Rotherbaum. Die Sizilianerin Anna Sgroi hatte andere Pläne, bevor sie an der Gastronomie Geschmack fand – und eine der besten Köchinnen wurde.
Gut, dass sie nicht ihrem erlernten Beruf treu geblieben ist. Dann hätte Hamburg nie ihre Art der italienischen Küche kennengelernt. Anna Sgroi ist eigentlich Friseurin, aber seit mehr als 30 Jahren steht sie in wechselnden Restaurants am Herd. Gerade ist es ein Lokal in Pöseldorf, das den Namen der Chefin trägt.
„Es war nicht geplant, dass ich mein Leben als Köchin verbringe“, sagt Anna Sgroi. 1959 in Alcamo auf Sizilien geboren, wuchs sie in Mailand auf. Dort absolvierte sie eine Ausbildung zur Friseurin, machte ihren Kunden fünf Jahre lang die Haare schön. „Aber ich wusste, wie gutes Essen schmeckt. Kochen war in meiner Familie sehr wichtig.“
Mitte der 80er-Jahre besuchte die damals junge Frau Freunde in Hamburg, half hier in einem kleinen italienischen Bistro aus. „Es gefiel mir im Norden, warum sollte ich zurück nach Italien?“ Anna Sgroi sah ihre Zukunft in der Gastronomie und in der Hansestadt.
Erst Praktikum, dann Michelin-Stern
Ganz auf ihre Intuition wollte sich die Autodidaktin dann aber doch nicht verlassen und machte ein Praktikum in Italien beim Drei-Sterne-Koch Gualtiero Marchesi. 1987 eröffnete sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten das Anna e Sebastiano und erhielt 1990 ihren ersten Michelin-Stern. Auch für das Sgroi an der Langen Reihe gab es die begehrte Auszeichnung und ebenso für ihr jetziges Restaurant, in dessen Räumlichkeiten an der Milchstraße sich früher die Kneipe Alt Pöseldorfer Bierstuben befand.
Wie ein Palazzo wirkt das Lokal mit elegant eingedeckten Tischen, italienischen Stühlen, Kronleuchter, Stuck, pastellfarbenen Wänden, alten Holzdielen und französischen Bodenfliesen. Ein alter Kachelofen, Jugendstilfenster, ein großer Tresen aus Holz vom indischen Apfelbaum und Schwarz-Weiß-Fotos von Konrad Hellberg mit Motiven vom Sizilien der 50er-Jahre sorgen für Akzente. 45 Besucher finden Platz in den beiden Gasträumen sowie auf der Veranda, 30 Plätze gibt es außerdem auf der Terrasse vor dem Haus zum Sehen und Gesehenwerden. Vier Kräfte arbeiten in der Küche, drei im Service.
Keine Butter, keine Sahne, aber Olivenöl
Im aktuellen Michelin-Führer ist das Lokal nicht mehr mit einem Stern prämiert. „Ich koche nicht für die Sterne, sondern für meine Gäste“, sagt Anna Sgroi. Das Wichtigste sei doch, dass es schmecke. „Meine Küche basiert auf der Leidenschaft für das Kochen und der Qualität des Ausgangsprodukts.“ Ziel sei es, das Produkt so in Szene zu setzen, dass sich sein Wesen voll entfalten könne.
Die Wahlhamburgerin kocht gern pur und leicht. Bei ihr gibt es keine Butter oder Sahne, sondern gutes Olivenöl. Keine schweren Saucen, sondern leichte Marinaden. Keine Schäumchen oder überflüssiges Dekor auf dem Teller nur für die Augen. „Ich möchte die Produkte so natürlich wie möglich belassen.“
Eine Spezialität von Sgroi sind selbst gemachte Ravioli. Immer aus sehr dünnem Teig handgerollt und ungewöhnlich gefüllt, zum Beispiel mit Kaninchenfleisch, Austern oder Saubohnen. Oder Risotto, das bekannte Reisgericht aus Mailand, je nach Saison mit Kräutern, Steinpilzen, Blaubeeren, Safran oder, wie zurzeit, mit Belper Knolle, einem Käse aus der Schweiz.
Die Karte ändert sich je nach Saison
Dieses Risotto steht ebenso auf der aktuellen Karte wie das Langustencarpaccio mit Grapefruitfilets und geröstetem Kokos. Der rohe Fisch ist zart umhüllt von einer Marinade aus Zitronenöl und Limettensaft, die Grapefruit sorgt für angenehme Säure und einen Hauch bitteren Geschmack. Die Kokosschnitze sind zuständig für Exotik und vervollkommnen diese ungewöhnliche Aromen-Kombination.
Oder die livornesische Cacciucco, eine Suppe mit Krustentieren, Loup de Mer, Dorade, Rotbarbe, Knurrhahn und Jakobsmuscheln. Der kräftige Fischfond wird am Tisch angegossen. Wer diese Speise isst, hat feinstes Mittelmeer auf dem Teller.
Ihre Produkte aus Italien, Frankreich oder Spanien bezieht Anna Sgroi über die Händler ihres Vertrauens. Die Karte ändert sich je nach Saison, das Menü alle zehn Tage bis zwei Wochen, je nach Marktlage. Ravioli, Risotto und Zicklein aus dem Ofen sind immer im Angebot, „mein Markenkern“, sagt die Köchin. Die mehr als 100 Weine im Angebot kommen aus Italien, Deutschland, Frankreich und Spanien. Die günstigste Flasche kostet 34 Euro, das 0,15-l-Glas im offenen Ausschank acht Euro. Und mehr als 30 Sorten Grappa stehen für den Digestif zur Auswahl.
Die Chefin selbst isst gern asiatisch
Stillstand beim Kochen und in ihrem Lokal gibt es nicht für die Gastronomin. „Ich könnte auch hochwertige Trattoria-Küche anbieten.“ Preiswertere Gerichte mit günstigeren Zutaten, wobei Sgroi bei der Qualität keine Abstriche machen will. Und sie wünscht sich, dass die Terrasse mehr zu einem Treffpunkt im Pöseldorf wird, wo man auch einfach nur mal einen Kaffee trinken kann.
Anna Sgroi isst selbst gern asiatisch und vor allem leichte Speisen, zubereitet aus reinen Produkten und ohne Geschmacksverstärker. „Currywurst mit Pommes ist nichts für mich.“ Sonntags kocht sie gern für Freunde. Was gebraucht wird, holt sie aus der Restaurantküche. „Ich wohne in der Nähe, hier ist mein Kühlschrank.“ Und dann wird der Gaumen gestreichelt mit ungewöhnlichen Aroma-Kombinationen. Appetitlich angerichtet wie in ihrem Lokal. Die Zeiten mit Kamm und Schere sind lange vorbei.
Anna Sgroi Milchstrasse 7