Bahrenfeld im Umbruch: Seit 1981 prägt das Euler-Hermes-Hochhaus den Stadtteil. Jetzt soll es mehr als 500 Wohnungen Platz machen. Der Architekten-Wettbewerb für einen Neubau ist bereits gestartet.
Bahrenfeld. Vor zwei Jahren wurden erste Überlegungen öffentlich, jetzt ist der Plan konkret: Eines der höchsten Häuser in Hamburg wird in den kommenden Jahren abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Das teilte am Montag der in Hamburg ansässige Kreditversicherer Euler-Hermes mit, der in dem 23 Stockwerke hohen Bürogebäude in Bahrenfeld rund 1400 Mitarbeiter beschäftigt. Das 1981 fertiggestellte „Euler-Hermes-Hochhaus“ auf dem 20.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Friedensallee werde das Hamburger Immobilienunternehmen Quantum kaufen, abreißen und dort neue Wohngebäude errichten. Geplant sind Gebäude mit fünf bis sechs Geschossen und mehr als 500 Wohnungen. Davon soll laut Quantum rund ein Drittel wie in Hamburg üblich als Sozialwohnungen angeboten werden. Am Dienstag startete dazu bereits ein Architekten-Wettbewerb, an dem sich zwölf Büros beteiligen werden. Im Sommer sollen die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Über die Höhe des Kaufpreises machten die beiden Unternehmen keine Angaben. Allerdings handelt es sich bei dem Geschäft um ein größeres Vertragswerk, das in Kürze unterzeichnet werden soll: So besitzt Euler-Hermes – nach eigenen Angaben weltweiter Marktführer im Kreditversicherungsgeschäft – auch ein Grundstück an der unmittelbar benachbarten Gasstraße. Dort werde ein neuer Bürobau geplant, in den die Bahrenfelder Mitarbeiter umziehen werden. „Wir sind dem Standort Bahrenfeld eng verbunden und das wollen wir auch bleiben“, bekräftigte dazu Vorstandsmitglied Silke Grimm. Geplant ist nun, dass Quantum auch dieses Grundstück und den Bau dort übernehmen wird und den neuen Unternehmenssitz wieder an Euler-Hermes langfristig vermietet.
Grund für die Abrisspläne sei eine sehr „ungünstige Ökobilanz“ des Hochhauses, das vollklimatisiert ist und einen sehr hohen Energieverbrauch benötige. Ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb des Gebäudes sei deshalb langfristig nicht mehr möglich gewesen, hieß es bei Euler-Hermes. Planer und Experten der Immobilienbranche hätten auch Alternativen einer Sanierung geprüft. Im Ergebnis aber seien alle Umbauvarianten „wesentlich teurer“ als der Abriss und ein Neubau.
Der Abriss eines so relativ jungen und hohen Gebäudes wäre im Übrigen kein Novum in Hamburg: Das 1966 gebaute, damals rund 89 Meter hohe Iduna-Hochhaus am Millerntorplatz wurde 1995 für einen Neubau weggesprengt. „Asbestbelastet“, so lautete die damalige Begründung. Auch die vier städtischen City-Hochhäuser nahe dem Hauptbahnhof will Oberbaudirektor Jörn Walter am liebsten abreißen und durch einen Neubau ersetzen lassen. Anders erging es indes dem Unilever-Haus in der Neustadt, das wie der Hermes-Bau monumental aus der umgebenen Bebauung herausragt. 2011 stellte die Stadt dieses Hochhaus sogar unter Denkmalschutz.
Mehr als 500 Wohnungen auch in der Nachbarschaft geplant
Nach dem bisherigen Zeitplan wird für den Euler-Hermes-Büroneubau an der Gasstraße 2016 der Baustart sein. Zwei Jahre später, so der Plan, können dann die Mitarbeiter aus dem Hochhaus in die neue Unternehmenszentrale ziehen. Und erst dann soll der Abriss des markanten, 86 Meter hohen Hochhauses erfolgen, der zu den nur zwölf Gebäuden in Hamburg zählt, die höher als 80 Meter sind. 2019 schließlich soll mit dem Bau der Wohnungen an der Friedensallee begonnen werden. Voraussetzung dafür sei aber, dass auf beiden Baugrundstücken rechtzeitig das notwendige Baurecht geschaffen werde. Daran arbeitet der Bezirk Altona allerdings bereits intensiv, wie der SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Altona, Thomas Adrian, sagt. Allerdings werde im neuen Bebauungsplan „ausdrücklich“ keine Geschosszahl für die neuen Wohngebäude stehen, so Adrian. „Wir wollen den Architekten mehr Freiraum lassen“, sagt der Politiker. Vorstellbar sei als Ersatz für das Hochhaus auch ein neues Hochhaus.
Zudem ist Adrian zufolge der Bebauungsplan im Zusammenhang mit anderen Bauvorhaben an der Friedensallee zu sehen. Tatsächlich arbeitet der Bezirk gerade an weiteren Bebauungsplänen in diesem Gebiet an der Grenze zwischen den Stadtteilen Bahrenfeld und Ottensen, wo nach Einschätzung des Bezirkspolitikers in den nächsten Jahren mehr als 1000 neue Wohnungen gebaut werden könnten. Allerdings soll das bisher vor allem durch Industrie und Gewerbe geprägte Gebiet nicht zu einem reinen Wohnareal werden, sondern auch weiter Platz für Unternehmen bieten. Und das ausdrücklich nicht nur für Dienstleister wie Euler Hermes: Unmittelbar angrenzend befindet sich beispielsweise das Kolbenschmidt-Areal. Die Rheinmetall AG hatte dort im Jahr 2010 die Produktion eingestellt und vermietet die Hallen günstig an kleinere Gewerbebetriebe. Nach langer Diskussion hat der Bezirk Altona jetzt dafür einen Bebauungsplan in Arbeit, der die Betriebe dort halten, aber gleichzeitig den Bau von Wohnungen ermöglichen soll.
Geschätzt wird hier das Potenzial auf noch einmal etwa 460 Wohnungen. Neubaupläne gibt es zudem für das unmittelbar angrenzende Schwarzkopf-Gelände, wo vor allem Labore des Shampoo-Riesen beheimatet sind; wo es aber wohl auch noch freie Flächen gibt. Auch dort will der Eigentümer des Grundstücks am liebsten Wohnbauland bekommen, die Politik indes ist bestrebt, die Arbeitsplätze am Standort zu halten. Wie viele Wohnungen dort einmal gebaut werden können, ist daher noch offen. Zumal bei allen Projekten gilt, die Balance zwischen Gewerbe und Wohnen zu halten und darauf zu achten, dass es nicht zu Streitfällen kommt, etwa wegen Lärm durch Gewerbebetriebe. „Eine Herausforderung für die Quartiersplanung“, wie Quantum-Geschäftsführer Frank Bohlander sagt. Eine Aufgabe, die nun vor allem die zwölf Architekturbüros lösen sollen.