Hamburg. Eine Baugenossenschaft stört, dass sich zwei Ottensener als Hobby-Imker engagieren – trotz des Zuspruchs der Nachbarn.
Das leise Summen der Bienen am Abend gefällt Marc Miericke am besten. „Es hat so etwas Beruhigendes“, berichtet er. Doch derzeit ist es still auf dem Balkon des Hobby-Imkers. Die beiden Bienenvölker bereiten sich auf den Winter vor. Das Einzige, was derzeit brummt, ist Mierickes Kopf, wenn er mal wieder Post von seinem Vermieter bekommt. Der schreibt in letzter Zeit häufig. Das Dauerstreitthema: die Bienen.
Die Tierchen, die Umweltschützer Miericke und sein Lebensgefährte Stefan Köstermenke auf ihrer Dachterrasse halten, stoßen beim Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) auf keine Gegenliebe. Die Baugenossenschaft verlangt, dass die tierischen Untermieter verschwinden – am besten sofort. Miericke und Köstermenke wehren sich, sogar mit Unterstützung ihrer Nachbarn – allerdings bislang ohne Erfolg.
Nachbarn stehen dem Bienenprojekt positiv gegenüber
Angefangen hat alles vor drei Jahren. Miericke sah einen Film über das Bienensterben und die Folgen für das Ökosystem. „Warum interessiert sich keiner dafür?“, fragte er sich. Miericke und Köstermenke befassten sich eingehend mit dem Thema, nahmen Kontakt mit anderen Imkern auf, besuchten einen Lehrgang. 2015 stellten sie die erste von zwei Bienenboxen auf ihrer Dachterrasse auf. „Wir haben zuvor alle Nachbarn gefragt. Hätte jemand etwas dagegen gehabt, hätten wir es nicht gemacht“, sagt Miericke. Sie fragten auch 2014 beim Vermieter an. Telefonisch. Laut Miericke und Köstermenke erhielten sie weder Zu- noch Absage. Das sieht die Baugenossenschaft anders.
Menschlich gesehen: Der Bienenretter
Klar ist: Das schriftliche Verbot kam deutlich später. Das Schreiben folgte einer Sicherheitsbegehung im September dieses Jahres. Von Beschwerden oder Vorfällen, bei denen die Bienen einen schlechten Eindruck hinterlassen haben könnten, weiß Miericke nichts. Im Gegenteil. Die übrigen Bewohner des neuen Mietshauses, das in Passivbauweise an der Erdmannstraße entstand, stehen dem Bienenprojekt positiv gegenüber. Das zeigen auch zahlreiche Briefe an den Altonaer Spar- und Bauverein. Die Nachbarn setzten sich darin für den Verbleib der Bienen ein.
Auch die Baugenossenschaft räumt auf Abendblatt-Nachfrage ein, dass es bislang keine Beschwerden gab. Sie lobt sogar das Engagement der Mieter für den Naturschutz. „Der wichtigen Rolle von Bienen für Mensch und Umwelt sind wir uns bewusst“, erklärt Silke Kok, Leiterin der Altoba-Abteilung Kommunikation und Soziales. In einem Schreiben bietet die Baugenossenschaft den beiden Hobby-Imkern sogar an, Pflanzmöglichkeiten für Bienen als Nahrungsquelle zu schaffen. Essen ja, dauerhaft wohnen nein.
Stadtbienen sind auf dem Vormarsch
„Worum geht es dann?“, fragt sich Miericke. „Um die Sicherheit der Mitglieder, die in den Wohnanlagen des Altonaer Spar- und Bauvereins leben“, sagt Kok. „Es liegt in unserer Verantwortung zu verhindern, dass Mieter, die auf Bienengift allergisch reagieren, durch Bienen, die in unseren Wohnanlagen gehalten werden, gefährdet werden oder dass sich die Mieter in ihrem Sicherheitsempfinden beeinträchtigt fühlen.“ Laut Baugenossenschaft sollten Bienen nicht in innerstädtischen Wohnanlagen gehalten werden.
Dabei sind die Stadtbienen auf dem Vormarsch. Hamburger fliegen auf die Hobby-Imkerei, wie Melanie von Orlow weiß. Die Berlinerin ist nicht nur selbst Imkerin, sondern auch im Naturschutzbund (Nabu) aktiv. Sie ist Sprecherin der Bundesarbeitsgruppe Hymenoptera und Expertin für alles, was Hautflügel hat: „In Hamburg und Berlin verzeichnen wir die höchste Bienendichte in Deutschland“, berichtet sie mit Blick auf Zahlen des Deutschen Imkerbundes. Die zunehmende Popularität der Imkerei habe sogar ihren Ursprung in Hamburg. Denn hier habe der Imker Erhard Klein die Bienenkiste entwickelt. Das mehrfach ausgezeichnete Konzept soll die Haltung erleichtern, auch die Ottensener Bienenfreunde setzen darauf.
Die Altoba-Argumentation kann von Orlow nicht nachvollziehen. „Das ist absurd. Es muss schon viel passieren, damit eine Biene sticht und einen Allergiker gefährdet. Das droht aber auch so, beim Sparziergang durch den Park“, so von Orlow. Sie hält das für einen typischen Reflex, um sich vor möglichen Haftungsfragen zu schützen. Um solchen Problemen besser begegnen zu können, sollten Hobby-Imker umfassende Sachkunde besitzen. „Wir brauchen nicht mehr Imker in den Städten, sondern besser qualifizierte.“
Schon einmal hatte Hamburger Urteil Auswirkungen auf Bienenhaltung
Am neuen Hamburger Streitfall ist von Orlow sehr interessiert. Schon einmal war es ausgerechnet ein Hamburger Urteil, dass deutschlandweit Auswirkungen auf die Bienenhaltung hatte. Eine Harburger Imkerin verlor den Prozess 2014 gegen ihren Vermieter und musste die Bienen von ihrem Balkon entfernen. Denn die Tiere fallen nicht unter die Haustierreglung, sondern in die Kategorie der Nutztiere. Das Gericht sah zudem im Ausschwärmen der Bienen und dem Verlassen der Wohnung eine Störung der Nachbarn. „Der Fall jetzt liegt aber anders“, so von Orlow. Hier handele es sich um eine Dachterrasse, um eine Genossenschaft und damit um Miteigentümer. „Es dürfte spannend sein, wie das vor Gericht ausgeht.“
Tatsächlich könnte der Fall dort landen. Denn Miericke weiß um die Möglichkeit eines Präzedenzfalls. Zunächst setzt er aber auf Deeskalation, um die Wohnung nicht zu verlieren. Derzeit sucht er nach einer Möglichkeit, seine Bienen vorerst woanders unterzubringen, um dann vor Gericht für eine Rückkehr der Tiere zu kämpfen.