Dortmund. DEW21 hält Manager M. für schuldig am Millionenbetrug beim Billigenergieanbieter Stadtenergie. Doch seine Kündigung war nicht wirksam.

Wenn es nach den Verantwortlichen beim städtischen Dortmunder Energieanbieter DEW21 geht, ist der ehemalige Manager M. schuld am Millionenskandal bei der Billigenergietochter Stadtenergie: M. soll, so der Vorwurf, im großen Stil Abrechnungen manipuliert haben, den Verlust für das Unternehmen beziffern die Anwälte auf mehr als 70 Millionen Euro. M. wurde deswegen Ende Februar 2024 entlassen – doch diese Kündigung war nicht rechtens, das hat nun das Arbeitsgericht Dortmund geurteilt. Stattdessen muss das Unternehmen dem ehemaligen Manager 39.000 Euro zahlen.

Die Kündigung gegen M. sei unwirksam, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Die schweren Vorwürfe gegen ihn habe das Unternehmen nicht ausreichend begründet. Das Gericht stimmte allerdings dem Antrag des Unternehmens zu, das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung aufzulösen, weil durch die „beidseitigen erheblichen Vorwürfe“ das Verhältnis zerrüttet sei.

Manipulierte Abrechnungen

Die Anwälte der DEW21 hatten bei einem ersten Gerichtstermin im Dezember einen ganzen Reigen an Vorwürfen vorgetragen. M. habe Stadtenergie-Mitarbeiter unter Druck gesetzt, einige von ihnen hätten gekündigt. Er habe einen Dienstwagen für Privatfahren genutzt. Und er habe, so der Hauptvorwurf, in den Wirren der Energiekrise im Jahr 2022 Abrechnungen von Kunden manipuliert und die Bilanzen des Unternehmens gefälscht.

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Auf mehreren Hundert Seiten hatten beide Seiten ihre Argumente dargelegt – die Richter am Dortmunder Arbeitsgericht hatten sich aber schon im Dezember skeptisch gezeigt. Das Arbeitsgericht entscheide nicht über die Betrugsvorwürfe, das obliege der Staatsanwaltschaft, hatte das Gericht erklärt. Man halte eine gütliche Einigung für eine gute Lösung. Das hatten beide Seiten abgelehnt. Nach der Erörterung hatten die Richter deutlich gemacht, die Vorwürfe gegen M. nicht für gut begründet zu halten und den Parteien die Möglichkeit gegeben, ihre Argumente nachzuschärfen.

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Arbeitsgericht im Landesbehördenhaus in Dortmund. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Nun hat das Arbeitsgericht am Mittwoch ein Urteil gesprochen: Die DEW21-Tochter Stadtenergie muss M. eine Abfindung in Höhe von 19.000 Euro zahlen. Außerdem steht ihm ein Bonus von 20.000 Euro für das Jahr 2023 zu. Die DEW21 sieht sich dennoch als Gewinnerin, das Gericht habe die Kündigung zwar nicht anerkannt, aber Stadtenergie habe „im wichtigsten Punkt“ gewonnen, erklärte das Unternehmen in einer Stellungnahme. Das Arbeitsverhältnis mit M. sei wie vom Unternehmen beantragt zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgelöst worden – nämlich schon Ende April 2024. Zudem habe das Gericht die Abfindung vergleichsweise gering angesetzt.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs

Unabhängig vom Arbeitsgericht ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund weiter wegen „Betrugs in Drittbereicherungsabsicht“ gegen M. Demnach soll der ehemalige Manager in der Energiekrise ab dem Jahr 2022 mehrfach Preise für Kunden manipuliert haben, um die Geschäftszahlen und damit die Firma zu retten.

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Klar ist: Die Manipulationen an den Daten hat es gegeben. Nachdem der Betrug im vergangenen Frühjahr aufgeflogen war, überprüften Experten im Auftrag der DEW21 alle Verträge des Startups. Ergebnis: Bei mehr als 70.000 Kundinnen und Kunden gab es „Unregelmäßigkeiten“. Fast 25 Millionen Euro musste das Unternehmen an ihre düpierten Kunden zurücküberweisen. Einen weiteren großen Teil der damals fingierten hohen Preise zahlten die Steuerzahler. Da die Gaspreisbremse die Kosten für die Verbraucher deckelte, übernahm der Staat die Mehrkosten. Deswegen muss Stadtenergie auch 20 Millionen Euro an den Staat zurückzahlen.

Unklar ist allerdings weiter, wer für die Manipulationen verantwortlich ist. Die DEW21-Anwälte sehen die Schuld bei M.: Er habe in dem Unternehmen mit gerade einmal 10 Mitarbeitern Kollegen so stark unter Druck gesetzt, dass niemand sich getraut habe, die Vorfälle an die beiden Geschäftsführer zu melden. Diese wiederum hätten von den Unregelmäßigkeiten nichts mitbekommen.

Ex-Manager M. bestreitet die Vorwürfe. Sein Mandant sei verleumdet worden, sagte sein Anwalt im Dezember vor dem Arbeitsgericht. Der bisher erweckte Eindruck, M. sei der alleinige Täter, sei falsch. Es gebe mehrere Schuldige. Der eigentliche „Drahtzieher“ sei ein anderer Mitarbeiter.

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