Ein Hamburger Unternehmer soll versucht haben, den Prozess gegen seine Lebensgefährtin zu beeinflussen.
Ein überaus erfolgreicher Unternehmer, der mit seinen Geschäften viele Millionen Euro verdient hat. Eine feste Größe in der Hamburger Gesellschaft. Ein Mann, der es sich leisten kann, Ferraris zu sammeln – und obendrein ein glücklicher Familienvater. Detlef F. schien alles erreicht zu haben, Prominentenstatus inklusive. Und jetzt? Jetzt steht der Immobilienkaufmann im Verdacht, ein Straftäter zu sein.
Er wollte seiner Verlobten helfen
Der Vorwurf: Der 63-Jährige habe versucht, mit einem gekauften Zeugen einen Strafprozess zu beeinflussen, in dem sich seine Verlobte wegen versuchten Mordes verantworten muss. Für eine kurze Zeit war Detlef F. sogar in Untersuchungshaft.
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Zumal die Staatsanwaltschaft München bestätigte, dass der Unternehmer in einer Vernehmung die Vorwürfe zugegeben habe. Was ihn zu einem solchen Schritt in die Illegalität bewogen haben könnte, kann man nur ahnen: Sehr wahrscheinlich war es der drängende Wunsch, seiner großen Liebe aus ihrer mittlerweile rund neun Monate dauernden Untersuchungshaft zu helfen. Und womöglich war es auch der Glaube, mit ausreichend Geld könne man alles erreichen, sich vielleicht sogar ein günstiges Urteil für seine Liebste kaufen. Macht und Einfluss, vollkommen ohne Grenzen?
Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage
Mitnichten. Denn die Grenzen hat Detlef F. nun offenbar weit überschritten, und er hat es mit aller Deutlichkeit zu spüren bekommen. Am Dienstag, als er seine Verlobte Michaela S. (Name geändert) im Gefängnis besuchte, wo sie wegen eines lebensgefährlichen Messerstichs gegen einen Besucher des Oktoberfestes in Untersuchungshaft sitzt, wurde dem Hamburger Multimillionär ein Haftbefehl präsentiert. Ihm wird Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage vorgeworfen. Eine solche Tat wird laut Gesetz mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bedroht.
Hintergrund des Verdachts: Ein Zeuge, der im Prozess Michaela S. entlastet hatte, sagte später aus, er habe sehr viel Geld für seine Aussage bekommen sollen. Demnach soll der Hamburger Unternehmer dem in der Schweiz lebenden 31-Jährigen über Mittelsmänner 100.000 Euro für seine Darstellung zugesagt haben. Dieses Geld habe ihm drei Tage nach seinem Auftritt vor Gericht, auf Mallorca, überreicht werden sollen. Weitere 100.000 Euro sollten laut Schilderung des Zeugen fließen, wenn seine Aussage zum Erfolg, also zu einer Entlassung der Angeklagten aus der Untersuchungshaft, führen würde.
Der Verlobte von Michaela S. wurde daraufhin am Dienstag zunächst verhaftet. Doch dann habe der 63-Jährige ein Geständnis abgelegt, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch dem Abendblatt. „Anschließend wurde der Haftbefehl aufgehoben, da nun keine Verdunklungsgefahr mehr besteht.“ Auch den Haftgrund der Fluchtgefahr sah der Haftrichter nicht, weil der Verdächtige glaubhaft dargelegt habe, „dass er sich dem Verfahren stellen wird“, so Steinkraus-Koch. Der Münchner Rechtsanwalt Stephan Tschaidse, der den Unternehmer vertritt, wollte auf Abendblatt-Anfrage keine Stellung nehmen.
Für die Verteidigung von Michaela S. sind die Geschehnisse ein ungeheuerlicher Vorgang. Mit dem Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate, dessen Kollegin Annette Voges sowie dem Münchner Anwalt Steffen Ufer wird die Angeklagte von einem hoch renommiertes Verteidiger-Team vertreten. Für diese gab Strate am gestrigen Prozesstag eine Erklärung ab: Nun sei „endgültig klar geworden, dass die Aussage dieses Zeugen Teil eines Komplotts ist, das in manipulativer Absicht auf den rechtsstaatlichen Gang des Verfahrens einzuwirken versucht hat. Das ist unerträglich.“ Ob der Versuch, das Verfahren mit einem gekauften Zeugen zu beeinflussen, tatsächlich Einfluss auf den Prozess gegen die 34-Jährige habe, „weiß ich nicht“, sagte Strate. „Aber atmosphärisch ist dieser Vorgang natürlich desaströs.“ Schon am vergangenen Verhandlungstag hatte die Verteidigung mitgeteilt, sie wolle den Zeugen „nicht als belastbares Beweismittel betrachten und auch auf seine Aussage nichts stützen“. Die Angeklagte habe nach ihrer Darstellung mit dieser Sache „nichts zu tun“, betonte Strate. Im Prozess habe Michaela S. „glaubhaft erklärt, dass ihr das furchtbar leid“ tue. Was ihrem Verlobten vorgeworfen werde, sei nur dadurch zu erklären, so die 34-Jährige zu den Richtern, dass er „so verzweifelt“ gewesen sei. Auch die Angeklagte scheint am Ende ihrer Belastbarkeit: Nachdem sie schon am ersten Verhandlungstag bei ihrer Schilderung der Geschehnisse auf dem Oktoberfest von Weinkrämpfen geschüttelt wurde und auch in der Folgezeit mehrfach mit den Tränen zu kämpfen hatte, erlitt sie am Mittwoch in einer Verhandlungspause einen Schwächeanfall und musste von zwei Sanitätern behandelt werden.
