Eimsbüttel. Das Restaurant in Eimsbüttel ist dem Guide Michelin bereits positiv aufgefallen. Gekocht wird Regionales nach Marktlage und Saison.
Heimat hat Konjunktur. Wenn die große weite Welt immer unübersichtlicher wird, die Informationen über Krieg, Terror und Krisen im Sekundentakt rollen und viele Menschen verunsichert sind, dann besinnt man sich auf Herkunft, Kindheit, Muttersprache und all das, was vertraut ist. Oft spielt dabei das Essen eine große Rolle: Omas Kartoffelsuppe und der Geruch in ihrer Küche, Mamas Frikadellen und verunglückte Steaks, der göttliche Pflaumenkuchen der Tante. Gutes Essen von zu Hause ist ein Schatz. Kein Wunder, dass sich das Restaurant Heimatjuwel dieser Philosophie verschrieben hat.
„So fein schmeckt lokal“, hat Küchenchef und Inhaber Marcel Görke als Motto gewählt. Der 38-Jährige führt seinen Betrieb seit einem guten Jahr in Eimsbüttel – und er wurde bereits in den Bib Gourmand vom Guide Michelin Deutschland aufgenommen. Die Auszeichnung gibt es für "sorgfältig zubereitete Speisen zu einem besonders guten Preis-Leistungs-Verhältnis".
Der Gedanke, sich selbstständig zu machen und den ganz eigenen Stil zu pflegen, der reifte bei den vielen Stationen, die der Mann aus Demmin in Mecklenburg-Vorpommern nach seiner Ausbildung in Cuxhaven absolviert hat. Bremen und Berlin, das Sauerland, Travemünde und Warnemünde, das Stüffel in Bergstedt sowie zwei lange Phasen im Sterne-Restaurant Seven Seas von Karlheinz Hauser auf dem Süllberg stehen im Lebenslauf.
Filterkaffee statt Espresso, Pfälzer Sekt statt Prosecco
Die 28 Plätze in den zwei Räumen des kleinen gemütlichen Lokals und die acht Stühle vor der Tür sind schnell gefüllt. An den grauen Wänden hängen nur wenige Bilder, aber eine große Planke, auf der aus Korken der Restaurantname zusammengesetzt ist. Die schlichten Holztische – viele kleine und ein ganz großer – sind mit Gläsern, Stoffservietten, Besteck, Blumen und einem Teelichtglas eingedeckt. Auch die Stühle und der schön aufgearbeitete Dielenfußboden sind aus Holz. Im Fenster zur Straße steht ein großer Strauß, am Ende des Raums der Tresen.
"Niemand sagt, was ich tun soll"
„Ich freue mich, jeden Tag in die Küche zu gehen – niemand sagt mir, was ich tun soll“, so Görke. Er koche einfach das, worauf er Lust habe, und wünsche sich, dass die Gäste offen seien für neue Erfahrungen. „Der besondere Reiz für mich besteht darin, mit dem zu kochen, was Saison hat und aus der eigenen Region kommt.“ So gibt es jetzt Spargel, Erdbeeren, Rhabarber und demnächst Pfifferlinge. Obst und Gemüse kommen aus Schleswig-Holstein und dem Alten Land, Käse aus Mecklenburg, Fische von der Müritz.
Seine Saucen kocht der Chef selbst, ebenso werden in der Küche Brot gebacken und Petit Fours hergestellt. Die Speisekarte wird aufgerollt in einem kleinen Holzbehälter gebracht. Das Angebot selbst ist klein und übersichtlich. „Die Marktlage setzt den Ton.“ Deshalb wechseln die Gerichte alle zwei bis drei Wochen. Vergeblich sucht man Espresso oder Prosecco. „Dafür bieten wir Filterkaffee und deutschen Sekt aus der Pfalz an.“ Und es werden auch mal nicht alltägliche Produkte zubereitet, zum Beispiel Kalbszunge.
Oder Hühnerherzen. Die kommen von glücklichen Vögeln aus Hessen und sehen aus wie große Mandeln oder Oliven. Serviert werden sie mit kleinen Pilzen, jungen Erbsen, Popcorn, essbaren Blüten und einer grasgrünen Sauce aus Kopfsalat, Essig und Öl. Ein ungewöhnliches Gericht mit süßen und sauren Noten, bei dem das Fleisch intensiv nach Geflügel schmeckt.
Frühlingsfrisch ist der lauwarme grüne und weiße Spargel mit Giersch – ja, das ärgerliche Kraut aus dem Blumenbeet –, Kartoffelcroûtons, Hornveilchen, fermentierter Walnuss und Liebstöckel-Mayonnaise, die auch wirklich nach Maggi schmeckt. Serviert wird auf handgefertigten Keramiktellern in Weiß, Blau- und Grüntönen, die sehr gut zu Görkes Kreationen passen.
Nächste Woche informiert ein Winzer aus Rheinhessen
Drei Kräfte in der Küche und zwei im Service sowie drei Aushilfen kümmern sich um die Gäste. Viele kommen fußläufig aus der Nachbarschaft. Aber auch in der ganzen Stadt sowie bei Hamburg-Besuchern hat sich herumgesprochen, dass der Weg ins Heimatjuwel lohnt. „Ältere Gäste schätzen es, wenn wir ungewöhnliche Dinge auf der Karte haben, die sie von früher kennen“, sagt Marcel Görke, der selbst gerne Gulasch oder Sushi isst.
Auf der Weinkarte stehen 24 Tropfen aus Deutschland, Österreich, Spanien und Frankreich. Die günstigste Flasche kostet 25 Euro, 0,1 Liter gibt es offen für vier Euro. Apropos Wein: Am 20. Juni ist der Rheinhessen-Winzer Daniel Mattern zu Gast und erzählt zum passenden Essen etwas über die Lagen, Rebsorten und Jahrgänge seiner Weine.
Zu Hause kocht Marcel Görke selten. Das macht seine Freundin, oder das Paar speist bei anderen Gastronomen. Ins Lokal kommt regelmäßig der zwei Jahre jüngere Bruder des Kochs zum Mittagessen. „Manches kennt er nicht, aber er probiert alles“, sagt Görke. Und verputzt das Gericht in der Regel bis zum letzten Krümel. Heimat ist eben da, wo die Welt vertraut ist und gutes Essen an zu Hause erinnert.
Heimatjuwel Stellinger Weg 47