Zoff in Altona: Anwohner haben 2000 Unterschriften gesammelt, Protestaktionen geplant. Ältere Menschen erreichen den Bus nur schlecht. Wirtschaftsbehörde spricht von „provisorischer Verlegung“
Altona-Nord. Auf den ersten Blick ist es nur eine kleine Veränderung: Gut 200 Meter wurde die Bushaltestelle „Gerichtstraße“ an der Max-Brauer-Allee Richtung Bahnhof Altona verlegt. Das war vor einem halben Jahr. Eigentlich müssten sich inzwischen alle daran gewöhnt haben. Aber stattdessen wächst im Gerichtsviertel der Widerstand. Mehr als 2000 Anwohner fordern per Unterschriftenliste den Busstopp vor dem Amtsgericht zurück. Jetzt macht auch die Stadtteilversammlung mobil – und plant Protestaktionen. „Besonders ältere und gehbehinderte Menschen kommen schlechter zum Bus“, sagt Ingrid Albertsen, eine der Vorkämpferinnen des Haltestellen-Aufstands. Denn: Die neue Station liegt viel näher am Bahnhof, dafür sind die Haltestellen „Max-Brauer-Allee (Mitte)“ an der Holstenstraße einen dreiviertel Kilometer entfernt.
Für Peter Maack bedeutet das, dass er jetzt mit dem Taxi zum Arzt fahren muss. „Die Verlegung ist eine Sauerei“, schimpft der 75-Jährige. Er leidet an einer Herzkrankheit, hat Probleme beim Gehen. Statt zehn Minuten braucht er von seiner Wohnung in der Haubachstraße mehr als zwanzig Minuten zum Bus. Er gehe nur noch los, wenn es unabdingbar sei, sagt der Rentner. Auch den Einkauf erledigt seine Frau Waltraut jetzt fast immer allein. Das meiste schleppt sie zu Fuß mit ihrem Rollwagen ran. „Die Haltestelle liegt so ungünstig, dass es sich oft nicht lohnt, in den Bus zu steigen“, klagt sie. So geht es offenbar vielen. Nutzten früher laut Angaben des Senats täglich etwa 2500 Fahrgäste die Haltestelle „Gerichtstraße“ stünden an dem neuen Busstopp nur selten Menschen, sagen die Maacks. „Es kann doch nicht sein, dass das Busbeschleunigungprogramm auf unserem Rücken ausgetragen wird.“
Genau das ist nämlich der Grund für die Verlegung. „Der neue Standort hinter die Kreuzung erleichtert die Bevorzugung des Busses an der Ampel, so dass die Busse schneller vorankommen können“, sagt die Sprecherin der zuständigen Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, Helma Krstanoski. Denn dank des Busbeschleunigungsprogramms hat der Fahrer an der Ampel künftig immer Grün. Das funktioniert aber nur, wenn er vorher nicht anhalten muss. Im Grundsatz gut, immerhin sind diverse hochfrequentierte Linien auf der Strecke unterwegs: die Metrobusse 15, 20 und 25 sowie der Bus 183 und der Nachtbus 600. Allerdings bringt die Verlegung nur eine Zeitersparnis für die Busse zum Altonaer Bahnhof. In der Gegenrichtung liegt die neue Station jetzt vor der Ampel – und führt zu einer Verlangsamung.
Spott über „Schilda in Altona“
Eine Fehlplanung? Kritiker spotten schon über „Schilda in Altona“, denn sie sehen noch weitere Ungereimtheiten. „Die neue Station liegt in einem weitgehend unbewohnten Gebiet“, sagt Kay Schulz. Der Richter am Amtsgericht hat die Unterschriftenaktion initiiert, sich in die Tiefen der „Vorgaben für die Verkehrsbedienung“ begeben und festgestellt, dass der HVV seine Qualitätsanforderungen nicht mehr erfüllt. „Ein gutes Dutzend Straßen mitten in Altona liegt nicht mehr innerhalb des vorgegebenen 300-Meter-Radius um die Haltestellen“, moniert der Jurist die Maßnahme, die bislang schon 30.000 Euro gekostet hat. Damit sei die Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr in der Region qualitativ schlechter als vor 60 Jahren. Auch das Argument der Verkehrsplaner, die neue Haltestelle biete mehr Platz für Fahrgäste, Fußgänger und Radfahrer, hält er für übertrieben. Im Vergleich habe sich die Gehwegfläche von 2,15 Meter auf 2,35 Meter erhöht – gerade mal 20 Zentimeter.
Klagen kommen auch von Einzelhändlern, die massive Umsatzeinbußen verzeichnen, und vom Gymnasium Allee. „Viele Schüler überqueren die befahrene Straße jetzt wild, weil Fußgängerüberwege fehlen“, sagt Schulleiter Ulf Nebe. Rückendeckung für die Gegner gibt es von der Bezirkspolitik, auch Grüne und Linke in der Bürgerschaft fordern die Rückverlegung der Haltestelle.
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Allerdings heißt es aus der Wirtschaftsbehörde: „Es handelt sich zunächst um eine provisorische Verlegung“, sagte Sprecherin Krstanoski, „die im Rahmen umfangreicher Planungen für die Max-Brauer-Allee zwischen Holstenstraße und Bahnhof Altona überprüft werden wird.“ Die Kritiker haben für Mitte Februar eine Veranstaltung angekündigt. „Ziel ist, dass wir unser Haltestellen am Jahrestag 15. Juli 2014 wieder dort haben, wo sie mal waren“, sagt Aktivistin Albertsen.