200.000 Euro für den Zeugen
Der Unternehmer selber war an diesem zehnten Prozesstag nicht, wie er es sonst regelmäßig tat, im Gerichtssaal dabei. Nach Abendblatt-Informationen wurde er zu der Zeit am Mittwoch erneut von der Polizei vernommen. Der Prozess sei eine „unvorstellbare Belastung“, hatte Detlef F. vor zwei Wochen am Rande der Verhandlung in München dem Abendblatt gesagt. „Wir hatten eine intakte Familie“, bis es zu dem Vorfall auf den Wiesn kam, bei dem seine Lebensgefährtin, nachdem sie selbst angegriffen worden sei, „in Notwehrhaltung in dieser schrecklichen Situation nicht anders konnte, als sich zu verteidigen“, sagte der Immobilienkaufmann damals. Vor allem die drei Kinder des Paares seien „aus einer heilen Familie in ein Martyrium gerissen“ worden, sagte Detlef F.
Sind dies die Worte eines Mannes, der entschlossen ist, alles zu tun, um seiner Verlobten zu helfen – auch wenn er sich damit strafbar machen könnte? Aufgewühlt wirkte der 63-Jährige in diesem Moment und aufgebracht. Es war der Tag, an dem der Zeuge seine folgenschwere Aussage machte und kurz danach von der Polizei in Handschellen aus dem Saal geführt wurde, weil die Staatsanwaltschaft ihm nicht glaubte.
Insgesamt 200.000 Euro, die er nach seiner Darstellung als Lohn für seine Zeugenaussage hätte bekommen sollen, wären für den 31-Jährigen vermutlich eine Menge Geld. Für Unternehmer Detlef F. jedoch wäre es kaum eine Summe, über die er sich den Kopf zerbrechen müsste. Er hat sicherlich mehr als genug Geld, seitdem er vor 15 Jahren sein damaliges Unternehmen für einen sehr hohen Preis verkaufte, angeblich einen dreistelligen Millionenbetrag.
Er ist zudem ein Mann, der in der Hamburger Gesellschaft als beliebt gilt, als fröhlich, lebenslustig und spendabel. Dies zeigte er auch gern bei diversen Einladungen, unter anderem auch ins legendäre Käfer-Zelt auf dem Münchner Oktoberfest, wo er offenbar regelmäßig feierte, in illustrer Gesellschaft, unter anderem mit Geschäftsfreunden und mit Fußballprominenz.
Keiner hat eine Tat wirklich gesehen
Und genau im Käfer-Zelt soll es auch zu der Tat gekommen sein, wegen der sich Michaela S. seit Mai vor dem Münchner Schwurgericht verantworten muss. Ihr wird vorgeworfen, am 19. September vergangenen Jahres beim Oktoberfest einen 34-Jährigen lebensgefährlich verletzt zu haben.
Sie hat im Prozess zugegeben, dass sie gegen den Lkw-Fahrer ein Messer zückte und zustieß. Dies sei jedoch in Notwehr geschehen, beteuerte sie. Der Mann wurde schwer an der Milz verletzt und musste notoperiert werden.
Der von mehreren Zeugen als aggressiv beschriebene 34-Jährige hatte zunächst unter anderem den früheren Fußballnationalspieler Patrick Owomoyela, einen Bekannten der Angeklagten, massiv beleidigt, wie der verletzte Lkw-Fahrer selber zugab. Dann, so Michaela S., habe er sie im Gedrängel attackiert und an den Armen gepackt. Sie habe gedacht: „Der bringt mich um. Ich hatte nur noch Angst.“ In Panik habe sie ein Messer aus ihrer Handtasche gezogen. Das Problem: Auch wenn mehrere Zeugen bestätigten, dass es eine verbale Auseinandersetzung gegeben hat, hat keiner eine Tat wirklich gesehen, keiner hat Hilferufe gehört.
Urteil wohl im August
Bis sich nach einem ausführlichen Pressebericht über den Prozess ein in der Schweiz lebender Mann als Zeuge meldete, der behauptete, er habe diesen Angriff des Mannes beobachtet. Im Prozess sagte er schließlich als Zeuge aus, er habe gehört, wie der Mann geschrien habe: „Ich bring euch um! Ich bring dich um!“ Dann habe er die Frau an den Schultern gepackt und ihr ins Gesicht geschlagen. Die Staatsanwaltschaft glaubte dem Zeugen nicht und veranlasste seine Festnahme. Mittlerweile ist bekannt geworden, dass der Zeuge zwei Eintragungen im Strafregister hat, wegen Betruges und Unterschlagung. Er wurde jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Der 31-Jährige ist nach Auskunft der Münchner Staatsanwaltschaft weiterhin in Untersuchungshaft.
Wie es mit Michaela S. weitergeht, ob sie noch lange im Gefängnis bleiben muss, wird in dem Prozess vermutlich im kommenden Monat entschieden. Zunächst werden für den 3. August die Plädoyers erwartet. Eine Woche später, voraussichtlich, will das Gericht sein Urteil fällen.