Hamburg. Grob verkehrswidrig waren die Männer mit ihren Autos unterwegs, krachten zusammen und müssen sich nun vor Gericht verantworten.

Den beiden Männern wurde vorgeworfen, sich auf der Kieler Straße ein illegales Autorennen geliefert und dabei „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gehandelt zu haben. Laut Anklage fuhr Olcay B. dabei mit mindestens Tempo 100 und überholte eine Autofahrerin, die auf der linken Spur fuhr, indem der 26-Jährige auf die Gegenfahrbahn lenkte. Die Frau habe stark abbremsen müssen, heißt es weiter. Auch Karim R. überholte demnach die Frau auf Gegenfahrbahn, dieser sei mit etwa 150 km/h unterwegs gewesen, heißt es weiter. Aufgrund seiner weit überhöhten Geschwindigkeit krachte der 32-Jährige mit dem Wagen in das Heck des anderen. Sein Beifahrer trug laut Anklage ein Halswirbelschleudertrauma davon. Die beiden Autofahrer hätten mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, so die Staatsanwaltschaft weiter.

Doch die Angeklagten behaupten, ein illegales Autorennen habe „auf keinen Fall stattgefunden“, „Ich bin auch nicht auf die Gegenfahrbahn gefahren“, sagt Karim R. Und die Verteidigerin seines Mitangeklagten meint, es sei „unmöglich, auf der Kieler Straße Tempo 100 zu erreichen, geschweige denn 150“. „Gekracht hat es jedenfalls erheblich“, versetzt der Amtsrichter mit Blick auf Fotos, die von den beiden Wagen gemacht wurden, die an einer Ampel kollidierten. „Beide Autos sind Schrott.“ Wie durch ein Wunder gab es weder Tote noch schwer Verletzte. Ein Mann habe über leichten Schwindel und Kopfschmerzen geklagt, erinnert sich ein Polizist als Zeuge.

Zeugen waren geschockt von der Fahrweise

Eine 24-Jährige, die damals auf dem Nachhauseweg war, erzählt, sie sei von zwei Autos überholt worden, die beide hintereinander auf die Gegenfahrbahn fuhren. „Erst kam von hinten ein Auto angeschossen und hat mich geschnitten. Ich habe mich erschrocken und abgebremst.“ Ihr damaliger Freund habe noch erschrocken gerufen: „Meine Güte, was war das?“ Der junge Mann erzählt, dass nach seiner Überzeugung beide Autos schneller als Tempo 100 fuhren. Seine Freundin habe abgebremst, aber nur geringfügig. Ich weiß nicht, ob etwas passiert wäre, wenn sie nicht gebremst hätte“, schränkt der Zeuge ein.

Der Staatsanwalt fordert für Karim R., der in den Wagen des anderen reinrerauscht war, eine Geldstrafe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Olcay B., der bereits zweimal vorbestraft ist, müsse sechs Monate Freiheitsstrafe bekommen – ohne Bewährung, beantragt der Ankläger. „Es sind junge Männer, die meinten, sich mit ihren Autos und in hohem Tempo messen zu wollen. Das ist rücksichtslos, zumal in der Stadt“, so der Staatsanwalt.

Der Amtsrichter verhängt am Ende eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Euro gegen den Unfallverursacher Karim R. wegen Gefährdung des Straßenverkehrs. Seinen Führerschein ist der 32-Jährige für ein Jahr los. Olcay B. dagegen wird freigesprochen, weil nicht nachzuweisen sei, dass er mit seinem Fahrstil andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährt habe. Schließlich habe die Zeugin offenbar nur aus Schreck gebremst und nicht, weil ihr Fahrzeug geschnitten wurde. Und das zu schnelle Fahren sei verjährt und könne nicht mehr abgeurteilt werden, erklärt der Richter. „Jedenfalls sind Sie so etwas wie ein Rennen gefahren und dabei sogar auf die Gegenfahrbahn gekommen“, wendet sich der Richter an die Angeklagten und dabei „Das war unglaublich rücksichtslos. Da kann man nur den Kopf schütteln. Sie sind gefahren wie die Henker.“

Es gibt auch organisierte Rennen in Hamburg

Dass die Polizei illegale Autorennen in Hamburg feststellt, ist selten. 21 Ordnungswidrigkeiten wurden bislang in diesem Jahr nach Paragraph 29 der Straßenverkehrsordnung eingeleitet. Die Definition ist typisch bürokratisch. Es fallen „Geschicklichkeitsfahrten, Zuverlässigkeits- oder Leistungsprüfungsfahrten“ darunter, „aber auch motorsportlich orientierte Fahrten, bei welchen zur Ermittlung des Siegers die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist“.

Dabei unterscheidet die Polizei intern zwei Bereiche illegaler Autorennen. Einerseits gibt es „spontane“ Rennen, wie an der Kieler Straße vermutet, wo sich zwei Fahrer zufällig treffen und dann messen. Daneben gibt es organisierte Rennen. „Seit Jahren findet ab März jeden Jahres wöchentlich, ausschließlich freitags, im Gewerbegebiet Allermöhe auf dem Gelände einer dortigen Tankstellenanlage ein Treffen der Cruiser-Szene statt. Regelmäßig werden in Anzahl und Qualität erhebliche Geschwindigkeitsverstöße im erweiterten Umfeld festgestellt“, sagt Hauptkommissar Holger Vehren.“ Dabei können vereinzelt Beschleunigungsfahrten beweiserheblich dokumentiert werden, welche aber keiner gesonderten statistischen Erfassung unterliegen. Vehren: „Um diese gegebenenfalls als Rennen einzustufen, wäre eine beweiskräftige Belegung einer Verabredung und/ oder eines gemeinsamen Starts notwendig, was jedoch nicht ohne weiteres möglich ist.“

In den Sommermonaten der vergangenen Jahre wurden einzelne Fahrer, unabhängig vom Wochentag, beobachtet, die mehrfach rund um die Binnenalster oder das angrenzende Geschäftsviertel fuhren. Dabei wurde in Einzelfällen kurzzeitig, auch mit quietschenden Reifen, stärker beschleunigt. Ferner handelt es sich bei einigen Fahrzeugen um hochwertige Autos, manchmal Sportwagen mit teilweise auffälligem Sound. Zweck war, die zum Teil veredelten Fahrzeuge zu präsentieren und damit Aufmerksamkeit zu erregen. Die Polizei installierte deswegen extra einen stationären Blitzer am Jungfernstieg. Der Erfolg ist mäßig. Dort wurden bislang nur wenig Raser erwischt, die tatsächlich deutlich zu schnell waren und für den Verstoß Punkte bekamen. Die Zahl liegt im niedrigen dreistelligen Bereich.