Hamburg. Am neuen Zentrum für Hybride Nanostrukturen untersuchen Wissenschaftler Verbindungen aus biologischem Gewebe und Elektronik.

Löcher im Fußboden gelten für gewöhnlich als grobe bauliche Mängel. Im Reinraum des Zentrums für Hybride Nanostrukturen (CHyN) der Uni Hamburg sind sie jedoch gewollt: Durch die 628 Öffnungen wird nämlich kontinuierlich Luft abgesaugt, die durch die Decke hineinströmt. Das soll die Instrumente und Unterlagen nahezu staubfrei zu halten, schließlich konstruieren Wissenschaftler dort winzige Strukturen – dabei stört jedes noch so kleine Fremdkörperchen.

Um das Herzstück des neuen Gebäudes bei der Eröffnung am Mittwoch zu besichtigen, mussten einige Gäste um Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Universitäts-Präsident Dieter Lenzen ausnahmsweise nur die Schuhe ausziehen, bevor sie durch eine Schleuse hineindurften in den vielleicht saubersten Raum Hamburgs. Normalerweise sind spezielle Schuhe, ein Schutzanzug und Handschuhe Pflicht.

Physiker, Chemiker, Biologen und Mediziner forschen gemeinsam

Das CHyN ist die jüngste Einrichtung auf dem Forschungscampus in Bahrenfeld. Eine Vision der Wissenschaftler ist es, winzige bioelektronische Implantate zu entwickeln, die zerstörte Sinneszellen ersetzen und so Blinden und Gehörlosen helfen könnten. Das macht am besten deutlich, was ein großer Schwerpunkt und zugleich die Besonderheit des CHyN ist: Physiker, Chemiker, Biologen und Mediziner sollen dort gemeinsam erforschen, wie sich elektronische und biologische Materialien für medizinische Anwendungen verbinden lassen.

Untersucht werden soll etwa, ob sich Sehnerven durch über Nanodrähte zugeführtes Licht anregen lassen. Bisher experimentieren Forscher am CHyN bei diesem Ansatz allerdings nur mit Mausneuronen, erläutert CHyN-Direktor Robert Blick. „Bis so etwas zur Anwendung beim Menschen kommt, wird es noch länger dauern“, sagte er.

Erprobt werden könnte auch, ob sich Sehzellen nur aus lichtempfindlichen Halbleitern konstruieren lassen, vergleichbar mit den CCD-Sensoren in Digitalkameras, nur viel kleiner. Das nämlich ist die zweite Besonderheit des CHyN: Bei allen geplanten Experimenten, auch solchen zu neuartigen Datenspeichern und Elementen für Quantencomputer, geht es um Nanostrukturen. Nanoteilchen haben eine Größe von wenigen Atomen bis zu 100 Nanometern. Ein Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter.

Ein Gebäude – „passgenau für die Wissenschaft errichtet“

Um die Errichtung des Neubaus in Bahrenfeld kümmerte sich die Sprinkenhof GmbH im Auftrag der Wissenschaftsbehörde. Die Kosten von 61 Millionen Euro tragen zu 40 Prozent das Land Hamburg und zu 60 Prozent der Bund. Auf einer Fläche von 4650 Quadratmetern werden künftig 130 Forscher arbeiten – ursprünglich angepeilt waren allerdings 180. Bei den Forschungen wird die Universität mit dem Forschungszentrum Desy kooperieren, dessen Einrichtungen sich gleich nebenan befinden.

Der Reinraum im CHyN ragt zwar heraus, aber er ist bei weitem nicht die einzige technische Besonderheit in dem neuen Forschungsgebäude. Zu den 60 Laboren gehört auch ein Raum, der elektromagnetisch abgeschirmt ist, damit etwa von Handys ausgesendete Strahlung keine sensiblen Messgeräte stören kann „Falls Sie mal ohne ein Mithören der NSA telefonieren wollen – hier sind Sie absolut abhörsicher“, scherzte Institutsdirektor Robert Blick bei der Führung.

Eine weitere Besonderheit sind schwingungsisolierte Labore, die bestimmte Experimente mit Nanostrukturen überhaupt erst möglich machen, wie Blick in einem Raum erläuterte, in dem Elektronenmikroskope der jüngsten Generation stehen. Während das CHyN-Gebäude auf einem eher sandigen Untergrund ruht, der Erschütterungen aus der Umgebung weitergibt, ruhen die schwingungsisolierten Abschnitte mit den Elektronenmikroskopen auf 15 Meter langen Pfählen, die im Untergrund in einer festigen lehmigen Schicht verankert sind.

Lenzen bedankte sich bei Stadt und Bund. „Es ist ein großer Vorzug, dass sich nicht die Wissenschaft einem schon vorhandenen Gebäude anpassen muss, sondern ein Gebäude passgenau für die Wissenschaft errichtet wurde.“ In den Nanowissenschaften gebe es viel Wettbewerb. Mit dem CHyN könne die Universität auf diesem Feld international sichtbar werden und den „aussichtsreichen“ Zweig der Nanophysik in Hamburg langfristig etablieren.

Dadurch und mit dem Forschungscampus Bahrenfeld insgesamt habe die Universität auch bessere Chancen bei der Einwerbung von Bundesmitteln als früher, sagte Lenzen. Als Vorbilder nannte er den Forschungscampus Garching bei München und den Forschungscampus Adlerhof in Berlin – beide gelten als Spitzenstandorte für Wissenschaftler. „Was dort gelingt, wollen wir mit unserem Forschungscampus auch erreichen“, sagte Lenzen.