Flüchtlinge wollen nicht immer nur Hilfe annehmen, sondern auch etwas geben. In der Bahrenfelder Luthergemeinde verteilen sie Lebensmittel an Arme. Auch die Bundesregierung findet das Projekt gut.

Hamburg. „Die sind einfach so mittendrin“, sagt Pastor Björn Begas über die Rolle von Flüchtlingen in seiner Hamburger Gemeinde. Die Luthergemeinde liegt im Stadtteil Bahrenfeld, unweit einer riesigen Containersiedlung für mehr als 1300 Asylbewerber. Dort zu leben empfand Hanna H. (Name geändert) als „Katastrophe“. Die 31 Jahre alte Englischlehrerin verbrachte fünf Monate in dem Lager, zusammen mit ihrem Mann. Sie berichtet von Konflikten unter den vielen Bewohnern, Lärm, Enge, verdreckten Toiletten, Streit ums Essen. „Ich habe jeden Tag geweint.“

Jetzt steht sie in einer Begegnungsstätte auf dem Luthercampus, packt Brotlaibe in Tüten ab und strahlt. Zusammen mit gut einem Dutzend anderer Helfer aus Deutschland, Afghanistan, Brasilien und weiteren Ländern bereitet sie die wöchentliche Lebensmittelausgabe für etwa 500 Bedürftige im Stadtteil vor. Brot, Obst, Konserven und anderes sind Spenden zweier Supermärkte und einer Bäckerei. Auch die Hamburger Tafel gibt von ihren Lebensmittelspenden etwas dazu.

25 Ehrenamtliche helfen bei der Essensausgabe

Zweieinhalb Stunden vor Öffnung der Ausgabe werden im „Café Käthe“ Sessel und Sofas zur Seite geschoben und lange Tische aufgestellt. Die Helfer schleppen Kartons mit Obstgläsern oder Fertigbackwaren aus dem Keller und packen sie aus. Es braucht viele Handgriffe, bis sich die erste Gruppe Bedürftiger bedienen kann. Einige der insgesamt 25 ehrenamtlichen Mitarbeiter gehören selbst zu diesem Kreis und wollen etwas zurückgeben.

Seine Gemeinde versuche, zwischen den Menschen im Stadtteil eine Brücke zu schlagen, sagte Pastor Begas. Sehr erfolgreiche Projekte seien neben der Essensausgabe auch eine Kleiderkammer und ein Gemeinschaftsgarten. Der entsteht auf Initiative von Eltern auf einem Brachgelände. Sie wollen ihren Kindern ein Stück Natur in der Stadt bieten. Die Eltern fingen an, das Gelände aufzuräumen und ein Steinhaus zu sanieren. „Dann kamen Flüchtlinge und ein paar ältere Männer dazu, deren Frauen ich beerdigt habe“, berichtet Begas. „Es sind ja in der Regel auch Leute, die handwerklich wirklich was können.“ Ein Gesprächskreis hätte diese Menschen nicht zusammengebracht, schon wegen der Sprachprobleme.

Hilfsaktion ist wie ein Deutschkurs

„Für mich ist das wie ein Deutschkurs. Ich lerne hier was“, sagt die Afghanin Sara Rahmani im „Café Käthe“. Die 35 Jahre alte Mutter von drei Kindern kam vor zwölf Jahren nach Hamburg, ihr Mann ist arbeitslos. „Ich helfe hier gern“, sagt sie. Jeden Dienstag arbeitet sie drei Stunden bei der Essensausgabe. Die Bedürftigen kennt sie inzwischen gut. „Manche Familien haben neun Kinder“, sagt Rahmani. Nach langer Durststrecke geht es jetzt auch für sie ein bisschen bergauf. Seit einem Monat wohnt die Familie zum ersten Mal in einer eigenen Wohnung.

Dass hinter den Tischen mit den Lebensmitteln ein Kreuz an der Wand hängt, stört niemanden. Der Mann von Hanna H. ist Moslem, aber er sagt: „Religion ist für mich nur Politik.“ Der IT-Manager ist seit sieben Jahren mit Hanna H. verheiratet, die im Iran zum Christentum konvertierte. Rosalia Witt packt ebenfalls Kartons mit Konserven aus. Die 46-Jährige Hausfrau kam vor 17 Jahren wegen ihres Mannes nach Hamburg. Sie gehört der in Brasilien verbreiteten Espírito-Gemeinschaft an. Als sie über die Kirchenzeitung von dem Projekt erfuhr, meldete sich sie sich spontan. „Wichtig ist helfen“, betont sie. Auf die Konfession komme es dabei nicht an.

Einladung von Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz

„Wir sind ein offenes Gemeindezentrum, es dürfen alle kommen, egal ob gläubig oder nicht“, sagt die Theologin Bärbel Dauber (49), die den Luthercampus leitet. Der Erfolg der Essensausgabe hat sich inzwischen bis nach Berlin herumgesprochen. Dauber und Hanna waren in der vergangenen Woche zu einem großen Empfang von Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz eingeladen, an dem auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (alle SPD) teilnahmen. Dauber kam mit dem Eindruck zurück, dass die Bundesregierung das Engagement von und für Flüchtlinge sehr schätzt.

Heiligabend kochen alle zusammen 

Jetzt will sie sich für Verbesserungen in der Bahrenfelder Erstaufnahme-Einrichtung einsetzen. „1500 Menschen sind ein Dorf“, heißt das Motto einer Postkartenkampagne. Ziel ist es, die Flüchtlinge schneller arbeiten zu lassen. „Die sitzen einfach nur da und dürfen nicht einmal kochen“, sagt Dauber.

Das ist in der Luthergemeinde ganz anders, auch an Heiligabend. „Dann werden wir zusammen kochen und essen“, sagte sie. Unter den 40 Feiernden werden Flüchtlinge und Einheimische, Christen und Muslime, Alte und Junge sein. „Bei uns sind alle willkommen.“