Hamburg. Tom Sochaczewsky betreibt das Elbwein in Groß Flottbek. Die Corona-Zwangspause bricht ihm finanziell das Genick. Was er nun plant.
Eigentlich hätte Tom Sochaczewsky am 15. März einen Grund zum Feiern. Da wird sein Café Elbwein an der Beselerstraße in Groß Flottbek, ein beliebter Treffpunkt in den Elbvororten, zehn Jahre alt. Doch ob der Gastronom dann überhaupt wieder geöffnet hat, weiß niemand. Wegen Corona dürfen die Lokale in Hamburg seit dem 2. November keine Gäste mehr bewirten – ein Ende ist nicht in Sicht. Das war auch im ersten Lockdown so.
Nun befindet sich der Wirt wieder seit drei Monaten in der Zwangspause und war jetzt zu einem drastischen Schritt gezwungen. Tom Sochaczewsky hält einen Moment inne und sagt dann im Abendblatt-Gespräch: „Ich habe Hartz IV beantragt. Ich hätte nie gedacht, dass ich diese staatliche Hilfe mal in Anspruch nehmen muss. Aber ich habe kaum noch Geld auf dem Konto und keine andere Wahl.“
Umfangreicher Fragebogen des Jobcenters
Den Antrag auf Grundsicherung hat der Selbstständige beim Jobcenter Lübeck gestellt, hier ist sein Erstwohnsitz. „Ich habe jetzt einen umfangreichen Fragebogen bekommen, in dem ich Auskunft über meine Vermögensverhältnisse geben muss“, sagt der Gastronom. Zur Sicherung des Lebensunterhalts würden Sochaczewsky der Regelbedarf von 446 Euro pro Monat zustehen. Außerdem werden die Mietkosten für die Wohnung für die ersten sechs Monate in voller Höhe übernommen sowie Beiträge für Krankenkasse und Pflegeversicherung.
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Zu Beginn der Pandemie im März 2020 wurde der Zugang zur Grundsicherung im Rahmen des Sozialschutzpakets vereinfacht. Menschen, die ihrer Arbeit coronabedingt nicht mehr nachgehen können und somit kein Einkommen haben, können – neben den verschiedenen Corona-Hilfen, Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld – finanzielle Unterstützung vom Jobcenter erhalten.
Für Tom Sochaczewsky zählt jeder Euro
„In dieser schwierigen Situation zählt für mich jeder Euro. Ich weiß auch noch nicht, ob die Miete für meine Wohnung in Hamburg übernommen wird, weil ich ja meinen Erstwohnsitz in Lübeck habe. Aber das wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen alles klären“, sagt Sochaczewsky. Seine acht Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. „Das kann ich nicht in Anspruch nehmen, denn ich bin ja kein Angestellter, sondern entnehme mir Geld vom Gewinn meines Lokals.“
Der 57-Jährige lässt den Blick durch den mit viel Holz eingerichteten Raum schweifen. 60 Plätze hat sein Elbwein, dazu kommt der Garten. „Ich hatte vor Corona ein florierendes Lokal. Etwa 80 Prozent unserer Gäste sind Stammkunden. Wir haben von morgens bis Mitternacht geöffnet. Vormittags kommen die Leute zum Frühstücken oder auf einen Kaffee vorbei. Mittags haben wir Tagesgerichte, und einen besonderen Namen haben wir uns mit unseren Flammkuchen gemacht.“
Laufende Kosten und unbezahlte Rechnungen
Nach dem ersten Lockdown durfte die Gastronomie von Mitte Mai bis zum 2. November – wenn auch mit zahlreichen Auflagen – wieder öffnen. „Das war wie eine Aufholjagd. Das Elbwein war gut besucht, und die Umsätze stimmten. Nach und nach konnten wir offene Rechnungen bezahlen, und es hat wieder richtig Spaß gemacht. Aber dann, als sich die Corona-Lage im Oktober wieder verschärfte, wurden es immer weniger Gäste, seit der Zwangsschließung Anfang November habe ich keine Einnahmen mehr. Die laufenden Kosten bleiben aber, und auf dem Schreibtisch liegen noch unbezahlte Rechnungen. Natürlich muss ich auch die Miete für die Fläche weiterbezahlen“, so Sochaczewsky.
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Es ist nicht so, dass er noch keine staatliche Hilfe erhalten hat. „Für November habe ich inklusive dem Kurzarbeitergeld für meine Mitarbeiter rund 38.000 Euro bekommen, für Dezember einen Abschlag von rund 11.800 Euro, da müssten noch etwa 25.000 Euro kommen, die ich auch dringend brauche.“ Allerdings wisse er nicht, welche Hilfen er für Januar und Februar in Anspruch nehmen könne.
In der Gastroszene ist Sochaczewsky kein Unbekannter
In der Gastroszene ist Tom Sochaczewsky kein Unbekannter. In den 90er Jahren hat er die Hamburger Restaurantkette Mr. Green aufgebaut, die in ihren besten Zeiten sieben Standorte hatte, darunter so exponierte Lagen wie die Bleichenhof-Passage in der Innenstadt und die Rothenbaumchaussee. Der 57-Jährige kennt die Höhen und Tiefen eines Selbstständigen. Ende 2002 musste er für Mr. Green Insolvenz anmelden. „Ich habe damals einige Fehler gemacht, war auch ein wenig abgehoben. Nach der Insolvenz habe ich diverse Jobs in der Gastronomie angenommen.“
Vor zehn Jahren kam dann die Chance, das Lokal in den Elbvororten zu übernehmen. „Mit dem Elbwein habe ich mir einen Traum erfüllt. Es sollte einfach nur ein Ort sein, an dem sich die Gäste in lockerer Atmosphäre treffen können, und das habe ich geschafft. Es ist wie ein Wohnzimmer für die Nachbarschaft geworden.“
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Wie es jetzt weitergeht? „Ich hoffe, dass mein Antrag auf Hartz IV bewilligt wird und ich so zumindest einen Teil der Fixkosten gedeckt habe. Mein großer Wunsch ist natürlich, bald wieder mein eigenes Geld mit dem Elbwein zu verdienen. Aber dafür muss ich wieder öffnen dürfen.“