Bahrenfeld. Immer dienstags stellt das Abendblatt Hamburgs beste und beliebteste Gastronomen vor. Heute das Restaurant Atlas.

Gebeugt steht die Figur an der Stirnseite zwischen den großen Wandspiegeln. Schwer ächzt der Mann unter der Last der Kugel. Es ist der Titan Atlas, der laut griechischer Mythologie zur Strafe von Göttervater Zeus die Aufgabe bekam, das Himmelsgewölbe am westlichsten Punkt der damals bekannten Welt zu stützen. Im Restaurant Atlas in Bahrenfeld zu sitzen ist dagegen keine Strafe. Es wird ein wunderbar leichter und unbeschwerter Aufenthalt.

Wo früher eine Mechaniker-Werkstatt und eine Fischräucherei ihre Räume hatten, befindet sich seit 1997 das Lokal im heutigen Phoenixhof. Rund herum haben sich Büros und Studios von Werbeagenturen etabliert sowie die Produktionsfirma Fernsehmacher, in deren Räumen die ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ entsteht.

Geschäftsführer Karsten Rüdiger übernahm das Atlas vor 13 Jahren. „Das ist mein Baby“, sagt der heute 45-Jährige. Zusammen mit drei anderen Geschäftspartnern ist er verantwortlich für vier weitere Betriebe in Hamburg, unter anderem die Brasserie Atlas in der Burchardstraße als kleine Schwester des Restaurants im Hinterhof-Rotklinkerbau an der Schützenstraße.

Einige Stufen führen hinauf in die Gasträume. Vorne begrüßt die lange Bar mit einer eindrucksvollen Whisky-Sammlung. Hinter einer Glaswand mit einem Stahl-Relief von Paul Bolzmann beginnt das Restaurant. Die Holztische mit eingelegter Steinplatte sind weiß eingedeckt. Stoffservietten, schlichte Gläser und Besteck sowie Teelichter in Gläsern gehören dazu.

„Das Markenzeichen von inhabergeführter Gastronomie“

Das Schnitzel steht im Atlas dauerhaft auf der Karte – ansonsten würde es Ärger mit den Stammkunden geben
Das Schnitzel steht im Atlas dauerhaft auf der Karte – ansonsten würde es Ärger mit den Stammkunden geben © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Rote Lederpolster machen die Holzstühle bequem, an den ockerfarbenen und rot abgesetzten Wänden ziehen sich Sitzbänke entlang. Wandlampen und Kerzen, Stoffbahnen unter der Decke, die rot gestrichenen Trägersäulen und der dunkle Holzfußboden mit reichlich Patina lassen das Lokal elegant und gemütlich zugleich wirken.

Großer Pluspunkt: Die Tische stehen nicht zu eng, man muss nicht zwangsläufig immer den Gesprächen der Nachbarn lauschen. Gut 90 Gäste können hier speisen, in der Bar ist Platz für 25 Besucher. Im Sommer sitzt man außerdem luftig und ruhig auf der großen Terrasse vor dem Haus.

Karsten Rüdiger ist in der Hansestadt sehr Gastronomie-erfahren. Im Airport Hotel lernte er Koch, ging mit Tim Mälzer in die Berufsschule, verdiente sich seine Sporen im Drei-Sterne-Lokal Bareiss bei Claus-Peter Lumpp in Baiersbronn im Schwarzwald und war einige Jahre Küchenchef im damaligen Paquebot im Thalia-Theater. Die persönliche Betreuung der Gäste im Atlas ist ihm wichtig. „Das ist das Markenzeichen von inhabergeführter Gastronomie.“

Rüdiger isst am liebsten Fisch in allen Variationen

Die Petersilienwurzelsuppe mit Salsiccia schmeckt samtig-sämig-cremig
Die Petersilienwurzelsuppe mit Salsiccia schmeckt samtig-sämig-cremig © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Gleichwohl kann Rüdiger sich auf ein eingespieltes Team von mehr als 30 Mitarbeitern in Küche und Service verlassen. Martin Franciskowsky ist ebenfalls Partner und als Küchenchef seit Gründung im Lokal, Sous-Chef Sebastian Pfaff steht dort seit 17 Jahren am Herd. Und sie zaubern sehr Schmackhaftes in Töpfen und Pfannen. Die Petersilienwurzelsuppe mit Salsiccia und Paprika-Öl schmeckt samtig-sämig-cremig, die Wurst sorgt für die pikante Note und bricht die leichte Süße der Suppe.

Das Wiener Schnitzel ist so, wie man es auch in der österreichischen Hauptstadt erwartet: plattiert und groß, umgeben von fluffiger knuspriger Panade, begleitet von frischem Kartoffel-Gurken-Salat, Zitrone und Preiselbeeren. „Neben dem Schnitzel dürfen wir Zander unter der Kartoffelkruste, das Entrecôte und die Quark-Mohn-Ravioli als Dessert nie von der Karte nehmen“, sagt Rüdiger, der selbst am liebsten Fisch in allen Variationen isst und Innereien verschmäht.

Es gibt außerdem Mittagstisch und ein Tagesgericht Plat du jour, eine monatlich wechselnde Abendkarte und ein Drei-Gänge-Menü, Kleinigkeiten an der Bar und eine wirklich gute Pizza. Internationale Gerichte mit regionalen, saisonalen und frischen Produkten sind das Motto. Fleisch kommt meist aus der Demeter-zertifizierten Schlachterei Dreymann, Fisch von Hummer Pedersen, Gemüse vom Fachhändler Marker auf dem Großmarkt.

„Wir setzen auf Qualität und nicht auf Chichi“

Die Weinkarte verzeichnet mehr als 80 Tropfen aus Deutschland, Europa, Südafrika, Australien, Neuseeland und Argentinien. Die Preise beginnen bei 4,40 Euro für ein Glas (0,2 Liter), die günstigste Flasche gibt es für 15 Euro. Die offenen Weine werden auch im 0,1-Liter-Glas serviert, wenn man im Menü zu Fisch und Fleisch verschiedene Trauben probieren möchte.

Viele Atlas-Genießer kommen aus den umliegenden Firmen und Agenturen, die dort gern ihren Mittagstisch oder ein abendliches Geschäftsessen mit internationalen Gästen einnehmen. „Uns besucht man eher gezielt“, sagt der Geschäftsführer und freut sich über die vielen Stammgäste. „Wir setzen auf Qualität und nicht auf Chichi.“ Ein Hotspot für „sehen und gesehen werden“ sei man nicht. „Wir liegen nun mal im Hinterhof.“ Den schätzen aber viele Gesellschaften, die laut Veranstaltungs-Chefin Sarah Elster gern im Atlas Hochzeiten oder Geburtstage feiern.

Und wollen Sie auch so gut Essen zubereiten wie die Profis aus dem Atlas? Dann kann man sich dort zum Kochkursus anmelden. Vier Küchen stehen für Lehrgänge, Firmen-Events und Partys am Herd zur Verfügung. „Nach Absprache besorgen wir die Zutaten und stehen den Leuten zur Seite“, sagt Sous-Chef Sebastian Pfaff. Pasta und vegetarisch, Tapas und Sushi, Fisch und Geheimnisse rund um gelungene Soßen sind nur einige Themen.

Ob im Restaurant oder in der Kochschule, es geht im Atlas immer um Genuss. Ohne Mühe und Schwerstarbeit. Die bleibt dem Titan mit der Kugel überlassen.

Atlas Restaurant & Kochsalon Schützenstr. 9a

www.atlas.at