Neustadt. In dem Restaurant wird jetzt auch „einfach“ mit Niveau und saisonal gekocht, aber immer noch hanseatisch. Das Haus ist eine Institution.

Der Vater mochte Operetten. Deshalb nannte Bankdirektor Stolz seinen ältesten Sohn Robert. An den Wiener Melodien seines Namensvetters findet der Hamburger nicht so großen Gefallen, wohl aber am Komponieren. Nicht am Klavier, sondern am Herd mit ­Kräutern und Gemüse, Fisch und Fleisch aus der Region. Robert Stolz ist seit Kurzem Küchenchef im Jahreszeiten Grill im Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster.

Das Haus ist eine Institution in der Hansestadt. Bekannte Hamburger Familien sind dort schon seit Jahrzehnten Stammgäste. Und besonders Heiligabend sind die Plätze für das Mittagessen lange im Voraus ausgebucht. Für die norddeutsch-hanseatische Atmosphäre sorgen Restaurantleiter Darius Wieczorek und sein Team, die auch am Tisch tranchieren, filetieren und flambieren. „Jeder Gast soll sich hier wohlfühlen und auch gern wiederkommen“, sagt der 34-Jährige, der seit vier Jahren seine Position innehat. „Kein Tag ist wie der andere, das macht auch die Arbeit im Grill aus.“ Wer etwas auf sich hält, feiert dort Geburtstag, Jubiläum und Hochzeitstag. Und bekommt vom Oberkellner, der in Schlesien zur Welt kam, noch ein besonderes Geschenk: „Wir singen am Tisch.“

Wer den Grill besuchen möchte, geht entweder durch die Wohnhalle des Hotels oder nimmt den eigenen Eingang mit ein paar Treppen vom Neuen Jungfernstieg. 70 Plätze stehen in dem mit Walnuss- und Kirschholz getäfelten Raum zur Verfügung. Wandlampen und Gitter an der Empore sind schönstes Art déco. An den runden und eckigen, elegant eingedeckten Tischen mit Kerzen- und Blumenschmuck sowie silbernen Salzstreuern stehen bequeme Holzstühle mit Armlehnen und gemusterten Kissen. Unter der Decke hängen zwei sehr große Lampen, die beiden Säulen sind in Ocker und Gelb gehalten, das Eichenparkett zeigt stilvolle Patina. Die großen Fenster geben den Blick frei auf die Binnenalster und die Straße. An den runden Tischen dort möchte auch jeder am liebsten sitzen.

Fencheleis
harmoniert
sehr gut mit
Himbeeren und
Vanillecreme
Fencheleis harmoniert sehr gut mit Himbeeren und Vanillecreme © HA | Marcelo Hernandez

Und seit Kurzem sorgt Robert Stolz dafür, dass die Gäste den Restaurantbesuch zufrieden in Erinnerung behalten. „Hier freut sich meine Seele“, sagt der 54-Jährige, der nach seiner Ausbildung zum Koch im jetzigen Radisson Blu Hotel am Dammtor schon Mitte der 80er-Jahre im Vier Jahreszeiten tätig war. Nach Wanderjahren, Küchenmeisterprüfung und vielen Chefkoch-Positionen führte Stolz bis Oktober 2015 zwölf Jahre lang im schleswig-holsteinischen Plön sein eigenes Restaurant, das einen Michelin-Stern trug und 17 Punkte vom GaultMillau bekam.

„Ich habe aus freien Stücken auf dem Höhepunkt in Plön Schluss gemacht“, sagt Stolz, der jetzt rund ein Dutzend Köche unter sich hat. Es habe weder finanzielle noch gesundheitliche Gründe für diesen Schritt gegeben. „Jetzt möchte ich als Angestellter auf hohem Niveau arbeiten und mich als Ur-Hamburger in diesem Traditionshaus auf meinen Markenkern konzentrieren, nämlich gut kochen.“

Natürlich bleibe der Grill der Grill mit Steaks vom amerikanischen Southbend Infrarot-Grill, Chateaubriand, Seezunge, Hummer, Tatar, Labskaus und Wiener Schnitzel sowie dem dreigängigen Mittagsmenü. Aber Stolz will Akzente setzen und auch eine eigene Karte entwickeln. „Ich möchte die tollsten Bratkartoffeln der Stadt anbieten.“ Überhaupt Kartoffeln: Seinen Salat von den Knollen schmeckt er mit Senf Pauli ab, er nimmt besonderen Essig, die Salatgurke bleibt ungeschält. Dem neuen Küchenchef geht es um Geschmack, ihm ist das Einfache und Pure wichtig, er kocht nach Saison. „Zum Gemüse gehören bei mir jetzt unbedingt Kräuter.“

Gerade stehen Tomaten und Pfifferlinge hoch im Kurs, und Robert Stolz hat ein Gericht mit diesen Zutaten aus Plön mit nach Hamburg gebracht. Auf Tomaten-Zwiebel-Lauch liegen die Pilze, dazu kommen gerösteter Buchweizen und ein geräuchertes pochiertes Ei, und die ganze Kreation wird mit Kartoffelschaum überzogen. Norddeutsch raffiniert.

Grüner
Salat mit den
besonderen
Stullen von
Robert Stolz
Grüner Salat mit den besonderen Stullen von Robert Stolz © HA | Marcelo Hernandez

Richtig grün und frisch schmeckt der Salat nach Stolz-Art mit Kräutern, Fenchel, Rucola, Feldsalat und French Dressing. Dazu serviert der Maître de Cuisine seine besonderen Stullen: bei 100 Grad im Ofen getrocknetes Knusperbrot mit Sanddorn-Gelee und Karotten-Ingwer-Salat, mit Frischkäse-Mousse und altem Bergkäse sowie mit Linsencreme, Sonnenblumenkernen und Mumbai-Curry.

Und auch das Dessert zaubert Sommer auf den Teller und verlangt nach einer zweiten Portion, so lecker ist der Nachtisch: Vanillecreme mit Hippen und Fencheleis, gekrönt von Himbeeren, die mit Gelee aus dem deutschen Wermut Belsazar gefüllt sind. Aromatisch, fruchtig, frisch.

Die Weinkarte umfasst mehr als 60 Seiten und bietet Tropfen aus aller Welt. Die günstigste Flasche kostet 30 Euro, es gibt aber auch Gewächse für mehrere Tausend Euro. Offene Weine werden ab 9,50 Euro für 0,2 Liter serviert. Wer es lieber prickelnd mag: Allein mehr als 80 verschiedene Champagner sind im Angebot.

Hanseatisch, norddeutsch, traditionell und mit neuen Akzenten in der Küche: So erwartet der Grill im Hotel Vier Jahreszeiten seine Gäste: jene, die schon seit Jahren kommen, und die, die das Restaurant zum ersten Mal besuchen. Darius Wieczorek und Robert Stolz wollen niemanden enttäuschen. Der Chefkoch allerdings singt nicht. Auch wenn sein Name das nahelegt.

Jahreszeiten Grill Neuer Jungfernstieg 9–14, Tel. 34 94 33 12,

hvj.de/de/jahreszeiten-grill.html

HVV bis Jungfernstieg oder Gänsemarkt, Parken in der Umgebung

Vorspeisen ab 5, Hauptgerichte ab 23 Euro, Dessert ab 2,50 Euro