Junge Menschen rennen der amerikanischen Trendmarke Hollister die Türen ihres Stores im Elbe-Einkaufszentrum ein. Doch warum nur?
Osdorf. Das Versprechen lockt bereits vor dem Eingang. In Form von Absperrkordeln aus rotem Samt, die den Weg weisen, den Besucherstrom kanalisieren. Wie man es von noblen Nachtklubs kennt, von Filmpremieren und VIP-Events. Sie verheißen Exklusivität. Wer hier rein darf, der gehört dazu. Und es wollen viele hinein, in diese dunkle Holzhütte, aus der Musik dröhnt, mit Fensterläden und Plastikpalmen. In der ein junger durchtrainierter Mann in Flipflops, das Holzfällerhemd oben aufgeknöpft, lässig an der Verandatür lehnt. "Hey, welcome to the pier", begrüßt er, das Lächeln gekonnt einstudiert, die überwiegend weiblichen Gäste.
Wir befinden uns nicht vor einer hippen Beach-Bar am Strand der US-Westküste. Sondern im Elbe-Einkaufszentrum in Osdorf, vor den Türen von Hollister. Anfang Dezember eröffnete die amerikanische Tochtermarke von Abercrombie & Fitch ihren ersten Laden in der Hansestadt, den zweiten deutschlandweit. Seitdem herrscht eine Art Ausnahmezustand, insbesondere sonnabends. Unzählige Jugendliche harren geduldig aus, um sich anschließend durch die schmalen Gänge zu schieben. Umnebelt von Halogenstrahlern und blumigem Parfum. Sie sind auf der Suche nach einem Polohemd, einer Jeans oder einem Rüschentop. Und nach einem Lebensgefühl.
Denn Hollister besticht nicht durch aufregende, experimentelle oder hochwertige Mode. Die Preise sind durchschnittlich, der Stil ebenfalls. Kapuzenpullover, Jogginghosen und Baumwoll-Shirts, eher für den Strand als für den Hamburger Alltag geeignet. Doch das ist Nebensache, kauft man sich mit der Marke - der Legende nach - ein Stück "Leichtigkeit, Abenteuer und Schönheit". So wollte es John M. Hollister, als er 1922 vor der Spießigkeit seines Elternhauses flüchtete und in Kalifornien den Grundstein für die Firma legte. Ein faszinierender Mythos. Eine schöne Geschichte. Schade nur: Sie ist frei erfunden und stammt aus der Feder eines findigen Marketingexperten, als Hollister Ende 2000 in den USA seinen Siegeszug startete. Rund 500 Geschäfte setzen dort inzwischen 1,3 Milliarden Dollar jährlich um. Ohne großflächig auf Plakaten zu werben, ohne Anzeigen in Zeitschriften und im Internet zu schalten. Hollister gibt sich gern öffentlichkeitsscheu. Selbst am Geschäft im Elbe-Einkaufszentrum prangt kein Schriftzug, der verrät, was sich da in dem Surfer-Häuschen verbirgt. Die Zielgruppe weiß es ohnehin.
"Wir vertrauen auf Mund-zu-Mund-Propaganda", sagt Eric May, Leiter "Human Ressources". Offenbar zu Recht. Über soziale Netzwerke wie Facebook streuen die jugendlichen Kunden selbst, wann und wo neue Ableger eröffnen. Hier castet die Firma auch ihre Verkäufer. "Store Models" werden sie im Hollister-Jargon genannt. Vorrangiges Einstellungskriterium: gutes Aussehen. Schließlich ist Image alles. Statt Leitfäden für das korrekte Aufbügeln der Karohemden erhalten sie Handbücher, in denen Outfits und Verhaltensweisen penibel festgelegt sind. Rasieren ist bei den Männern Pflicht, die Frauen müssen auf Make-up verzichten. "Am Anfang lernten wir, richtig zu begrüßen", erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter, der nicht namentlich erwähnt werden möchte. Ein schnödes "Hi" genügt als Grußformel nicht. Es geht um den maximalen Hipness-Faktor. Im Laden herrscht zudem eine strikte Hierarchie: Am Eingang stehen die attraktivsten Mitarbeiter, als eine Art Türsteher. Und als Blickfang.
Einkaufen soll bei Hollister zum Event werden. Mit Models, Surfer-Pop und abgedunkelten Räumen. Eine perfekte Inszenierung, die über die austauschbare Ware leicht hinwegsehen lässt. Wer hier kauft, ist im Trend. Ist cool und unendlich lässig. Exklusivität, erklärt Klaus-Dieter Koch, werde nicht mehr als teuer, sondern als "nur für Insider" verkauft. In seinem Buch "Was Marken unwiderstehlich macht" setzte er sich mit dem Phänomen erfolgreicher Labels wie Hollister auseinander. Die Kunden fühlen sich durch ihr Wissen geadelt, nicht mehr durch die Summe, die sie für die Kleidung ausgeben.
Amanda Blunck (16), Schülerin aus Eppendorf, gehört schon längst dazu. Mit ihrer Freundin ist sie zum dritten Mal im Elbe-Einkaufszentrum, um sich Hollister-Kleidung zu sichern. Die Marke kennen sie aus dem Urlaub in den Staaten, sie shoppten sie bereits online. "Mir gefällt die Mode, aber auch alles andere", sagt Amanda, lächelt dem attraktiven Verkäufer zu. In ihrer Klasse tragen viele Shirts mit der sepiafarbenen Möwe, dem Hollister-Logo.
Bleibt die Frage, wie lange noch. In den USA sind die Umsätze in den vergangenen Jahren geschrumpft, der Markt ist gesättigt. Die Expansion nach Europa soll dem entgegenwirken. Bisher geht das Konzept auf. Allerdings muss Hollister noch beweisen, dass es vom Trend- zum Kultlabel reifen kann. Denn so reizvoll das Versprechen auf ein Lebensgefühl auch ist - Gefühle ändern sich.