Hamburg. Heute speist Genussexperte Gerd Rindchen mal nicht zu Hause. Stattdessen lässt er sich im Restaurant Zeik bewirten.

Maurizio Oster heißt der Patron des Zeik, eines der aktuell spannendsten Restaurants in Hamburg. Aber anders, als der Name vermuten lässt, wirkt hier kein glutäugiger Südländer, der die Herzen der Hanseatinnen betört, sondern ein waschechter, juveniler Hamburger, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, aus fast ausschließlich regionalen Zutaten eine kunstvolle, kreative und weltläufige Küche zu kreieren. Und das gelingt ihm und seiner Crew so gut, dass er damit zumindest die Gaumen der weiblichen, männlichen und diversen Gäste im Sturm erobert.

Sechs-Gänge-Menü: Vier Mal Kohlrabi zum Auftakt

Nach dem Motto „Alles oder nichts“ gibt es für 89 Euro eine häufig wechselnde sechsgängige Speisenfolge, wahlweise auch vegetarisch, die sich an dem orientiert, was im Norden gerade so wächst und gedeiht, à la carte ist nicht. Gemäß dem alten Henri-Nannen-Motto „Mit einem Erdbeben beginnen und dann langsam steigern“ gerät schon der Auftakt des aktuellen Menüs zu einem fulminanten Spiel der Aromen und Texturen – besonders nett, da er unter dem mega-spießigen Namen „Begrüßung von den Feldern in Hollenstedt – vier Mal Kohlrabi“ daherkommt. Ausgerechnet Kohlrabi!

Aber wer sich vom Vierklang aus „Knäckebrot mit Sous Vide gegartem Kohlrabi und Rapssaat“, „Gepickelter Kohlrabitasche mit Eigelbcreme und Liebstöckel“, „Sandwich von Petersilie und Kohlrabikrokant“ und der „Kohlrabi-Knusperrolle mit geräucherter Kohlrabicreme“ hat bezaubern lassen, wird dieses vermeintlich banale Gemüse fürderhin mit den Augen der Liebe betrachten (und ich würde beim nächsten Zeik-Besuch am liebsten einfach nur 50 von den Knusperrollen essen, die sind unglaublich).

Geheimtipp: Das hausgebackene Sauerteig-Bier-Brot

Danach geht’s diesmal weiter mit etwas Spargel, Frischkäse und vorzüglichem, hausgebackenem Sauerteig-Bier-Brot mit frisch aufgeschlagener Thymianbutter, bevor die fünf salzigen Hauptgänge folgen. Langen Sie beim Brot ordentlich zu, es ist eine gute Basis. Die eigentlichen Gänge sind eher übersichtlich, was den Vorteil hat, dass man bis zum Schluss mit Neugier und Elan dabei ist.

Aktuell treten im Zeik an: als Erstes Mairübe mit Sauerklee, die mit geröstetem Buchweizen ungemein nussig-elegant unterfangen wird. Im zweiten Akt die launische Forelle, elegant geräuchert und mit Meerrettich gepaart.

Hauptdarsteller im vierten Gang: Sellerie

Sodann naht mein Namensvetter, das wackere Rind, das durch eine grüne Gremolata (kalte Sauce aus Petersilie, Zitronenabrieb und Knoblauch) und Perlzwiebeln eine schön frische Komponente erhält. Hauptdarsteller im vierten Gang ist Sellerie, der sich mit Bergkäse und Kombucha zu bis dato ungeahnter geschmacklicher Raffinesse aufschwingt – typisch für die Zeik-Küche.

Wer will, kann vor dem Sellerie noch einen aufpreispflichtigen Zwischengang einlegen – und sollte das auch tun. Denn das Huhn in verschiedenen Texturen, unterlegt von einem unfassbar aromatischen confierten Ragout von der Keule, im Mittelbau überraschend mit einem grandiosen Hühnerlebereis, gekrönt von einem sinnensatten Hühnerfettespuma und abgerundet durch knusprige Kartoffelwürfel und Schnittlauchöl, ist eine geschmackliche Offenbarung und Umami pur. Selten mal 15 Euro so sinnvoll angelegt.

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Dessert: Schwarzteeeis mit Milch und Zitrone

Krönender Abschluss der Salzig-Abteilung ist ein qualitativ hervorragendes Reh, wie ich es nur sehr selten, wenn überhaupt, so gut bekommen habe, mit einer dicht gewobenen, eigentlich zum Tellerablecken verleitenden Rhabarberjus und Kerbelwurzel, bevor Patissière Friederike Binder das Zepter übernimmt.

Sie bezaubert derzeit vorweg mit einem kleinen Schwarzteeeis mit Milch und Zitrone, bevor als eigentliches Dessert eine aparte, überraschende, sehr animierend-frische Komposition aus Fenchel, weißer Schokolade und Joghurt die Gaumen erfreut.

Wer dann noch ein paar hausgemachte Pralinés zum süßen Ausklang genießt, hat einen Abend als sorgfältige Inszenierung und in sich stimmiges Gesamtkunstwerk erlebt, der den geforderten Preis absolut rechtfertigt. Dazu trägt auch der freundliche und entspannte Service um Restaurantleiter und Sommelier Tobias Greve bei, der eine hervorragende Weinberatung bietet und die vorher eher dürftige Weinkarte auf ein der Küche adäquates Niveau gehievt hat.

Am Wochenende ist das Zeik oft ausgebucht

Der Name Zeik steht übrigens als Umkehrung von Kiez, hat aber auch noch eine zusätzliche, dem Restauranterfolg im dortigen Sprachraum nur bedingt zuträgliche Bedeutung im Niederländischen.

In Winterhude und um zu hat sich das segensreiche Wirken der ­Oster-Crew auch schon ganz gut herumgesprochen. Wer also in Sonderheit am Wochenende einen Zeik-Besuch anstrebt, sollte dem durch frühzeitige Reservierung Rechnung tragen. Dienstag bis Donnerstag sieht’s besser aus.