An langen Montgolfiade-Tagen erzählen Russen ihre Ballonfahrer-Geschichten
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Warstein. Lang kann er für die Ballonfahrer werden, so ein Schlechtwettertag ohne Starts bei der Warsteiner Montgolfiade. Langweilig wird er nie. Es gibt immer Unterhaltung am Boden. Wie bei der Besatzung der russischen Sonderform von „Wostok 3KA-3“.
Die Dame an Bord heißt Ludmila Samborskaja, ist in der Ukraine geboren, aufgewachsen in Litauen, während der politischen Unruhen in Osteuropa ausgewandert nach Deutschland, seßhaft geworden in Dortmund, und nun so eine Art Hahn im Korb bei den drei Ballonsport-Profis aus Russland.
Das sind die Piloten Nikolay Galkin (40), Stanislav Fodorov (43) und Crew-Mitglied Peter Goncharuk (60). Sie haben dem Nationalhelden Juri Gagarin ein Denkmal am Himmel gesetzt. Mit dem Nachbau seiner Raumkapsel, die 1961 vor den US-Amerikanern ins Weltall abhob. 47 Meter hoch ist der faszinierende Ballon im ausgefahrenen Zustand, 350 Kilogramm schwer seine aufwendige Hülle. Eine von vier spektakulären Neuerscheinungen der WIM.
Zeit zum Ausschlafen genommen
Schade nur, dass die Wostok-Imitation erst ein Mal zu sehen war. Am traumhaften Auftakt-Wochenende. Mutter Natur machte danach nicht nur den Russen einen Strich durch die Rechnung. Das ärgert Stanislav Fodorov zwar. Aber: „Mit Gott kannst du dich nicht verabreden“, scherzt der füllige und vollbärtige Ballon-Profi und gähnt.
Zeit zum Ausschlafen in der Suttroper Ferienwohnung habe er sich deshalb an den fünf startfreien Tagen genommen. Zeit für unendliches Ballöner-Latein blieb so ebenfalls für die Männer aus Moskau. Im Piloten-Treff. Mit Ljudmila Samborskaja als Dolmetscherin an ihrer Seite. Sie hat den Startplatz in Warstein vermittelt und erzählt wie schwierig es für ihre russischen Freunde war, ein Visum für den Aufenthalt im Westen zu bekommen.
Aber jetzt sind die Moskauwiter da. 1600 Kilometer weit weg von daheim. Die Raumkapsel-Kreation ist ihr ganzer Stolz. "Wir wollen den Menschen mit unserem Ballon viel Freude machen", sagt Nikolay Galkin. Vorallem eine Botschaft soll ihre Mission vermitteln: "Aus Russland darf es nicht nur schlechte Nachrichten geben." Geschichten aus dem russischen Ballonfahrer-Leben können die hartgesottenen Typen am laufen Band erzählen.
Bei Fiestas im Süd-Ural und Sibirien am Start
Beeindruckend, wenn’s stimmt, sind die Schilderungen aus den entlegensten Ecken der ehemaligen Sowjetunion. Ballon-Fiesta im Süd-Ural und in Sibirien. Fans, die dort 1000 bis 2000 Kilometer Anreise auf sich nehmen, um den Gagarin-Gedächtnisballon oder andere Sonderformen zu sehen. „Tausend Kilometer Entfernung in Russland sind wie hundert in Deutschland“, schildert Stanislav Fodorow die unglaubliche Mobilitätsmentalität seiner Landsleute. 30 000 bis 40 000 Menschen stünden bei einem Festival auf der Platte.
Große Erwartungshaltung in der Heimat
Mit großer Erwartungshaltung. „Wir dürfen sie nicht enttäuschen“, sagt Fodorow. Jeder Start bei schlechtem Wetter sei ein Risiko. Aber das werde dann trotzdem durchgezogen. Nächstes Jahr wollen sie sogar den größten See in Sibirien überqueren. 20 Events bestreiten die Russen mindestens pro Jahr. Der Druck des Veranstalters für die neun bis zehn Berufsfahrer und unzähligen Amateur-Piloten in Russland sei bei jedem Ballonfest enorm.
Ganz anders und angenehmer die Organisation in Warstein. Frühzeitiges Briefing mit Meteorologen vor Ort und ein SMS-Nachrichtensystem, kostenloses Gas für die Piloten, günstige Verpflegung und keine Startpflicht – das kennen die Russen aus ihrer Heimat nicht. Ideelle Werte spielen da schon eher eine Rolle. Wie der aktuelle Weltrekord für die höchste Flughöhe mit einem Ballon.
Höhenweltrekord für Fodorov mit Ballon
9387 Meter hat Stanislav Fodorov als Routinier geschafft. Und auch die sagenhaften 9000 Meter mit einem Luftschiff. Die hat er im Jahr 2006 hingelegt, damit den Deutschen nach 90 Jahren die Bestmarke abgejagt. Das waren 7800 Meter. Lang, lang ist’s her: Aufgestellt 1916 im Ersten Weltkrieg beim Luftangriff auf England.
Vier Weltmeistertitel als Ballonfahrer kann auch Nikolay Galkin vorweisen. Jetzt ist seine größte Herausforderung der Einsatz im Korb von „Wostok I“. „Kraftarbeit“ sei das. „Der Ballon fährt schwer, geht langsam nach oben, behäbig nach unten und ist bei Wind gar nicht leicht zu steuern“, sagt Galkin. Trotzdem hätte er sein Wunderwerk in Warstein gerne öfter zum Himmel gebracht. Maximal 18 Starts waren in der WIM-Woche vorgesehen, nur vier hat es bislang gegeben.
Wostock-Crew hat Spaß
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Vermutlich ändert sich das zum Endspurt der Montgolfiade. Es dürfte noch mal klappen mit dem bunten Massenschauspiel über dem Sauerland. Dann hat sich auch der weite Weg von 1 600 Kilometer aus Moskau gelohnt. Schon wegen der Erinnerungen, die die Russen mitnehmen werden. Stoff für neue Storys aus dem Ballonfahrer-Repertoire, wenn ihnen irgendwo wieder lange Event-Tage drohen.
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