Das Unternehmen Loveboots, das in Hamburg drei Geschäfte betreibt, wird seit Monaten bekämpft. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Hamburg. Martina Petrovic sieht mitgenommen aus. Ihre grünbraunen Augen sind verweint. "Ich kann einfach nicht mehr", sagt die 26-Jährige, die vor ihrem Schuhladen Loveboots an der Ottenser Hauptstraße steht. Als sie einen Blick auf die eingeschlagenen Schaufenster wirft, die in der Nacht zum Dienstag obendrein mit einem riesigen Graffito beschmiert worden sind, füllen sich ihre Augen wieder mit Tränen. "Ich habe Angst, was als Nächstes kommt", sagt Geschäftsführungsmitglied Petrovic.
Es ist nicht das erste Mal, dass Loveboots - ein kleines Hamburger Jungunternehmen, das auch zwei Geschäfte am Schulterblatt in der Sternschanze und in Wandsbek betreibt - Ziel eines Anschlags wurde. "Seit wir am 3. Dezember 2011 eröffnet haben, gab es fast jeden Tag Ärger", sagt die junge Frau. "Die erste Scheibe wurde bereits am zweiten Tag eingeschlagen." Seitdem fänden die Mitarbeiter regelmäßig Fäkalien auf dem Türgriff und im Eingangsbereich. Oder die Scheiben seien bepinkelt und beschmiert. Im Januar waren sogar alle sechs Schaufenster eingeschlagen worden, sie sind nach wie vor mit Klebeband gesichert.
+++ Anschlagserie auf Schuhladen Loveboots +++
Wer hinter der Anschlagserie inklusive der großflächigen Graffiti-Schmiererei steckt, ist noch unklar. "Es hat dort mehrfach Sachbeschädigungen gegeben", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Der Laden sei ein "Reizobjekt" in dem Szeneviertel, in dem der Unmut gegen die zunehmende Zahl an Ketten und Filialläden wächst. Zivilfahnder hätten einmal mehrere Tatverdächtige festgenommen, die in Verbindung zum vorherigen Mieter stehen, der dort einen Dönerladen und Kiosk betrieben hat. "Das heißt aber nicht, dass diese Personen auch für die anderen Taten verantwortlich sind." Inzwischen liegt der Fall der Hamburger Staatsanwaltschaft vor. "Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung gegen unbekannt", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers.
Dass Randalierer Loveboots erneut attackiert haben, wundert einige Ottensener nicht. "Solche Schickimickiläden für 14-Jährige brauchen wir hier bei uns nicht - davon gibt es schon viel zu viele", sagt eine 50 Jahre alte Anwohnerin, die seit 27 Jahren in dem Stadtteil lebt. Die urige Raucher-Eckkneipe Möller gegenüber dem neuen Schuhgeschäft ist ihr Stammladen. Sie mag die Gaststätte mit der Patina an den Wänden, in der jeder jeden kennt. Loveboots mag sie nicht. "Und mit der Meinung bin ich nicht alleine." Für die älteren Bewohner gebe es immer weniger Einkaufsmöglichkeiten. "Hier herrscht ein Altersrassismus", sagt sie und steckt sich empört eine Zigarette an. "Dabei müsste die Infrastruktur für alle etwas bieten." Aber die meisten Geschäfte richteten sich an junge Leute oder seien sehr teuer. "Wo kriege ich hier denn noch Nähgarn oder günstige Schuhe?" Die alten Kaufhäuser hätten alle schließen müssen. Ebenso wie viele Kneipen. "Stattdessen müssen wir Mercado, Ikea und Läden wie Loveboots ertragen." Parallel stiegen hier die Wohnungsmieten. "Das ist eine traurige Entwicklung." Durch die Verdrängung - neudeutsch Gentrifizierung - werde der Charme des Viertels wie in anderen Stadtteilen auch zerstört. "Der Schuhladen hat den türkischen Ladeninhaber verdrängt und seine Existenz ruiniert."
Alteingesessene Geschäfte sind auch für Sebastian Schürmann eine Bereicherung. "Aber dass gegen ein neues Geschäft Steine geschmissen werden, kann ich nicht nachvollziehen", sagt der Maschinenbaustudent, der im Viertel lebt. "Vandalismus ist nie das richtige Mittel." Diese Meinung teilt auch Katarzyna Gora, die Filialleiterin des Schmuckgeschäfts Six, ein Nachbar von Loveboots. Wer den Schuhladen auf dem Kieker hat, darüber kann sie nur spekulieren. "Vermutlich handelt es sich um Menschen, die keine Veränderungen in ihrem Viertel haben wollen - aber dieses wandelt sich nun einmal." Zum Glück sei ihr Laden bisher von Anschlägen verschont geblieben. "Wir bekommen aber mit, dass sich Kunden über das Schuhgeschäft beschweren - sie vermissen ihren alten Dönerladen."
Bis Herbst vergangenen Jahres war in dem Eckladen in bester Geschäftslage ein türkischer Kiosk und Dönerverkauf. "Die Verträge sind ausgelaufen, und der Vermieter wollte einen neuen Mieter", sagt Martina Petrovic. Rund 40 Interessenten hätten sich beworben, auch Ketten wie Starbucks und der Schuhanbieter Tamaris. "Aber der Vermieter hat sich für unser individuelles Konzept entschieden, obwohl wir nicht so viel Geld zahlen können wie die großen Ketten." Dass Loveboots so viel Gegenwind zu spüren bekommt, hätte sie nicht für möglich gehalten. "Das hätte ich eher in der Schanze erwartet, wo wir aber sehr beliebt sind." Auch in Wandsbek, wo Loveboots vor rund zwei Jahren eröffnete, gibt es keine Probleme.
In Ottensen hingegen hat sie jeden Tag Angst, ob die Angestellten abends heil nach Hause kommen. "Sie werden oft von Anwohnern beschimpft." Sowohl von Punks als auch von älteren Damen. "Ihr gehört hier nicht hin" zähle zu den harmlosen verbalen Attacken. An einem Sonnabend hat Martina Petrovic sogar schon mal einen Sicherheitsdienst engagiert. "Aber das ist natürlich keine Lösung." Die Polizei hat ihr nun nahegelegt, Rollläden anzubringen, die abends und nachts die Scheiben schützen. Sie denkt darüber nach. Rollläden, die den Blick auf die Schuhe versperren, sind ihr lieber, als jeden Morgen böse Überraschungen zu erleben. "Davon hatte ich mehr als genug."