Der LutherCampus ist eine feste Größe im Stadtteil. Die treibende Kraft dahinter ist Initiatorin Bärbel Dauber, die damit vor allem Familien in dem sozialen Brennpunkt unterstützt.

Ganz schön laut hier. Und wuselig. Im Flur toben Ava, Mila und Blerina ungeduldig herum. Sie wollen jetzt endlich anfangen mit dem Basteln. Ein älteres Ehepaar bahnt sich den Weg durch die aufgedrehte Mädchenbande, zielstrebig folgen die beiden dem Duft von frischgebackenen Waffeln. Draußen vor der Tür bilden Kinderwagen ein Spalier. Es ist Mittwochnachmittag, und das „Café Käthe“ hat geöffnet. Inzwischen herrscht Hochbetrieb auf dem LutherCampus in Bahrenfeld. Mittendrin steht Bärbel Dauber – und ist die Ruhe in Person. Gerade stürmen noch ein paar Jungs vom Spielplatz herein. „Es ist genau so, wie es sein soll“, sagt die Campus-Chefin und lacht fröhlich. „Die Menschen treffen sich bei uns und fangen an miteinander zu reden.“

Von wegen Enthaltsamkeit und Spaßbremse, mit dem landläufigen Bild von kirchlichen Gemeindeleben hat der LutherCampus nicht viel zu tun. Das offene Gemeindezentrum ist inzwischen eine feste Größe in Bahrenfeld. Ein Ort für Begegnungen. Und einer, von dem viele Initiativen für den ganzen Stadtteil ausgehen. Das liegt vor allem an Bärbel Dauber. Sie war die treibende Kraft, als vor einigen Jahren die Idee entstand, inmitten der Hochhäuser an der Lyserstraße und Sibeliusstraße eine Dependance der Lutherkirche zu eröffnen. „Es gab hier ja nichts“, sagt die 48-Jährige, die sich damals im Kirchenvorstand der Gemeinde engagierte. Dabei ging es nicht so sehr um Gottesdienste und Glaubensvermittlung, sondern um Unterstützung für Familien in dem sozialen Brennpunkt.

„Der Platz der Kirche ist bei den Menschen, bei ihren Sorgen und Freuden, in ihrem Alltag“, so das Credo der Bahrenfelderin, „und zwar unabhängig von ihrem Glauben, ihren Einstellungen und der sozialen Position.“ Im Herbst 2008 wurde der LutherCampus mit Kirchen-Kita und zwei Räumen für Mütterberatung, Wellcome-Center und Seniorenkurse eröffnet. Und die Menschen kamen. 2009 übernahm die Pfälzerin, die wegen des Theologie-Studiums nach Hamburg gekommen war, die Leitung und hat seitdem ein Feuerwerk neuer Ideen entwickelt. Sie holte die weitere Beratungsangebote in den Backsteinbau, der lange leer gestanden hatte, entwickelte Programme wie „Ferien ohne Koffer“ oder die „Kindersamstage“, an denen sie mit den Stadtteil-Kids Ausflüge macht. Das „Café Käthe“ hat sie sich ausgedacht, genau wie „Käthes Kleiderkammer“, die Kinderküche oder den individuellen Förderunterricht für Schüler.

Inzwischen gibt es einen Wochenplan mit mehr als 20 Terminen. Dauber schmeißt den Laden, es gibt neun Mitarbeiter, die stundenweise arbeiten, und eine Kollegin für das Eltern-Kind-Zentrum. Inzwischen haben mehr als 100 Ehrenamtliche angedockt. Die Powerfrau, die ungemein findig darin ist, Finanzierungsquellen und Spender aufzutun, sieht den LutherCampus in einer Lotsenfunktion. Für die Nachbarn, viele aus sozial schwachen Schichten, mit ausländischen Wurzeln und alleinerziehend, aber genauso für die Bahrenfelder von der anderen, der gut situierten Seite der Friedensallee. „Wir sind so eine Art Marktplatz“, sagt sie.

