Hochsauerland. . Sie will den Absprung schaffen. Raus aus dem Rotlicht, hinein in ein neues Leben, in dem nicht ihr Körper ihr Kapital ist, sondern ihre Fantasie. Die Geschichte einer Prostituierten aus dem Hochsauerland, die ihrem Leben mit der Schreibmaschine eine neue Richtung geben will.
Bevor Gaby begann, ihr Geld als Prostituierte zu verdienen, verlief ihr Leben so kurvig wie die Fahrt hinauf in das hochsauerländische 2000-Seelen-Dorf. In einem bürgerlichen Wohnviertel in der Nähe des Bahnhofs liegt das Bordell, in dem die 47-Jährige seit 2001 arbeitet. Nur wer die Hausnummer kennt, findet das Freudenhaus. Neben der Eingangstür hängt eine alte Fußgängerampel. Zeigt sie rot, ist gerade keine der Damen verfügbar. Bei grün öffnet meistens Gaby die Tür.
Die Nummernschilder der Freier vor dem Eingang stammen aus dem Ruhrgebiet oder aus Hessen. Nur ganz selten aus dem Sauerland. „Die Männer wollen ihren Nachbarn eben nicht treffen, dafür nehmen sie weite Wege auf sich“, sagt Gaby. Diskretion sei eines der wichtigsten Pfunde, mit denen „Clubs“ und „Treffs“ heute wuchern müssten.
Raue Kindheit in Essen erlebt
Gaby wurde in Essen geboren, erlebte eine raue Kindheit und wuchs neben einer Schwester und fünf Brüdern auf. Der Vater machte sich früh aus dem Staub. Auf den Hinterhöfen des Stadtteils Borbeck spielten sich viele Dinge ab, die für Kinderaugen nicht bestimmt sind. „Ich habe Vergewaltigungen gesehen und wurde Zeugin eines Mordes. Mir wurde mit einer Gaspistole ins Auge geschossen“ , sagt sie. Häusliche Gewalt und ein Leben unterhalb des Existenzminimums waren ständige Begleiter einer dunklen und verdrängten Kindheit.
Nach der Hauptschule arbeitete sie als Familienpflegerin. Bis zu dem einen Tag, an dem sie diese Zeitungsannonce las. In der Anzeige suchte jemand nach Damen, die bereit wären, unter seiner Leitung Liebesdienste anzubieten. Zwischen dem Suchenden und Gaby entstand nicht nur ein Arbeitsverhältnis, sondern auch eine tiefe Freundschaft - vor allem, weil der vermeintliche Zuhälter keines der klassischen Klischees erfüllt. Der Puff-Vater ist schwul, baut sich nebenbei eine Karriere als Schlagersänger auf und behandelt seine Angestellten mit dem gebührenden Respekt.
Immer gerne viel Sex gehabt
Der Einstieg als Prostituierte fiel Gaby nicht schwer. „Ich habe immer gerne viel Sex gehabt“, sagt sie. In einem Milieu, in dem die Hintermänner die wahren Großverdiener und Frauen meistens nicht mehr als eine Ware sind, schafft sie es zudem, ihr Gesicht zu wahren.
Irgendwann hatten sie und der „Chef“ die Idee, ins Sauerland zu gehen. Die Bordelldichte sei hier niedrig, die Gegend praktisch wie geschaffen für regen Betrieb im horizontalen Gewerbe. 1000. - das ist die ungefähre Anzahl an Männern, mit denen sie seit dem geschlafen hat. Manches Mal war es schön. Manches Mal einfach nur ein Job.
Dortmunds Bordell-Zone
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Drittes Buch der Prostituierten handelt vom Rotlicht-Milieu
Im Hochsauerland fühlt sie sich wohl. In der Abgeschiedenheit. In einem Dörfchen, in dem die Bewohner über den anfangs anstößlichen Damen-Betrieb zwar nicht gerne offen reden, ihn aber akzeptieren. Pläne wieder aus dem Rotlicht herauszutreten, gibt es aber schon lange - genau genommen seit zehn Jahren. So lange schreibt Gaby nämlich schon Bücher.
„Eine alte Freundin riet mir schon vor vielen Jahren, dass ich mich einfach mal hinsetzen solle und meine ganze Geschichte aufschreiben soll“, blickt sie zurück. Sie begann ihre eigene Geschichte in die Tasten zu hauen. Für ihr erstes Werk, „Der Hinkelkasten“, benötigte sie allerdings zehn Jahre Zeit. Sie bot es zur Veröffentlichung an und stieß beim Wagner-Verlag auf offene Ohren. Doch anstatt in den Bestsellerlisten zu landen, verstrickte sie sich in finanzielle Verbindlichkeiten. Der Verlag forderte 6000 Euro Publikationskosten, die die 47-Jährige abstottern musste. Ohne Werbung, ohne Lesung verschwand es in den Verlagsregalen.
Nun ist sie bei einem Hamburger Verlag. Ihr zweites Buch „Chandra und der Spiegel der Sehenden“ - eine Fantasiegeschichte - hat sie bereits zur Veröffentlichung eingereicht. Ein drittes Werk, das bald zuerst als Hörbuch erscheinen soll, ist gerade in Mache. „Es geht um die Tücken der Rotlicht-Branche, um Freier, um Mädchen und um mich. Das Buch wird ein Knaller“, sagt Gaby. Und wenn es erstmal knallt, soll Schluss sein mit der Arbeit im Bordell. Gaby: „Ich habe den Job gerne gemacht, doch ich werde älter. Da ist es nicht mehr leicht im Milieu.“ Ihr größter Wunsch ist es, als Schriftstellerin Geld zu verdienen. Irgendwann.
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