Klausmartin Kretschmers Vermögen ist derzeit blockiert. Pikant: Der Insolvenzverwalter Nils G. Weiland ist SPD-Landesvize. Er betont aber: „Für Politik ist da kein Platz.“

Hamburg. Der Eigentümer des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora, Klausmartin Kretschmer, kann wegen eines vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen. Bis zur Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Mitte über die mögliche Eröffnung eines Verfahrens benötigt Kretschmer die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Hamburger Anwalts Nils G. Weiland.

Weiland bestätigte am Freitag seine Bestellung gegenüber dem Abendblatt. Der Insolvenzantrag sei von Gläubigerseite am 15.April gestellt worden, er selbst wurde am 7.Mai zum vorläufigen Verwalter bestellt. Grundlage für diese Entscheidung des Gerichts war ein Zwischenbericht Weilands. „Das vorläufige Insolvenzverfahren hat einen offenen Ausgang“, betonte Weiland jedoch.

Der Insolvenzantrag gegen Kretschmer wurde nach Darstellung seines Beraters Gert Baer von einem Finanzamt gestellt. „Wir sind davon sehr überrascht“, sagte Baer. Es gehe um langwierige Steuerstreitigkeiten, die zum Teil auch bereits vor den Finanzgerichten ausgetragen worden seien. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Roten Flora gebe es nicht.

Baer zeigte sich zuversichtlich, mit der Finanzverwaltung eine Einigung herbeiführen zu können. Kretschmer verfüge über werthaltige Grundstücke, die verkauft oder beliehen werden könnten. „Es ist genug Vermögen da, um die Steuerschuld begleichen zu können“, so der Immobilienberater. Zumal es laut Baer nicht um astronomische Summen gehe. Er gehe daher davon aus, dass auch der vorläufige Insolvenzverwalter, der innerhalb von drei Wochen ein Gutachten erstellen muss, zu dieser Erkenntnis gelangen werde. Dann würden die Steuern bezahlt und die Sache wäre „vom Tisch“, so Baer.

Kretschmer hat laut Gerichtspressestelle offiziell vorgetragen, dass kein Insolvenzgrund vorliege. Nachdem allerdings Sicherungsnotwendigkeiten bekannt geworden sind, wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Weiland muss nun in einem Gutachten klären, ob Kretschmer zahlungsunfähig ist. Sollte er zu dem Schluss kommen, dass nicht genug Masse für die Begleichung der Steuerschuld vorhanden ist, würde ein offizielles Insolvenzverfahren eröffnet werden. In dem stünde es dem Insolvenzverwalter dann frei, Teile des Besitzes zu veräußern, um Gläubiger bedienen zu können.

Das wäre dann auch politisch äußerst brisant. Denn Insolvenzverwalter Nils Weiland ist nicht nur SPD-Mitglied, sondern seit einiger Zeit auch stellvertretender Landesvorsitzender der Partei, also einer der Stellvertreter von Landeschef Olaf Scholz. Der ist im Hauptberuf Bürgermeister, und die von ihm regierte Stadt liegt wegen der Roten Flora seit Monaten im Clinch mit Kretschmer.

Weiland sagte dazu: „Die Abwicklung eines solchen Verfahrens richtet sich nur nach den strengen Regeln der Insolvenzordnung und den wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger. Hieran werde ich mich halten. Für Politik ist da kein Platz.“

Für die Bestellung von Insolvenzverwaltern schreibt nach den Worten von Gerichtssprecherin Ruth Hütteroth die Insolvenzordnung in Paragraf 56 vor, dass die Insolvenzverwalter geeignet, geschäftskundig – also mit der Materie vertraut – und von Gläubigern und Schuldnern unabhängig sind. Der letzte Punkt erscheint problematisch. Allerdings betonte die Justizbehörde, dass Insolvenzgerichte bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern völlig unabhängig seien. Weiland wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sein politisches Engagement ein Ehrenamt und kein öffentliches Amt sei. Insofern gebe es auch keine Interessenkollision.

Der SPD-Senat will das seit bald 25 Jahren besetzte Theater zur Wahrung des Friedens in der Stadt von Kretschmer zurückkaufen – was dieser jedoch verweigert. Kretschmer möchte statt eines Verkaufs auf dem Grundstück am Schulterblatt ein fünf- bis sechsgeschossiges kommerzielles Kulturzentrum errichten und hat entsprechende Bauvoranfragen gestellt.

Für die Stadt wiederum stellt dies einen Vertragsbruch dar, da jedwede Veränderung an dem Gebäude vorher von der Stadt abgesegnet werden müsse. Sie hatte ihn Anfang des Jahres aufgefordert, das „vertragsbrüchige Verhalten“ zu beenden, und gleichzeitig angeboten, das Gebäude für 1,1 Millionen Euro zu erwerben.

Da Kretschmer die Frist zur Zustimmung verstreichen ließ, betreibt die Stadt nun den Zwangsrückkauf des Gebäudes – aber nicht für 1,1 Millionen Euro, sondern nur zu dem 2001 von Kretschmer bezahlten Preis in Höhe von umgerechnet 190.000 Euro. So war es im Kaufvertrag vereinbart für den Fall, dass der selbst ernannte „Kulturinvestor“ sich nicht vertragstreu verhält. Die juristisch entscheidende Frage ist nach Ansicht von Experten, ob Kretschmer dieses vertragswidrige Verhalten nachgewiesen werden kann oder ob das Stellen von Bauvoranfragen nicht dazugehört. Tatsache ist andererseits, dass allein diese Anfragen zum Teil gewalttätige Proteste der linken Szene ausgelöst hatten.

Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) bestätigte auf Abendblatt-Anfrage jedenfalls, dass der Senat an seinem Kurs festhalte: „Die Stadt wird ihre Rechte aus dem Kaufvertrag zur Immobilie Schulterblatt 71 weiterhin geltend machen und ihre Interessen auch im Insolvenzverfahren verfolgen.“

Jegliche Vermutung, der Senat habe im Hintergrund Einfluss auf das Insolvenzverfahren genommen, wies Tschentschers Sprecher Daniel Stricker zurück: Der Finanzsenator habe zwar die fachliche Aufsicht über die Finanzämter und lasse sich auch regelmäßig über einzelne Besteuerungsverfahren informieren. „Er nimmt aber grundsätzlich keinen Einfluss auf die steuerlichen Verfahren oder auf die Entscheidungen und das Vorgehen der Finanzämter.“ Daher wollte die Behörde sich auch unter Hinweis auf das Steuergeheimnis nicht zum Fall Kretschmer äußern.