Auch im Wortsinn. Nachdem vor einiger Zeit der nahe Supermarkt einem Wohnungsneubau weichen musste, hat die gewiefte Netzwerkerin einen kleinen Wochenmarkt auf das Kirchen-Gelände geholt – gegen alle Widrigkeiten. Das Projekt läuft schleppend an, aber Dauber will nicht aufgeben. „Gerade für ältere Menschen ist es gut, wenn sie vor Ort Brot, Gemüse oder Eier kaufen können.“ Immer dienstags gibt es eine Lebensmittelausgabe in der Kooperation mit der Hamburger Tafel. 120 Haushalte werden versorgt, weitere stehen auf der Warteliste. Auch das hat sie initiiert. Als sich vor einigen Monaten abzeichnete, dass in dem Containerdorf an der Schnackenburgallee dauerhaft Flüchtlinge leben werden, organisierte sie mit anderen ein Unterstützer-Netzwerk. Das klingt schon sehr nach Gutmenschentum und Aufopferung. Bärbel Dauber sagt: „Es sind Sachen, die getan werden müssen.“

Für die alleinerziehende Mutter von zwei Teenagertöchtern ist der Job in der Kirchengemeinde auch eine Rückkehr. „Ich habe lange mit der Kirche als Institution gehadert.“ Zu absolut sei ihr der Heilsanspruch gewesen, mit wenig Freiräumen für eine Querdenkerin wie sie. Dauber schloss ihr Theologie-Studium ab, ging danach aber in die Erwachsenbildung. Jetzt sagt sie: „Im Campus kann ich das arbeiten, was meiner Überzeugung entspricht.“ Gerade hat sie auf dem Gelände ein großes Glashaus aufstellen lassen. Eigentlich ist es ein Gewächshaus, das sie zu einer Art gläsernen Kapelle umfunktioniert will. „Es gibt immer wieder Anfragen, dass Kinder getauft werden sollen.“ Ein Altar ist geplant, zugleich soll der 70-Quadratmeter-Raum für Veranstaltungen und als Atelier genutzt werden.

Das passt zu ihrem jüngsten Projekt. Nicht zufällig heißt es „Spuren hinterlassen“. Denn wenn die Campus-Chefin von etwas überzeugt ist, dann, dass Menschen in einem Stadtteil nur heimisch werden, wenn sie ihn auch mitgestalten können. So entstand die Idee für eine große Nachbarschafts-Kunstaktion. „Wir wollen Bahrenfeld ein Gesicht geben“, sagt sie. Malerei, Skulpturen, Graffiti oder Musik-Performances – alles ist erlaubt und soll sichtbar sein. Auf Straßen und Plätzen, an Hauswänden, in Schulen, Jugendzentren und Seniorenheimen. Künstler begleiten die Aktion, geplant sind offene Ateliers und Workshops. 18 Einrichtungen wollen mitmachen. Am 26. Februar geht es auf dem LutherCampus los.

Auch während der Öffnungszeiten des „Café Käthe“ kann dann gemalt werden. Inzwischen ist es an diesem Mittwochnachmittag fast dunkel geworden und auch ruhiger. Die Mädels aus der Bastelgruppe zeigen stolz ihre Werke. Bärbel Thoschlag und Karin Schulz haben schon ihre Mäntel an. „Wir kommen jede Woche“, sagen die Rentnerinnen, die gleich um die Ecke wohnen. An einem Tisch sitzen noch einige Mütter. „Das ist unser Treffpunkt, nachdem wir die Kinder aus der Kita abgeholt haben“, sagt Christina Beu. Die anderen nicken. Bärbel Dauber geht noch mal durch alle Räume. „Ohne sie gäbe es das Zentrum nicht“, sagt Nicole Heinicke. „Sie ist die Seele des Ganzen.“

Informationen unter www.lutherkirche.net und unter Tel: 28 51 52 11. Es werden noch ehrenamtliche Mitarbeiter gesucht.