Hamburg. Christian Abel hat eine Truppe von Kampfsportlern organisiert, die Dealer vertreiben soll. Polizei warnt vor „Privatstreife“.
Mit Muskelmännern gegen Dealer – im Kampf gegen die Drogenkriminalität im Schanzenpark greift der Altonaer Rechtsanwalt Christian Abel zu drastischen Mitteln. Eine von ihm geleitete Gruppe mit bis zu „32 durchtrainierten Freiwilligen“, darunter Kickboxer, Karate- und Judosportler, sollen in dem Park patrouillieren und nach dem „Jedermannsrecht“ vorläufige Festnahmen tätigen, wenn sie Dealer auf frischer Tat erwischen.
Paragraf 127 der Strafprozessordnung gestattet es jedem Bürger, Verdächtige zur Identitätsfeststellung festzuhalten, wenn er eine strafbare Handlung beobachtet hat. Eine erste Aktion sei für kommende Woche geplant, so Abel. Der Schanzenpark gilt als Hochburg des Marihuana-Handels.
Abel drohte bereits mit einem Bürgerbegehren
Was Abel antreibt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Dealer sollen endlich aus dem Schanzenpark verschwinden, diesem „Kaufhaus für Drogen ohne Buchführung“, wie er es nennt. Vornehmlich schwarzafrikanische Drogenhändler verkaufen dort Marihuana und das praktisch zu jeder Tageszeit.
Um sein Ziel zu erreichen, war der Rechtsanwalt in den vergangenen Monaten sehr umtriebig. Er schlug vor, den bezirklichen Ordnungsdienst (BOD) wiederzubeleben; der oder übergangsweise ein privater Sicherheitsdienst könne doch den Schanzenpark bestreifen. Auch ein permanent besetztes Containerhäuschen und eine „anlassbezogene Videoüberwachung“ könnten helfen, den Kontrolldruck auf die Dealer im Schanzenpark so lange zu erhöhen, bis sie das Feld räumen. Sollte bis Ende Juni 2018 keine spürbare Besserung im Park eintreten, so lautete Abels Drohung im April dieses Jahres, werde er ein Bürgerbegehren initiieren.
„Durchtrainierte Freiwillige“ und drei Hunde
CDU-Mitglied Abel hat das Gros seiner Vorschläge der Bezirksversammlung Altona vorgetragen – umgesetzt wurde nichts davon. Deshalb, und weil die Polizei aus seiner Sicht nicht entschlossen genug agiert, geht der Rechtsanwalt einen ungewöhnlichen Weg: Seine „durchtrainierten Freiwilligen“, ergänzt durch einen Schäferhund, einen Dobermann und einen alten Drogenspürhund zum Aufspüren von Erddepots, sollen im Schanzenpark patrouillieren – und bei der Tat beobachtete Dealer nach dem Jedermanns-Recht bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.
Bei Ankündigung der Festnahme stehe es zu erwarten, dass die Dealer die Flucht ergreifen, sagte Abel. „Dann gibt es eine klassische Verfolgungsjagd, so wie es das Jedermannsrecht vorsieht.“ Auf solche Situationen seien die Freiwilligen vorbereitet. „Sie wissen, was sie zu tun haben und können auch auf einen Messerangriff angemessen reagieren.“ Mindestens vier Personen sollen in ihrer Freizeit gleichzeitig „auf Streife“ gehen, vor allem während der Hauptdealzeiten an den Abenden und den Wochenenden.
Abel wirft der Polizei „Kapitulation“ vor
Mitte April hatte das Abendblatt erstmals über Abels Vorschläge zur Vertreibung der Szene berichtet. Er habe darauf enormen Zuspruch erhalten, sagt der 40-Jährige. Ein Mann habe ihm vorgeschlagen, proaktiv gegen die Dealer vorzugehen; er könne dafür sein „Netzwerk mobilisieren“. Schließlich erklärten 30 Männer und zwei Frauen, sie wollten aus Protest gegen die „offene Drogenszene“ im Schanzenpark patrouillieren. Fast alle hätten einen Migrationshintergrund, fast alle seien Kampfsportler – willens und fähig, Dealer bei einer Flucht oder „Widerstandshandlung“ zu stoppen. Dabei, so Abel, wäre ein dealerfreier Park auch ohne sein „Team“ möglich – vorausgesetzt die Polizei wäre dort präsenter. „Doch die Task Force Drogen führt hier nur vereinzelt Schwerpunkteinsätze durch, das bringt wenig bis nichts.“
Als „Kapitulationserklärung“ empfinde er ein Schreiben des Polizeikommissariats 16 an eine Anwohnerin, wonach mitunter Personal bei der Drogenbekämpfung fehlt, weil Kräfte anderweitig gebunden sind.
