Hamburg. Polizeiwagen nahe der Bürgermeister-Wohnung angezündet. 40 Hotelgäste in Gefahr. CDU verlangt Verstärkung aus anderen Bundesländern.
Es dauerte nur wenige Stunden, da tauchte auf der Internet-Plattform Indymedia ein Bekennerschreiben auf, verfasst von einer linksextremistischen Gruppierung mit dem Kürzel „FFdP“, was wohl die Abkürzung für „Feuer und Flamme für die Polizei“ sein soll. So zumindest lautet die vor Hohn triefende Überschrift des Pamphlets, in dem sich militante G20-Gegner mit zwei Anschlägen auf die Hamburger Polizei brüsteten.
Am Freitag gegen 2.55 Uhr hatten unbekannte Täter einen Polizeiwagen an der Schmarjestraße nahe der Wohnung von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in Brand gesetzt und – nur wenige Minuten zuvor – nahe dem Polizeipräsidium einen Kleinbus der Gewerkschaft der Polizei (GdP) angezündet.
Fast gleichzeitig war in Bad Oldesloe das Auto des Hamburger Ortschefs der Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, in Flammen aufgegangen. Zu dieser Tat bekannte sich eine weitere linksextremistische Gruppierung – ebenfalls bei Indymedia.
Ein Hotel am Tatort musste evakuiert werden
„Ich bin aufgewacht, weil es Knallgeräusche gab“, sagt Anwohnerin Dorothea K. über den Brandanschlag an der Schmarjestraße. Durch die enorme Hitze waren die Reifen des Polizeiwagens, der gegenüber dem Hotel Stephan parkte, geplatzt. „Als ich aus dem Fenster schaute, war da ein Flammenmeer, es sah aus, als ob das Hotel brennt“, sagt Dorothea K. Ein VW-Bus vor dem Hotel sei durch die Hitze ebenfalls schwer beschädigt worden.
Während der Löscharbeiten wurde das Hotel geräumt. Die mehr als 40 Gäste wurden im Hinterhof in Sicherheit gebracht. Eine am Gebäude angebrachte Werbetafel und eine Markise schmolzen teilweise, zwei Fenster waren gesprungen. „Wäre das Feuer nur ein paar Minuten später bemerkt worden, wäre vermutlich eine konkrete Gefahr für die Menschen im Hotel entstanden“, sagte Polizeisprecher Timo Zill.
Ort der Tat belegt die Entschlossenheit der Gipfelgegner
Das Polizeifahrzeug, das zu den Objektschutzkräften für den Bürgermeister gehörte, brannte aus. Die Besatzung war „um die Ecke“ zum Schutz der Wohnung des Bürgermeisters eingesetzt. Allein, dass sie einen Angriff an dieser Stelle überhaupt gewagt haben, belegt, wie entschlossen und risikobereit die militanten Gipfelgegner sind.
„Die Wohnung des Bürgermeisters gehört zu den gut bewachten Stellen in der Stadt, in deren Umgebung das Entdeckungsrisiko hoch ist. Zudem haben wir in dem Bereich eine hohe Polizeidichte, die noch einmal das Risiko für Täter deutlich erhöht, im Rahmen einer Fahndung gestellt zu werden“, sagte ein Beamter.
In die gleiche Richtung zielte offenbar der Brandanschlag vor der GdP-Geschäftsstelle an der Hindenburgstraße, nur rund 100 Meter vom Polizeipräsidium entfernt. Mit Grillanzündern hatten die Täter gegen 2.40 Uhr den GdP-Kleinbus, einen erst im Vorjahr angeschafften Mercedes Vito, angesteckt. Die Gewerkschafter hatten mit dem Auto mehrmals Polizeibeamte bei größeren Einsätzen mit Kaffee versorgt – jetzt brannte die Frontpartie aus. Schaden: mindestens 40.000 Euro. Hamburgs GdP-Chef Gerhard Kirsch zeigte sich betroffen. „Wir sind Opfer eines feigen und skrupellosen Anschlags geworden“, sagte Kirsch. Die GdP werde sich aber nicht einschüchtern lassen.
Die Bekenner beziehen sich ausdrücklich auf den G20-Gipfel
Gleichzeitig waren in Harburg Wände großflächig mit Parolen beschmiert worden, die zu Angriffen auf den Gipfel und Polizisten auffordern. Am Freitagmittag bekannte sich die „FFdP“ dann auf Indymedia zu den Anschlägen. Die Polizei stuft das Schreiben als authentisch ein. Darin beziehen sich die Verfasser ausdrücklich auch auf den G20-Gipfel im Juli. Bei der GdP, so heißt es in dem Schreiben, handele es sich um den „politischen Arm der Bullen“. Und weiter: „Die Gewerkschaft der Polizei hat nun ein Fahrzeug weniger, das die Bullen während des Gipfels mit Kaffee versorgt.“
Indirekt kündigen die Verfasser weitere Taten an. „Das mag nicht viel sein“, heißt es in Hinblick auf den Schaden. Aber solche Anschläge könnten „jederzeit von allen, die sich dazu entschließen, wiederholt werden“.
Gewerkschafter fordert mehr Polizeibeamte
Es sei davon auszugehen, dass es sich „um Anschläge militanter und gefährlicher G20-Gegner handelt“, sagte der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders. Er fordert eine schnelle Verstärkung durch Beamte aus anderen Bundesländern und der Bundespolizei. „Die Polizei wird die diversen Objektschutz- und Sicherungsmaßnahmen nicht aus dem eigenen Personalbestand bewältigen können.“ Ähnlich äußerte sich der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator: „Es müssen schon jetzt ausreichend Polizeikräfte aus anderen Bundesländern angefordert werden.“
Bereits im August 2016 hatten „Anarchisten“ zu „Wut und Zerstörung“ vor dem G20 Gipfel aufgerufen. Mitte September dann steckten Unbekannte vor dem Haus von Polizeidirektor Enno T. zwei Autos an. In einem Bekennerschreiben dazu spielten sie auch auf eine künftige Funktion des Beamten beim G20-Gipfel an und drohten unverhohlen: „Die Häuser und Autos der Polizeiführer sind für uns legitime Ziele.“