318 Beamte waren bei einer Großkontrolle in ganz Hamburg im Einsatz. Die Polizei stellte dabei fest: Die Akzeptanz der Autofahrer für derartige Aktionen geht seit Längerem zurück.
Hamburg. Es ist ein Bruchteil einer Sekunde, aber er ist eindeutig: Das Ampellicht leuchtet rot, als der Autofahrer die Kreuzung an der Sternbrücke überquert, unterwegs Richtung Neuer Pferdemarkt. Zwei unter der Brücke positionierte Polizisten haben den Fahrer des weißen Transporters beobachtet und dokumentiert, jetzt geben sie über Funk Details an die Kollegen durch: Autotyp- und Farbe, Geschlecht des Fahrers, Fragmente des Hamburger Kennzeichens. Wenige Hundert Meter weiter ziehen Polizisten den Fahrer mit einer Kelle aus dem Verkehr. Er ist einer der 176 Autofahrer, die die Polizei am Mittwoch bei einer stadtweiten Kontrolle als sogenannte Rotlichtsünder anhielt.
Bis zum Mittag waren 160 Beamte an 17 Ampeln eingesetzt. Sie stellten 260 Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung fest, darunter in einem Fall Fahren unter Drogeneinfluss. Neben Geschwindigkeitsüberschreitungen gilt das Fahren bei rot als eine Hauptunfallursache. „Über einen längeren Zeitraum hat sich die Akzeptanz bei Auto- und Radfahrern negativ entwickelt.“ Es gebe eine Tendenz dahin, noch schnell bei „orange über die Ampel zu fahren“, sagt Polizeidirektor Ulf Schröder, Leiter der Hamburger Verkehrsdirektion. Insgesamt seien bis zum Abend 318 Beamte im Einsatz gewesen.
Aktueller Anlass für die großflächige Kontrolle war laut Schröder ein tödlicher Unfall nahe der Kaifu-Lodge in Eimsbüttel. Ende Januar war dort die Wirtin des Szene-Lokals Vesper bei einem Unfall gestorben. Sie hatte die Straße überquert, als ein Auto sie erfasste. Der Fahrer war nach bisherigen Erkenntnissen bei Rotlicht gefahren. Der ADAC hat 2012 eine Studie über Rotlichtsünder in Hamburg veröffentlicht – mit dem Ergebnis, dass das Rotlicht immer häufiger ignoriert wird. „Wir planen weitere Untersuchungen zu dem Thema“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. „Zurzeit bekommen wir vermehrt Beschwerden von Mitgliedern über abnehmende Verkehrsmoral. Dazu zählt unter anderem das Fahren bei rotem oder gelbem Ampellicht.“
Stresemannstraße gilt als Gefahrenstelle
Die Stresemannstraße als Hauptverkehrsstraße gilt als Gefahrenstelle. An der Strecke wurde eine Tempo-30-Zone eingerichtet, nachdem 1991 ein neun Jahre altes Mädchen von einem Laster getötet wurde, der bei rot über die Ampel gefahren war. Innerhalb von eineinhalb Stunden haben die dort positionierten Polizisten zehn Rotlichtsünder aus dem Verkehr gezogen. Obwohl diese direkt im Anschluss mit ihren Verstößen konfrontiert werden, sind die wenigsten einsichtig. Sie finden Ausreden oder verneinen schlicht die standardmäßige Frage der Polizisten, ob sie den Verstoß einräumten. Nachdem die Polizei die Personalien aufgenommen hat, können die Angehaltenen weiterfahren. Die Anzeigen werden dann an die Bußgeldstelle weitergeleitet, die den Bescheid per Post zustellt. Will der Fahrer dann nicht zahlen, kann er Einspruch erheben.
Fahrverbote sprechen die Kontrolleure an der Sternbrücke an diesem Mittag nicht aus. Erst wenn die Ampel eindeutig länger als eine Sekunde rot war, muss der Fahrer nicht nur ein Bußgeld zahlen, sondern auch seinen Führerschein für einen Monat abgeben. Die Strafen erhöhen sich, wenn durch das Überfahren der roten Ampel eine direkte Gefährdung oder ein Unfall entsteht.
Neben zehn Rotlichtfahrern hat die Polizei an dem Kontrollposten auch diverse Autofahrer angehalten, die am Steuer telefonierten oder zumindest auf ihre Handys guckten. „Erstaunlicherweise erleben wir das immer wieder. Dabei ist die Benutzung eines Telefons am Steuer aus gutem Grund verboten: Wer bei Tempo 50 einige Sekunden abgelenkt ist, kann gut bis zu 50 Meter im Blindflug zurücklegen“, sagt Polizeidirektor Schröder.
60 Euro Strafe für Smartphone-Nutzung
Fachleute des Verkehrsgerichtstags fordern, den Einsatz von Smartphones während der Fahrt einzuschränken. Denkbar wären demnach technische Lösungen, durch die ablenkende Funktionen der Geräte während der Fahrt deaktiviert werden. Gleichzeitig empfehlen die Fachleute, die technische Entwicklung beim automatisierten Fahren voranzutreiben. Die Unfallforschung der Versicherer (UVD) hat zudem den Forschungsstand zur „Ablenkungswirkung von Informations- und Kommunikationssystemen“ (IKS) analysiert: Die deutlichste Beeinträchtigung des Fahrverhaltens findet sich beim Lesen und Schreiben von SMS, gefolgt von der Bedienung des Navigationssystems und des Telefons.
Wer hinter dem Lenkrad sitzt und mit Smartphone in der Hand erwischt wird, zahlt 60 Euro. Für den Fahrer des weißen Transporters, der am Mittwoch an der Sternbrücke die rote Ampel überfahren hat, werden 90 Euro Strafe fällig. Der Mann reagiert wütend, knallt die Tür seines Wagens hinter sich zu und fädelt sich wieder in den Verkehr auf der Stresemannstraße ein.
Die Polizei will den Kampf gegen Rotlichtfahrer künftig fortführen. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer: „Wir werden auch weiterhin konsequent gegen Rotlichtsünder und Raser vorgehen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.“