Altona-Altstadt. In dem Restaurant weht nach dem Inhaberwechsel ein frischer Wind. Neue Karte, leichte Küche, moderne Einrichtung
Das Rive bleibt das Rive.“ Unter diesem Motto übernahmen Yvonne und Alexander Tschebull am 1. Februar das Restaurant in Altona am Hafen. Alice von Skepsgardh und ihr Mann Hubertus Henrich hatten damit ihren letzten Betrieb abgegeben und sich aus der Gastronomie zurückgezogen. Neun Monate später ist das Lokal im alten England-Fährterminal immer noch ein Fischrestaurant und beeindruckt immer noch mit dem fantastischen Elbpanorama. Aber es weht ein frischer Wind: modernes Interieur, neue Karte, zeitgemäße leichte Küche.
Dass das Rive frei wurde, kam dem Gastronomen-Paar gerade recht. Seit fast neun Jahren führen die 49-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Mann sehr erfolgreich unter dem Familiennamen einen Betrieb im Levantehaus in der Mönckebergstraße. „Wir haben schon mal daran gedacht, eine neue Herausforderung anzunehmen“, sagt Yvonne Tschebull. Man wusste um das Potenzial des Restaurants, und ihr Mann Alexander hatte schon früher für von Skepsgardh gearbeitet.
Norddeutschland, Küste und Fisch waren den Eheleuten nicht in die Wiege gelegt. Alexander Tschebull stammt aus Kärnten, seine Frau aus Bayern. Auf Sylt bei Jörg Müller lernten sie sich vor 27 Jahren kennen, er arbeitete in der Küche, sie im Restaurantservice. Es folgten Stationen in Dresden, Leipzig und Frankfurt sowie in Hamburg, zum Beispiel im Wattkorn und von 1999 an zehn Jahre lang als Betreiber des Restaurants Allegria in der Winterhuder Komödie. Dann kam der alpine Chic in der Innenstadt und jetzt der Betrieb an der Elbe.
Anfang März wurde die Terrasse zum Wasser hin gebaut, im April war die Küche dran, und im September wurde das Restaurant umfassend renoviert. Ein paar Stufen führen hinauf, die Türen haben Bullaugen. Dahinter öffnet sich ein großer Raum mit grau gestrichenen Säulen und frei liegenden Rohren unter der Decke. 140 Plätze sind zur Verfügung. Die Tische stehen weit genug auseinander, damit vertrauliche Gespräche möglich sind. Auch gibt es Nischen mit lederbezogenen Bänken für kleine Gruppen.
Manche Tische sind elegant weiß eingedeckt, andere haben eine sehr schöne lackierte Platte aus Palisander, die schon Schmuck an sich ist. Die Stühle sind in Grün- und Goldtönen gehalten, auf den Bänken liegen orangefarbene Kissen. Der dunkle Holzfußboden hat Patina. Und der grüne Teppich mit Koi-Karpfen führt in der Mitte wie ein Laufsteg durchs Lokal. Mahagoni rund um die Bar mit einigen Tischen und an manchen Wänden erinnert an eine elegante Offiziersmesse. Überhaupt: Holzleisten unter der Decke sehen aus wie Spanten eines Schiffsrumpfes, eine Galionsfigur hängt in der Ecke, wo die Fensterfronten sich treffen.
Und dann der Blick auf die Elbe, den Hafen gegenüber, die Elbphilharmonie links, Richtung weite Welt rechts. Der Fluss lebt zu jeder Tageszeit, man könnte stundenlang nur gucken. Spiegel an den Wänden im Rive lassen übrigens auch jene Gäste die Elbe sehen, die mit dem Rücken zum Wasser sitzen.
Das Produkt zählt
Einige der 35 Mitarbeiter sind geblieben, andere dazugekommen. So wie im Juni Björn Wächter als stellvertretender Restaurantleiter. Der 36-Jährige hat schon auf dem Süllberg, im Vlet in der Speicherstadt und an der Alster sowie im Tschebull gearbeitet. „Die Chefin hat mich gebeten, mich an diesem neuen Projekt zu beteiligen. Das mache ich sehr gern“, sagt der Mann aus Paderborn.
Küchenchef Felix Dietz hatte schon unter den alten Betreibern am Herd gestanden, seit März ist er zurück. „Fisch ist mein Thema“, sagt der Bayer, der auch schon im Feinschmeckertempel Hangar 7 in Salzburg sowie bei Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler in Bergisch Gladbach tätig war. „Aber jetzt ist es moderner und anders.“
Natürlich gibt es weiterhin Klassiker wie Bouillabaisse, Pannfisch, Kaviar und Austern sowie die Meeresfrüchte-Etagere für zwei Personen mit Hummer und allerlei Krustentieren. Aber jetzt stehen eben auch Poke und Ceviche, Calamaretti vom Grill und Fjordforelle auf der Karte. „Wir machen eine sehr gute und gradlinige Küche“, sagt Yvonne Tschebull. „Das Produkt versteckt sich nicht unter Schäumchen und Chichi.“
Der rosa Thunfisch à la Niçoise ist zart und nur ganz kurz gebraten. Die begleitenden bunten Bohnen, La-Ratte-Kartoffeln, Olivenpaste, frittierte Sardelle und das Wachtelei erinnern hier am Elbufer an einen Nizza-Salat und sonnige Tage in Südfrankreich. Man möchte vom Tomatenjus als Sauce nichts übrig lassen, aber Teller ablecken schickt sich überhaupt nicht. Auch der Nachtisch verlangt eigentlich nach mehr. Ile Flottante, eine Insel aus Vanilleschnee mit Beeren, Krokant und Kardamomcreme, schmeckt leicht und fruchtig, zergeht im Mund und ist leider viel zu schnell aufgegessen.
100 Kilogramm Fisch pro Tag
Rund 100 Kilogramm Fisch verarbeitet die Küche pro Tag. „Mindestens ein Drittel geht allerdings als Abfall weg“, sagt Dietz. Seezunge und Kabeljau sind sehr beliebt, die Lunchkarte wechselt wöchentlich, die Tageskarte etwa alle sechs Wochen. Saisonware wie Kürbis, Pfifferlinge oder Spargel wird berücksichtigt. Und auch Fleischesser werden mit einem saftigen Entrecôte oder knusprigen Wiener Schnitzel satt.Die Weinkarte listet mehr als 50 Positionen aus Deutschland, Europa und Übersee. „Hier wird mehr Weißwein getrunken als im Tschebull“, hat die Chefin schon bemerkt. 0,2 Liter offen gibt es ab 7,30 Euro, die günstigste Flasche kostet 24,20 Euro.
Den Fisch bezieht das Rive von Händlern an der Großen Elbstraße, Gemüse und Fleisch von langjährigen Lieferanten, mit denen die Gastronomen auch in ihrem anderen Betrieb zusammenarbeiten. Die Gästeschar ist sehr gemischt: Geschäftsleute, Touristen aus dem In- und Ausland, Hamburger, die sich selbst ein gutes Essen mit Flussblick gönnen und ihrem Besuch von auswärts die Schönheit der Stadt vorführen möchten. „Wer heute in die Stadt geht, kommt morgen an die Elbe“, sagt Yvonne Tschebull. Und schaut aus ihrem schicken, modernen und gemütlichen Fischrestaurant aufs Wasser. Das Rive bleibt das Rive.
Rive Van-der-Smissen-Straße 1