Hamburg. Das Fischrestaurant in Winterhude hat sich in der Corona-Pandemie neu erfunden. Was die Besucher erwartet.
Die Zeit rast: Zehn Jahre ist es nun schon her, dass Gülay und Gürcan Aksoy ihr seinerzeit legendäres Fischlokal an der Schanze aufgaben, um ins ungleich mondänere Winterhude überzusiedeln. Dort haben sie am pulsierenden Mühlenkamp mit dem Liman (das türkische Wort für „Hafen“) eine höchst bemerkenswerte Stätte der Einkehr für Seafood-affine Mitbürgerinnen und Mitbürger geschaffen.
Dabei hat das Lokal in diesem Dezennnium eine durchaus wechselhafte Entwicklung durchgemacht: Einst gestartet als eine Art gehobene Fischbratküche, dies allerdings auch schon auf Basis erstklassiger Produkte, gab es schon vor Jahren erste Ansätze, mit dem Lokal in die höheren Sphären der Kochkunst vorzustoßen, die allerdings nur zeitweise von Erfolg gekrönt waren.
Das Liman hat sich neu erfunden
Die Zeit der Pandemie hat Patron Aksoy genutzt, um das Liman sozusagen noch einmal neu zu erfinden – das Ergebnis ist nun ein in sich stimmiges Konzept, das geschickt die traditionellen Klassiker aus dem Mittelpreissegment mit ausnehmend kreativen, spannenden und mit beeindruckender Perfektion umgesetzten Gerichten der Fisch-Haute Cuisine paart.
Vater des Erfolges ist der aktuelle Küchenchef Mads Birkholz, der unter seinen vorherigen Arbeitgebern einige veritable Könner wie Alexander Tschebull vom Rive oder Christoph Rüffer vom Vier Jahreszeiten vorweisen kann. Letzterer scheint bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, denn einige der Birkholz-Kreationen gemahnen deutlich an den sympathischen Maestro des Haerlin.
Schon bei den Vorspeisen ragt eine Komposition heraus, die mich schwer beeindruckt hat: Hamachi von der Gelbflossenmakrele, mit toller Fischqualität roh und zufrieden ruhend in einem eleganten, klaren Tomatenfond und beherzt mit Rauchmandel aromatisiert (18 Euro). Umami in Reinkultur.
Auch bei den Hauptgerichten gibt es allerhand zu entdecken
Wer es lieber etwas berechenbar-traditioneller hat, bekommt aber nach wie vor die Gambas à la Liman mit hausgemachter Knoblauchsauce (6 Stück 16 Euro, 8 Stück 20 Euro) oder ein gebeiztes Lachstatar (14 Euro). Auch bei den Hauptgerichten gibt es allerhand zu entdecken, dass die Einkehr im Liman zum großen Vergnügen macht. Zuvörderst zu nennen ist hier der Wilde Steinbutt aus der Nordsee, schulmäßig saftig gebraten mit einem eleganten Grünspargel-Risotto, Venusmuscheln und fluffig-aromenstattem Zitronengras-Krustentierschaum. (35 Euro). Das geht kaum besser.
Aber auch bei den Hauptspeisen wird wieder respektvoll der Traditionalisten gedacht: Sie erfreuen sich wie eh und je an der Tranche vom Norwegischen Premium-Lachs mit Rosmarinkartoffeln, Salat und Aioli (19 Euro) oder einem klassischen gebratenen Kabeljau mit Gurkensalat, Kartoffelstampf und Senfsauce (22 Euro). Gerade solche Gerichte können ja auch viel Freude machen, wenn sie aus besten Zutaten gut zubereitet sind.
Preisgünstiger Mittagstisch
Zum einzigen Fleischgericht auf der Karte, Entrecôte vom US Prime Beef mit Ratatouille und Borlottibohnen(36 Euro), kann ich leider nix sagen, weil ich nie auf die Idee käme, im Liman etwas anderes als Seafood zu essen. Eine schöne und preislich durchaus angemessene Art, die Vielfalt der Küche kennenzulernen ist das Empfehlungsmenü: Es bietet derzeit für 49 Euro als Vorspeise einen Geräucherten Saibling mit Buchweizen, Ricotta und Löwenzahn (einzeln 16 Euro), im Hauptgang ausgezeichneten gebratenen Seeteufel mit Erbse, Pfifferlingen und Austern-Beurre Blanc (einzeln 30 Euro) und zum Ausklang eine fruchtige Kirsch-Pavlova mit Thymian und Kamille (einzeln 10 Euro).
Wer es kulinarisch besonders mediterran liebt, wird seine Freude haben an der feinen gegrillten Rotbarbe mit Artischocke, Mediterraner Polenta und Tomaten-Hollandaise (27 Euro). Überdies gibt es einen recht preisgünstigen Mittagstisch.
Freundlicher Service
Neben dem freundlichen Service und einer stylishen Bar, an der durchaus ansehnliche Cocktails gemixt werden, weiß auch die Weinkarte des Liman zu überzeugen. Natürlich dominieren, dem Fisch geschuldet, weiße Gewächse wie der kristalline, geschliffen-mineralische 2016er Chablis Premier Cru „Beauroy“ von Altmeister Alain Geoffroy (49 Euro) oder ein substanzreicher 2019er Rheingauer Riesling aus dem Hattenheimer Nussbrunnen (36 Euro) vom Rheingauer Shooting-Star Corvers-Kauter.
Nach einer eher unfreiwilligen Renovierung, der Laden stand vor einigen Jahren völlig unter Wasser, präsentiert sich das Restaurant Liman nun in dezent gedeckten Farben und lockt mit eleganten weißen Sesseln und behaglichen Sitznischen. Unterhaltsam ist hier auch das Outdoor-Dining: Draußen vor der Tür auf dem Trottoir sitzend, kann man als Gast das vorbeiflanierende Winterhuder Volk und die vom Jungfernstieg vertriebenen Autoposer mit gleichermaßen laut- wie PS-starken Karossen bewundern.
Kurzum: Hier findet sich ein nettes Stück Hamburger Lebensart, das seit dem Jahr 2011 am Mühlenkamp ein würdiges Zuhause gefunden hat.