Nienstedten. Das Witthüs serviert nicht nur Fisch, Fleisch und feinsten Kuchen. Es ist auch als Ort für Heiratsanträge sehr bliebt.
Ein schnuckeliges weißes Reetdachhaus im Grünen. Drei gemütliche Gaststuben. Bunte Bilder mit Blumenmotiven an weißen Wänden, Stuck an der Decke, ein grüner Kachelofen. Geblümte Tischdecken, weiße gepolsterte Stühle mit angenehmer Patina, eine Vitrine voll verlockender Kuchen. Ein Ausflugslokal im Umland? Nein, das Witthüs im Hirschpark im Hamburger Westen.
Das Haus liegt in Nienstedten, nur wenige Schritte von der Elbe entfernt. Einst diente das mehr als 200 Jahre alte Gebäude als Kavaliershaus für die Gäste des Reeders und Kaufmanns Johann Cesar Godeffroy, dessen prächtiges Herrenhaus gegenübersteht und heute eine Ballettschule beherbergt.
Balkan Humpert hat das Witthüs seit Oktober 2017 gepachtet
Später wohnte der Dichter, Komponist und Orgelbauer Hans Henny Jahnn bis zu seinem Tode 1959 im Witthüs. Eine Tafel mit Relief am Haus sowie ein Findling im Park erinnern an ihn. Danach ließ sich die Bildhauerin und Autorin Vera Mohr-Möller vom Charme und Geist des Hauses inspirieren. Ihre Sammlung von Witzen der Hamburger Göre „Klein Erna“ ist berühmt. Einen Blick wert ist vor dem Restaurant auch der kleine gepflegte Bauerngarten mit Blumenpracht in den von Buchsbaum eingefassten Beeten.
Seit dem vergangenen Oktober hat Balkan Humpert das Lokal gepachtet. „Das Haus ist mein Schicksal“, sagt der 52-Jährige, der in Reutlingen als Sohn türkischer Eltern geboren wurde. Denn immer wieder hat der Diplom-Sportwissenschaftler nach dem Studium in Tübingen dort gearbeitet. 2002 kam er nach Hamburg, organisierte die Eröffnung des Aspria Fitness- und Wellness-Clubs in Hummelsbüttel, half anschließend im Witthüs aus. Arbeitete wieder im Sport in Österreich und auf den Bahamas, war erneut in Nienstedten beschäftigt, machte einen Abstecher in die HafenCity, um endgültig ins Gebäude im Park zurückzukehren. „Das Haus hat Charme und Ambiente, die Lage ist sehr schön, wir haben tolle Gäste und eine sehr gute Küche“, sagt Humpert,
Inhaber Humpert lernte seine Frau in dem Lokal kennen
Und so wird im Witthüs gern gefeiert, Geburtstag, Hochzeit, Taufe. Vom Bezirksamt in Altona kommt ein Standesbeamter vorbei und nimmt die Trauung vor. In den drei Räumen finden bis zu 90 Gäste Platz, auf der Terrasse vor dem Haus mit Blick ins Grüne noch einmal rund 60. Und weil das Lokal so niedlich-charmant-romantisch ist, gibt es als eine seiner Spezialitäten ein Candle-Light-Dinner. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Heiratsanträge hier schon gemacht wurden“, sagt Balkan Humpert. Seine Frau Heike lernte er übrigens im Haus kennen, als sie mit ihrer Mutter zu Gast war. Mittlerweile ist die Familie um Sohn Henri gewachsen.
Das romantische Menü zu zweit im Raum mit der schön polierten Jugendstil-Verkleidung vor dem Heizkörper besteht aus drei oder vier Gängen. Zum Beispiel gratiniertem Ziegenkäse oder Salat, einer Suppe, dann im Hauptgang Fisch, Fleisch oder vegetarisch und einer süßen Sünde zum Nachtisch. Alles serviert mit der passenden Weinempfehlung an festlich eingedeckten Tischen mit Kerzenschmuck und einer roten Rose in einer weißen herzförmigen Vase. Am Drumherum kann’s dann jedenfalls nicht liegen, wenn an dem Abend oder erst in späteren Jahren etwas schiefgeht ...
20 Mitarbeiter, davon allein fünf Köche, kümmern sich um die Gäste. Auf Laufkundschaft setzt der Betrieb nicht, „zu uns kommen die Gäste, weil sie das Restaurant genau so schätzen, wie es ist“. Wenn zum Beispiel aus der Küche eine perfekt gegarte, zarte Maispoularde geliefert wird. Mangold ist eine überraschende Begleitung, der Edelpilz-Kartoffelstrudel eine feine und gelungene Beilage.
Das Witthüs steht auch für feinste Kaffee- und Teekultur
Die Karte wechselt monatlich und berücksichtigt auch saisonale Angebote. Beliebte Gerichte sind der Vitalsalat, die gemischten Vorspeisen und das Kalbsfilet. Auf der Weinkarte finden sich mehr als 40 Positionen aus Deutschland, Europa und Übersee sowie aus Israel. Die günstigste Flasche kostet 22 Euro, das 0,15-Liter-Glas mit offenem Wein fünf Euro. Sonntags ist der Brunch sehr beliebt.
Aber das Witthüs steht auch für feinste Kaffee- und Teekultur am Nachmittag. Blechkuchen mit Obst, Quiche und Gewürzbrot, Erdbeertorte und Käsekuchen sowie jeden Sonntag eine besondere Torte werden im Haus gebacken. „Industriekuchen gibt es im Witthüs nicht“, sagt der Chef.
Dafür aber die Qualle auf Sand als Spezialität des Hauses. Was soll das sein? Eine gelungene Komposition aus hausgebackenem Nuss- und Napfkuchen, frischem Obst, eingelegten Rumkirschen und einem ordentlichen Schlag Sahne. Vor mehr als 40 Jahren hat die Qualle auf Sand Einzug ins Witthüs gehalten. Einst aus der Not entstanden, um Kuchenreste vom Vortag weiterzuverwenden, ist sie heute der Renner am Nachmittag. Und nix mit Resteverwertung, täglich wird für die Spezialität frisch gebacken. Wer diese üppige Portion genossen hat, kann getrost auf das Abendbrot verzichten oder sollte viele Runden im Park drehen. Aber letztlich sind die Spezialitäten im Grünen zu verlockend. Man wird immer wieder einkehren.
Witthüs Elbchaussee 499a
Vorspeisen ab 9 Euro, Hauptgänge ab 18 Euro, Dessert ab 9 Euro, Vier-Gänge-Menü 39 Euro