Hamburg. Gewächshäuser in Klein Flottbek sind für Besucher nicht zugänglich. Für das Abendblatt öffnen sich ausnahmsweise einmal die Türen.

Stefan Rust schreitet voran. Er hält die Schlüssel in Händen, die den Weg freimachen zu einem sonst für Außenstehende unzugänglichen Bereich. Rust ist wissenschaftlicher Betreuer für die Gewächshäuser des Loki Schmidt Gartens gegenüber vom Klein Flottbeker Bahnhof. Im Unterschied zu den Tropengewächshäusern der Universität Hamburg am Dammtor sind diese Glashäuser für die Öffentlichkeit nicht freigegeben.

Das war früher einmal anders. Einst durften Besucher zumindest eines der zehn Häuser betreten. Doch aufgrund von Einsparungen fehlt inzwischen das nötige Personal, um öffentliche Touren durch die Gewächshäuser zu ermöglichen. Daher wurden sie vorübergehend geschlossen. Allerdings kann keiner sagen, wie lange dieses „vorübergehend“ andauern wird.

300 Paprika- und Chilisorten wachsen in den Treibhäusern

Dabei ist faszinierend, was sich in den Gewächshäusern befindet. Wer sie betritt, taucht in eine andere Welt ein. Besucher können hier auf eine kleine Reise gehen. Da liegen die kanarischen Inseln neben dem australischen Tasmanien, wachsen Natternköpfe neben riesigen Baumfarnen. Zwei Schritte weiter finden sich Zitrusfrüchte. Auch eine riesige Zucht von fast 300 Paprika- und Chilisorten steht in den Treibhäusern. Unter anderem züchten die Gärtner Lehrgewächse, die sich Pädagogen für ihren Unterricht abholen können. „Der gesamte Garten verfügt in etwa über 30.000 Pflanzentypen. Davon befinden sich etwa 15.000 in den Gewächshäusern“, erklärt Rust.

Dazu kommt eine einzigartige Sammlung. Zu Tausenden reihen sich Pflanzen aneinander, deren ursprüngliche Heimat so ganz anders ist als das norddeutsche Hamburg, das draußen vor den Türen schlottern lässt. Denn die Vygies, die auch als Mittagsblumen und lebende Steine bekannt sind, stammen aus dem Süden Afrikas. Was diese Wüstenpflanzen gemeinsam haben: Sie sind kleine Überlebenskünstler. Tagsüber trotzen sie hohen Temperaturen und Trockenheit, während es des Nachts empfindlich kühl werden kann. Auch in schroffen Bergregionen kommen sie vor.

Forschung an Mittagsblumen begann 1919

Die Hamburger Sammlung umfasste zu ihren besten Zeiten rund 11.000 dieser Pflanzen, wie Rust zu berichten weiß. 1919 nahm die Forschung an den Mittagsblumen ihren Anfang. Ein Botaniker begann in Hamburg mit der Sammlung, nahm sie dann mit nach Kiel, wo er als Professor lehrte. Verschiedene Schüler führten seine Arbeit fort. Mit Hans-Dieter Ihlenfeldt kehrte 1959 dann ein Schüler samt Mittagsblumen zurück nach Hamburg. Er führte die Forschung weiter und baute die Sammlung aus. Dafür reiste Ihlenfeldt unter anderem mehrfach nach Afrika, um die Mittagsblumen zu studieren und einige Arten in die Hansestadt zu bringen.

Von Ihlenfeldt übernahm Heidrun Hartmann Sammlung und Forschung. Nach ihr wurde sogar eine Gattung der Mittagsblumen benannt. Hartmanthus-Pflanzen wachsen auf quarzithaltigen Hängen, die die Botanikerin erklomm, um die Pflanzen zu bestimmen. Nach ihrer Pensionierung im Jahr 2007 fehlte ein Nachfolger. Seither ist die Sammlung verwaist – zumindest gibt es derzeit keinen Professor mehr, der damit intensiv arbeitet.

„Selten übernimmt ein anderer botanischer Garten solch eine Sammlung, dafür wird zu viel Platz gebraucht“, erklärt Rust. An private Sammler werden die Pflanzen nicht abgegeben. Dazu verpflichten sich die Botaniker zum Schutz des Genpools gegenüber den Herkunftsländern. Wegschmeißen kommt natürlich nicht infrage. Deshalb wird die Sammlung nun vor allem erhalten, in der Hoffnung auf andere Zeiten. Das bedeutet allerdings, dass eingehende Pflanzen nicht ersetzt werden.

Gewächshäuser umfassen 6000 Quadratmeter

Dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Mittagsblumen eingehen, ist der Job von Katrin Baumgärtner. Wie ihr Name schon nahelegt, ist sie eine der acht Gärtner, die in den Gewächshäusern tätig sind. Sie kennt die Mittagsblumen genau, die meist nur für einige Stunden blühen. Sie weiß, welche wann Wasser brauchen, welchen Boden sie ihnen bereiten muss und welche Temperatur – 30 Grad gegen 12 Uhr und eine rapide Nachtabsenkung auf zwölf Grad gegen 21 Uhr.

Besonders liegt Baumgärtner die Ectotropis am Herzen. Die fast moosartig wirkende Pflanze mit den kleinen weißen Blüten ist eine wenig erforschte Gattung und auch in der Haltung sehr speziell. „Die hat Frau Hartmann in 2000 Metern Höhe an einer Felsspalte in Südafrika gefunden. Sie wäre uns hier aber fast eingegangen“, so Baumgärtner, die dann doch herausfand, dass die Ectotropis im Unterschied zu ihren Artgenossen keinen sauren Boden mag.

6000 Quadratmeter umfassen die Gewächshäuser des Loki Schmidt Gartens. Das ist doppelt so groß wie die Schaugewächshäuser am alten Standort in der Innenstadt in Planten un Blomen. Ursprünglich sollten die in den 70er-Jahren errichteten Treibhäuser erweitert werden und die alten Häuser am Dammtor nach dem geplanten Umzug ersetzen.

Die Ölkrise und ihre finanziellen Auswirkungen führten dazu, dass das Projekt verschoben und am Ende auch nie realisiert wurde. Bis heute können Besucher die bereits gegossenen Fundamente zur Erweiterung der Gewächshäuser im Botanischen Garten erkennen. Denn der daneben angelegte Bereich um das Amphitheater und die Hecken orientieren sich an den damals geplanten Grenzen.

Noch überwintern einige Pflanzen in Kübeln im dafür vorgesehenen Gewächshaus. Wenn die Temperaturen allerdings wieder steigen und die Pflanzen ausziehen, wird dieses Treibhaus mit Konzerten und Veranstaltungen gefüllt – unter anderem ist eines im Juni geplant.

Führungen durch den Loki Schmidt Garten

Zahlreiche Veranstaltungen locken in den Loki Schmidt Garten. Im April starten die sonntäglichen Führungen. Am 1. April lautet das Motto „Was blüht uns Ostern und im neuen Gartenjahr?“ Treffpunkt: Eingang Ohnhorststraße um 10 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Am 8. April bietet Heike Wiese um 10 Uhr einen kostenlosen Wildkräuterrundgang an. Treffpunkt ist ebenfalls am Eingang. Weitere Infos und Veranstaltungen unter bghamburg.de/veranstaltungen