St. Georg. Das Atlantic Restaurant pflegt das Ambiente gediegener Seefahrt. Die legendäre Hummersuppe gibt es seit 1909.

Eine Hamburgensie, gediegen, vornehm und gemütlich, ein weißes Schloss an der Außenalster: Das ist das Hotel Atlantic. Die Fünf-Sterne-Herberge, 1909 als Grandhotel für die Passagiere der Hamburg-Amerika-Linie eröffnet, gehört zur Hansestadt wie Michel und Elbe. Panik-Rocker Udo Lindenberg ist Dauergast, während des G20-Gipfels in knapp zwei Wochen wird die deutsche Delegation mit Angela Merkel im Haus logieren. Wird die Kanzlerin dort auch essen? Restaurantleiter Wilfried Kopf hofft es. Denn der 59-Jährige ist Gastgeber aus Leidenschaft in „seinem“ Lokal.

Seit 22 Jahren ist der Österreicher aus der Steiermark der Service-Chef im Atlantic Restaurant. „Ich betrachte das hier als Bühne und liebe den Kontakt mit den Gästen“, sagt Kopf.

Das Speiselokal im Atlantic ist ein klassisches Hotelrestaurant

Nach Hamburg kam er seiner Frau zuliebe, weil die hier einen guten Arbeitsplatz gefunden hatte. Zuvor war der Mann in seiner Heimat, in Schottland und auf den Bermudas tätig, hat auf Kreuzfahrtschiffen der Royal Viking Line gearbeitet und die Welt gesehen, führte in Berlin im Hotel Palace das mittlerweile geschlossene Gourmet-Restaurant First Floor.

Und als das Angebot aus dem Atlantic eintraf, musste Kopf nicht lange überlegen. „Hamburg hatte mich schon in den 80er-Jahren sehr beeindruckt, als ich mich auf dem Kreuzfahrtschiff bei der Revierfahrt auf der Elbe der Stadt langsam genähert hatte.“ Also fanden der Österreicher und seine Frau, eine Niederländerin, eine neue Heimat in der Hansestadt und kauften ein Haus am Stadtrand, wo drei Kinder für genügend Trubel sorgen.

Ein feines Frühlingsgericht: zarter Kaninchenrücken mit Erbsen und Pfifferlingen
Ein feines Frühlingsgericht: zarter Kaninchenrücken mit Erbsen und Pfifferlingen © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Das Speiselokal im Atlantic ist ein klassisches Hotelrestaurant. 70 Gäste finden hier an stilvoll eingedeckten Tischen mit Stoffdecken und -servietten, poliertem Besteck, glänzenden Gläsern sowie dezentem Kerzen- und Blumenschmuck Platz. Die Holzstühle sind bequem gepolstert, die Tische am Fenster mit Alsterblick besonders beliebt. Marmorboden und dicke Teppiche, edle Holzvertäfelung und üppig bestückte Weinschränke unterstreichen die Gediegenheit. Man hat den Eindruck, auf einem Luxusliner stilvoll zu speisen und dabei den Atlantik zu überqueren.

Kopf weiß um das Problem, dass so ein elegantes Restaurant Kunden vom Besuch abhalten kann. „Man muss bei uns keine Schwellenangst haben. Wir wollen unsere Gäste verwöhnen, sie sollen hier eine schöne Zeit erleben. Jeder ist uns willkommen.“ Sechs feste Kräfte, viele schon lange im Haus, sowie zwei Azubis kümmern sich um den Service.

Wovon Rockstar Rod Stewart so begeistert war ...

Mittags kommen viele Geschäftsleute, die zum Beispiel dienstags das Wiener Schnitzel und donnerstags das Black Angus Roastbeef genießen möchten. „Da muss es schnell gehen und trotzdem sehr gut sein. Die Zeit der langen Menüs am Mittag sind vorbei“, weiß der Restaurantleiter. Abends dann finden Hotelgäste, aber auch Hamburger sowie Besucher, die in anderen Hotels logieren, den Weg. Die Rolling Stones haben sich von Kopf und seinem Team verwöhnen lassen, ebenso Helmut Schmidt, der in der Atlantic Stube mit Erlaubnis der anderen Gäste sogar rauchen durfte.

