Die immer schlechtere Nahversorgung bereitet vielen Anwohnern Probleme – in Othmarschen gibt es jetzt eine Lösung. Die Metrobuslinie 15 wurde an den S-Bahnhof angebunden und verlängert.
Othmarschen. Trotz seiner Sehbehinderung meistert Björn Beilfuß den Alltag bravourös. Mit seinem positiven, anpackenden Naturell ist der blinde junge Mann im Wohngebiet rund um Bernadotte- und Liebermannstraße im Westen der Hansestadt ein beliebter Nachbar. Man kennt sich seit Jahren. Noch mehr als andere jedoch leidet der Kaufmann für Bürokommunikation unter einer immer schlechter werdenden Nahversorgung vor Ort. „Immer mehr Läden müssen schließen“, klagt er. Für viele Anwohner, besonders die älteren, werden Besorgungen, Bankgeschäfte oder Arztbesuche zur Herausforderung.
Dieser schleichende und überall in Hamburg spürbare Prozess des Ladensterbens außerhalb großer Einkaufsstraßen und Shopping-Zentren wird im Fall Björn Beilfuß jetzt durch eine unkonventionelle Entscheidung zwar nicht gestoppt, aber gelindert. Auf Initiative engagierter Anwohner und eines aktiven Bürgervereins reagierten die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) und der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) schnell und unbürokratisch: Die Metrobuslinie 15 wurde kurzerhand an den S-Bahnhof Othmarschen angebunden und somit verlängert. Für Björn Beilfuß und seine Nachbarn in Othmarschen bringt dieser Service erhebliche Erleichterungen: Vom Jes-Juhl-Weg, dem Strehlowweg und den anderen Straßen rund um die „Bernadotte“ mit einem Altenheim und einem Gehörlosenzentrum gibt es mit dem Metrobus 15 nunmehr eine direkte Verbindung zur Waitzstraße und der dortigen Einkaufs- und Ärztewelt. Zuletzt war es für viele Bürger im Stadtteil immer schwerer oder gar unmöglich geworden, in der Nähe Lebensmittel oder Geld zu besorgen. Wer kein Auto hat, war auf andere angewiesen.
Früher war es besser. Wie auch anderswo in Hamburg lebte die Nahversorgung. Ein Milchladen, ein Gemüsehöker, Kneipen, zwei Gaststätten, ein Gärtner und ein Schuster auf der Ecke fungierten nicht nur als Versorgungsquellen, sondern auch als Kontaktbörsen mit wichtiger sozialer Funktion. Als im Frühjahr vergangenen Jahres der Supermarkt und die Volksbank-Filiale an der Kreuzung Bernadottestraße/Liebermannstraße schlossen, verschlimmerte sich die Lage weiter.
Auch der Geldautomat ist stillgelegt. Demnächst, so ist vor Ort zu hören, wird auch das letzte verbliebene Restaurant seinen Betrieb einstellen. Hohe Mieten und die Konzentration auf Geschäftszentren verhindern bisher Neueröffnungen: Der Supermarkt und die Bank stehen seit Monaten leer und sind Schandflecke im ansonsten attraktiven Bezirk.
„Für die Anwohner hier ist das eine Katastrophe“, sagt Wencke Pezold, Chefin einer angesehenen Bäckerei in der Liebermannstraße. „Die Verärgerung bei Kunden und Geschäftsleuten ist groß, weil man die Grundnahrungsmittel nur noch weit entfernt kaufen kann.“ Neben anderen Fachgeschäften hält die couragierte Kauffrau unverdrossen die Stellung; doch das Ende vieler Läden im Stadtteil bereitet ihr Sorge. Auch durch langwierige Baumaßnahmen sei ihr Umsatz in den vergangenen zwei Jahren um 40 Prozent eingebrochen.
Wie gut besonders für ältere Othmarschener, dass es einen engagierten Bürgerverein und aktive Nachbarn gibt. So wie Brigitte Segner, eine Frau mit sozialem Sinn und Durchsetzungskraft. „Als ich immer öfter ältere Damen mit vollgepackten Einkaufstüten auf Fahrrädern wackeln sah, habe ich gehandelt“, berichtet sie. Im Nu organisierte sie mehr als 150 Unterschriften. Bitte an die Verkehrsbetriebe: Verlängerung der Buslinie 15 bis zum S-Bahnhof Othmarschen – und umgekehrt. Parallel schrieben Anwohner wie Helmut Hansen und Christoph Beilfuß vom Bürgerverein Flottbek-Othmarschen in gleicher Sache.
Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten: Seit dem Fahrplanwechsel 2014/15 fährt der 15er über die bisherige Endhaltestelle Agathe-Lasch-Weg hinaus im 20-Minuten-Takt weiter Richtung Waitzstraße. Von dort geht’s in anderer Richtung zurück. Bisher war die Haltestelle Reventlowstraße nahe der Christuskirche Startpunkt. „Gelobt sei unbürokratisches, zügiges Handeln“, sagt Co-Initiatorin Brigitte Segner. Tatsächlich sorgten die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein und der HVV gemeinsam für eine pragmatische Lösung, die nicht viel Geld kostet, denn die Bushaltestelle am S-Bahnhof Othmarschen besteht ja schon.
„Unser Ziel ist es, den Fahrgästen, die auf Erledigungen wie Einkäufe und Arztbesuche angewiesen sind, höchstmögliche Flexibilität zu ermöglichen“, heißt es von Seiten der Verkehrsbetriebe. Zuletzt habe es auch auf den Linien 124, 152, 181 und 321 gezielte Angebotsausweitungen gegeben. Für Menschen wie Björn Beilfuß bringt bedeutet dies ein Plus an Lebensqualität.