Polizei verweist auf das Gewaltmonopol des Staats
Die Polizei widerspricht der Darstellung Abels: „Wir begegnen der Situation im Schanzenpark seit geraumer Zeit täglich mit einem erheblichen Kräfteansatz“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. „Gedankenspielen einer ,privaten Streife’ treten wir klar entgegen: Im öffentlichen Raum ist die Polizei die alleinige Institution, die Recht und Gesetz durchsetzen kann.“
Die Polizei verweist auf die Vielzahl der Schwerpunkteinsätze ihrer im April 2016 gegründeten und im Frühjahr dieses Jahres personell verstärkten Task Force Drogen. Das Problem: Nach den Razzien kehren die Dealer häufig an ihre Plätze zurück oder werden ersetzt. Allein von April bis Juli 2018 wurden pro Kalendertag durchschnittlich 66 Beamte in der Task Force eingesetzt. In diesem Zeitraum gab es im Schanzenviertel mit seinen Brennpunkten Schanzen- und Florapark 124 Schwerpunkteinsätze, 564 Personen wurden kontrolliert.
Nicht jeder Einsatz ist als solcher auch für die Anwohner erkennbar, weil nicht nur uniformierte Beamte, sondern auch Zivilfahnder eingespannt werden. Die Dealtaten gingen 2017 im Vergleich zum Jahr davor hamburgweit um 14, 1 Prozent zurück. „Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Händler rückläufig“, so Zill. „Es wurden mehr Strafverfahren und Gefahrenabwehrmaßnahmen getroffen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.“ Um die Situation weiter zu verbessern, befürwortet die Polizei die Installation zusätzlicher Laternen im Schanzenpark. Damit sollen Wege besser ausgeleuchtet und Dealer abgeschreckt werden.
Abel lehnt den Begriff Bürgerwehr ab
Es gibt Polizeibeamte, die halten Abel für einen „Gefahrensucher“. Der Plan, eine Art Bürgerwehr im links-liberalen Schanzenviertel zu etablieren, sei „hochriskant“. Abel selbst lehnt den Begriff Bürgerwehr für sich und sein Team ab, auch sei er kein „Rechter“ – so habe er vor drei Jahren die Vormundschaft für einen somalischen Flüchtlingsjungen übernommen. Vor einer Konfrontation mit Linken sei ihm „nicht bang“.
Der Hamburger Rechtsexperte Ulf-Diehl Dreßler bezweifelt, dass die von Abel geplanten Kontrollgänge durch das Jedermannsrecht gedeckt sind. Dieses wende sich an den einzelnen Bürger, nicht an organisierte Gruppen. Spätestens, wenn Abels Team Hunde als „gefährliches Werkzeug“ im Sinne des Gesetzes mitführe, greife Paragraf 127 des Strafgesetzbuchs – Bildung bewaffneter Gruppen. Dreßler: „Bürgerwehren gefährden den Rechtsstaat und unterminieren das staatliche Gewaltmonopol.“
Scharfe Kritik aus der Politik
Auch aus der Politik bläst Abel indes ein scharfer Wind entgegen. „Bürgerwehren stellen eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung dar. Sie lösen keine Probleme, sondern schüren zusätzlich Ängste in der Bevölkerung“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller. Die Gründung einer Bürgerwehr sei der „völlig falsche Weg“, zeige aber, „wie groß der Vertrauensverlust in den rot-grünen Senat bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität sei, sagt Abels Parteifreund Dennis Gladiator (CDU).
Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), distanziert sich ebenfalls. „Der BDK spricht sich eindeutig gegen derartig privat organisierte Bürgerwehren aus. Das Gewaltmonopol liegt nicht nur auf öffentlichen Wegen allein beim Staat und damit bei der Polizei.“
Abel will ein Volksbegehren gegen Dealer
Carl Jarchow (FDP) räumt zwar ein, dass das Vorhaben der Akteure durch die latente Problemlage „verständlich“ und ihr Vorgehen durch das „Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit“ gedeckt sei. „Falls es aber zu Vorfällen oder Störungen kommt, würden diese natürlich bei der Polizei viele Ressourcen binden, die dann bei der Verfolgung anderer Delikte fehlen.“ Im Ergebnis werde die Initiative wohl nur wenig erfolgreich sein.
Christian Abel denkt bereits weiter: Rechtzeitig zur Bürgerschaftswahl in zwei Jahren will er im Kampf gegen die Dealerszene ein Volksbegehren auf den Weg bringen. Viele Freiwillige hätten ihm bereits ihre Hilfe angeboten.