„Ich weiß bei vielen Stammgästen genau, was sie gerne essen, trinken und wo sie sitzen möchten. Ich könnte ein Buch schreiben über all meine Erlebnisse“, sagt der Chef. Aber aus Diskretion behält er sie für sich. Nur über seine Begegnung mit Rod Stewart berichtet er dann doch. Der britische Musiker kam zweimal, um die Hummersuppe – ein Dauerbrenner im Atlantic seit 1909 – zu genießen. „Er war begeistert und bat um das Rezept. Wir haben es ihm geschickt. Im britischen Fernsehen hat er anschließend unsere Suppe als die beste gelobt, die er jemals gegessen habe, und uns auch noch Freunde als Gäste geschickt.“

Gebratener Kaisergranat mit Rhabarber, Linsen, Limonen-Baiser und kräftiger Krustentier-Essenz
Gebratener Kaisergranat mit Rhabarber, Linsen, Limonen-Baiser und kräftiger Krustentier-Essenz © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Die Suppe mit dem halben Krustentier und Zuckerschoten steht ebenso immer auf der Karte wie die Seezunge, das Rinderfilet oder die am Tisch flambierte Crêpe Suzette. Während der Mittagstisch wöchentlich wechselt, überarbeitet Küchendirektor André Trojanowski das generelle Speisenangebot alle zwei Monate. „Saisonal und regional, beste Produkte, traditionelle Gerichte modern verfeinert“ ist sein Motto.

Der Berliner ist seit zwei Jahren im Atlantic, nachdem er einige Jahre in seiner Heimatstadt in der gehobenen Gastronomie gearbeitet und die Restaurants im Ritz Carlton und Waldorf Astoria mit eröffnet hat. „Jeder Tag ist eine Herausforderung“, sagt der 37-Jährige, der ein zwölfköpfiges Küchenteam leitet. „Junges Publikum für unsere Speisen begeistern, langjährige Stammgäste behalten, Gerichte behutsam modernisieren und einfach gut kochen sind meine Aufgaben.“

So gibt es zarten Kaisergranat mit gegrilltem fruchtigen Rhabarber sowie gelben und schwarzen Linsen. Ein Limonen-Baiser sorgt für Pfiff, und die Krustentier-Essenz – vom Kellner am Tisch angegossen – könnte man auch allein schlürfen, so rund und intensiv schmeckt sie. Kaninchen wird in zwei Gängen serviert mit frischen Erbsen, kleinen Pfifferlingen, Madeira und Trüffel. Ein schönes Frühlingsgericht mit Fleisch auf verschiedene Arten zubereitet auf einem angenehm übersichtlichen und klar strukturierten Teller.

Die Weinkarte umfasst rund 150 Positionen

Geflügel kommt aus Schleswig-Holstein, Fisch über das Frische-Paradies, Gemüse von Albers. „Die ziehen extra aus unseren Samenmischungen Kresse und Kräuter“, sagt Trojanowski. Je nach Saison stehen auch Wild, Gans und Ente aus der Region auf der Karte.

Die Weinkarte umfasst rund 150 Positionen aus Deutschland, Europa und Übersee. Offen kommen 0,1 Liter für sieben Euro ins Glas, die günstigste Flasche steht mit 32 Euro auf der Rechnung.

Tradition verpflichtet. Darin sind sich Kopf und Trojanowski einig. Aber die geschichtliche Bedeutung dürfe der Zukunft nicht im Weg stehen. Deshalb nimmt das Restaurant am Hamburger Schlemmersommer teil, hat die Aktion „Atlantic Taste“ aufgelegt und bietet auch vegetarische Menüs. 108 Jahre haben das Hotel und sein Restaurant schon auf dem Buckel, viele sollen noch folgen – für die Institution an der Außenalster.

Atlantic Restaurant An der Alster 72-79, Tel. 288 88 60

www.atlantic-restaurant.com