Hamburg. Diverse Parteien und Beratungsstellen haben am Sonnabend zum 3. Hamburger Hanftag aufgerufen. Der St. Pauli Blog war dabei.
Auf den ersten Blick wirkt es wie eine fröhliche Familienfeier. Im Central Park an der Max-Brauer-Allee spielen Väter mit ihren Kindern im Sand, an den Gartentischen wird diskutiert, eine Band spielt. In diversen Zelten wird über die Legalisierung von Cannabis informiert – von Zeit zu Zeit weht auch der passende süßlich würzige Duft vorbei.
Zum 3. Hamburger Hanftag am Sonnabend haben neben den Piraten, den Grünen (bzw. Grüne Jugend) und der Linken diesmal auch die Neuen Liberalen und eine Reihe von Drogenberatungsstellen wie Ragazza, Palette und die Aids-Hilfe aufgerufen. Die repressive Drogenpolitik sei wirkungslos geworden, sagt Initiator Andreas Gerhold von den Piraten zur Begrüßung. Die Zahl der Konsumenten habe nicht abgenommen, „sie ist unabhängig vom Grad der Repression. Und in einen illegalen Markt kann niemand eingreifen.“
Deshalb setze sich der Hanftag für eine Legalisierung ein. Und fühlt sich bestärkt vom Stadtteilbeirat Sternschanze: Der hatte sich in seiner Empfehlung vom 27.11.2014 an die Bezirksversammlung Altona für die Einrichtung eines Ortes für einen kontrollierten Verkauf von Cannabis im Bereich Altona im Rahmen eines Modellversuchs ausgesprochen, um der illegalen Szene die Geschäftsgrundlage zu entziehen.
„Cannabiskonsum gehört heute zur Alltagskultur Das kann keine Strafandrohung verhindern“, sagte Reiner Benecke, Landessprecher der Linken. Auch für Yannick Wehr von der Grünen Jugend ist „der Krieg gegen die Drogen schon lange gescheitert“. Statt dessen lägen die Vorteile einer Legalisierung auf der Hand: „Sie entlastet die Strafverfolgungsbehörden und bringt den Konsumenten gesundheitliche Vorteile.“
Für die Neuen Liberalen war sogar ihr Bundesvorsitzender Najib Karim zum Hanftag gekommen. „Wir fordern einen grundsätzlichen Wandel in der Drogenpolitik und konzentrieren uns auch nicht nur auf Cannabis“, sagt er. „Die Neuen Liberalen setzen sich für eine offene und freie Gesellschaft ein. Was jemand mit seinem Körper macht, ist individuell seine Sache. Aber man muss natürlich Hilfen bieten. Und das ist bei einer kontrollierten Abgabe viel besser möglich als bei einer Kriminalisierung.“
Schaffung von Abgabestellen gefordert
Frank Frehse von der Palette Drogenhilfe erläutert die Forderungen des Bündnisses. „Es geht nicht darum, einen Coffeeshop in einem Stadtteil zu schaffen. Wenn in St. Pauli oder der Schanze solche Shops entstünden, würden dort täglich tausend Leute Schlange stehen, um einzukaufen. Damit schaffen wir wieder eine offene Drogenszene in der Stadt, die keiner haben will. Die Alternative ist die Schaffung von Abgabestellen für Cannabis in verschiedenen Vierteln der Stadt, wo etwas los ist.“ Unabhängig davon müsse es auch genügend Druckräume für Konsumenten geben, sagt Frehse. „In all den Jahren, in denen es Druckräume gibt, ist dort noch kein Mensch an einer Überdosis gestorben. Weil die medizinische Versorgung dort hervorragend ist, weil ein ruhiges, sicheres Umfeld geschaffen wird, weil der Konsument steriles Material, ordentliches Ascorbin und sauberes Wasser bekommt.“
Gegner einer Legalisierung argumentieren, dass dann auch Cannabis mit einem sehr hohen THC-Gehalt konsumiert würde und dass auch die Hemmschwelle gegenüber Chystal Meth sinken könnte. (Tetrahydrocannabinol = THC zählt zu den psychoaktiven Cannabinoiden und ist der hauptsächlich rauschbewirkende Bestandteil der Hanfpflanze).
Rainer Schmidt, Mitbegründer der Beratungsstelle Palette in der Bartelsstraße, widerspricht. „Bei einer kontrollierten Abgabe hätten wir endlich vernünftige Produktinformationen wie bei Lebensmitteln oder Alkohol“, sagt er. „Die Qualität und der THC-Gehalt würden dann geprüft und angegeben, wie es in den Niederlanden auch schon der Fall ist.“
Über Chystal Meth gebe es zum Teil verwirrende und dramatisierende Berichte. „Gefährlich ist vor allem die Überdosierung – die Dosis macht erst das Gift. Man sollte sich erinnern, dass dieser Stoff früher vom Arzt verschrieben wurde, zum Teil als Schlankheitsmittel diente.“ Die Gefährlichkeit bei CM und ähnlich auch bei Amphetaminen oder Crack komme durch die schädlichen Beimischungen.
