denkmalgerechte Sanierung ist zu teuer, eine finanzielle Förderung wurde ihm nicht in Aussicht gestellt. Bei einem Verkauf würde Spekulationssteuer fällig. „Ich kann jeden verstehen, der ein Denkmal nicht anfasst“, sagt S.. „Vor allem, wenn Denkmalschutz und Milieuschutz gegensätzliche Ziele verfolgen. Die einen stellen sehr kostspielige Anforderungen, für die es keine finanzielle Unterstützung gibt, die anderen wollen für möglichst niedrige Mieten sorgen. Wie soll das funktionieren?“
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Denkmalschutzamt: „Offen für ausdifferenzierte Lösungen“
Uwe S. wird nicht der einzige sein, der sich das fragt. Innerhalb der Hamburger Stadtgrenzen stehen 56.273 Wohngebäude (Stand 2020), im Jahr 2018 waren davon 9.738 denkmalgeschützt. Wie viele zusätzliche in einem sozialen Erhaltungsgebiet liegen, ist nicht bekannt. Auf Abendblatt-Anfrage verweist das Denkmalschutzamt darauf, dass es deren Eigentümer bei Instandsetzungsvorhaben berät, für erforderliche Aufwendungen Steuerabschreibungen geltend gemacht werden können und im Einzelfall ein denkmalbedingter Mehraufwand auch durch Zuschüsse gefördert werden könne.
Im Hinblick auf den Einbau neuer Fenster teilte es mit, man sei „offen für technische Entwicklungen und die Ausdifferenzierung entsprechend dezenter und denkmalverträglicher Lösungen“. Könnte das für Uwe S. und die Eigentümerfamilie ein Hoffnungsschimmer sein?