Für Frank Frehse von der Palette ist gerade die bessere Information darüber und der offenere Umgang mit möglichen Wirkungen ein schlagendes Argument für die Schaffung kontrollierter Abgabestellen. „Viele glauben heute ohnehin nicht mehr daran, dass Drogen so schädlich sind. Deshalb ist eine Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen sehr wichtig und nicht ein Verteufeln“, sagt er.
Hamburger Grüne wollen Modellprojekt
Bis zu einer kontrollierten Abgabe in speziellen Läden ist es aber noch ein weiter Weg, meint Andreas Gerhold. Zwar hatten die Grünen im März einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, wonach Erwachsene zukünftig bis zu 30 Gramm Cannabis besitzen dürfen und in speziellen Geschäften legal erwerben können sollen. Die Hamburger Grünen hatten in die Bürgerschaft einen Antrag eingebracht, ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu starten.
Aber bisher könne er keinen Fortschritt erkennen, sagt Gerhold. „Wenn man sich den Koalitionsvertrag anschaut, dann steht da nur, der Gesundheitsausschuss werde sich ergebnisoffen mit den Möglichkeiten von Cannabis-Abgabestellen für Erwachsene beschäftigen – und das war’s.“ In einem NDR-Bericht habe es aus den Koalitionsverhandlungen geheißen, man könne sich vorstellen, Cannabisabgabestellen „für namentlich registrierte Schwerstabhängige“ zu schaffen. „Da fasse ich mir an den Kopf. Wie kommen Politiker auf so einen Unsinn?“
Gerhold hofft auf eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, die auch gut und gern zehn Jahre dauern kann. So lange will er nicht abwarten. Dass gehandelt werden muss, ist für ihn klar: Wegen der Kriminalisierung von Konsumenten und Kleindealern fehlen der Polizei und Justiz Kapazitäten, die etwa in der Verfolgung der organisierten und Schwerkriminalität fehlen.
„Da sieht man, was die Repressionspolitik uns kostet“, sagt Gerhold. Dabei gebe es ja „durchaus Erfolge in der Drogenpolitik, die vor 25 Jahren angestoßen wurden, nämlich die Drogenkonsumräume. Wir haben schon lange keine Herointoten in öffentlichen Toiletten mehr in Hamburg. Das sind Erfolge einer akzeptierenden und regulierenden Drogenpolitik. Und diesen Weg müssen wir weitergehen.“ Eine Möglichkeit seien kontrollierte Abgabestellen, für die sich Gerhold seit Jahren stark macht. „Das darf man sich aber auch nicht zu einfach vorstellen: Dafür muss es ein sehr solides Konzept geben, damit das Bundesamt für Arzneimittel sie überhaupt akzeptiert. Es kann sieben bis zehn Jahre dauern, bis so ein Verfahren gelaufen ist.“
Interview mit Mareike Engels, Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen
St. Pauli Blog: Treffen sich auf dem Hanftag nur Kiffer?
Mareike Engels: Menschen, die für die Legalisierung sind, müssen nicht notwendig Kifferinnen oder Kiffer sein. Ich gehöre zu denen, die akzeptieren, dass Menschen konsumieren. Da möchte ich Schadensprävention betreiben.
Die Hamburger Grünen haben vor der Bürgerschaftswahl ein Modellprojekt zur kontrollierten Cannabis-Abgabe an Erwachsene gefordert. Wurde das in den Koalitionsvertrag übernommen?
Engels: Wir haben mit der SPD vereinbart, dass wir im Gesundheitsausschuss die Idee für ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene debattieren. In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir dazu bereits einen Antrag gestellt und ich hoffe, dass wir eine konstruktive Debatte führen.
In Berlin Kreuzberg-Friedrichshain wurde so ein Modellprojekt schon angeschoben. Gucken Sie da ein bisschen hin?
Engels: Erfahrungswerte werden wir uns da sicherlich angucken, gerade weil so ein Modellprojekt auch vom Bund genehmigt werden muss. Die Debatte darüber steht jetzt im Gesundheitsausschuss an. Ich hoffe, dass sie dort fachlich fundiert geführt wird.
Was ist für Sie persönlich der Grund, sich für die Legalisierung einzusetzen?
Engels: Ich halte besonders die Punkte Verbraucherschutz und Jugendschutz für wichtig. Verbraucherschutz deshalb, weil: Wenn wir eine kontrollierte Cannabis-Abgabe in Fachgeschäften haben, kann nicht gepanscht und gestreckt werden. Es hat Fälle gegeben, wo Dealerinnen und Dealer Blei unter den Stoff gemischt haben und die Konsumentinnen und Konsumenten dann Bleivergiftungen hatten. Von einer kontrollierten Abgabe verspreche ich mir einfach mehr Schutz für die Konsumierenden. Sie können sich in Fachgeschäften zum Beispiel über Nebenwirkungen beraten lassen oder über Gefahren, wenn sie Krankheiten haben und Medikamente nehmen. Die bessere Information könnte auch durchaus dazu führen, dass weniger konsumiert wird. Und eine kontrollierte Abgabe würde auch einen besseren Jugendschutz gewährleisten. Die Dealerinnen und Dealer auf der Straße fragen nicht, wie alt jemand ist, die verkaufen selbst an Zwölfjährige. Bei einer kontrollierten Abgabe könnte nicht an Minderjährige verkauft werden.