Essen/Berlin. Chemieindustrie: Tausende Jobs stehen nach Angaben der IGBCE auf der Kippe. Gewerkschaftschef Vassiliadis: „Krise verfestigt sich.“
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) sieht in ihren Branchen durch Sparprogramme sowie Anlagen- und Standortschließungen mehr als 25.000 Arbeitsplätze bedroht. „Die Krise der Industrie verfestigt sich“, berichtete der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis bei der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft. Die Lage in der Industrie bezeichnete er als „hochkritisch“.
Die nun vorgelegte Rechnung zum anstehenden Stellenabbau sei noch zurückhaltend, erklärte Vassiliadis auf Nachfrage. Mit Blick auf die 25.000 aus Sicht der Gewerkschaft bedrohten Jobs sagte er: „Das wächst jeden Tag.“ Betroffen seien nicht nur große Arbeitgeber wie BASF und Evonik, sondern auch kleinere Unternehmen. Unter Berücksichtigung von geplanten Firmenverkäufen seien schätzungsweise noch zusätzlich mehr als 10.000 Beschäftigte von Umbauplänen der Industrie-Unternehmen betroffen.
In den meist energieintensiven Betrieben seien momentan über 200 Restrukturierungs- oder Schließungsvorhaben geplant, erklärte Vassiliadis. Das habe langfristige Folgen für Deutschland als Industriestandort. „Was einmal weg ist, kommt nicht wieder“, sagte der IGBCE-Chef. Zu lange habe die heimische Industrie von der Substanz gelebt – nun stünden viele Standorte am Scheideweg: modernisieren oder abwandern, oft ins Ausland. „Es droht eine Abwärtsspirale“, sagte Vassiliadis mit Blick auf die Betriebe in Deutschland.
Vassiliadis ging auch auf die Entwicklung beim Essener Chemiekonzern Evonik ein, zu dem derzeit rund 32.000 Arbeitsplätze gehören. Ende vergangenen Jahres hatte Evonik-Chef Christian Kullmann einen weitreichenden Konzernumbau angekündigt. Schon einige Monaten zuvor hatte der Evonik-Vorstand erklärt, rund 2000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, davon 1500 in Deutschland.
Tausende Beschäftigte könnten Evonik in Zukunft auch auf anderem Wege verlassen – durch Ausgliederungen oder Verkäufe. So steht das Infrastruktur-Geschäft mit rund 3600 Mitarbeitern in Marl und Wesseling zur Disposition. Hier prüft das Evonik-Management unterschiedliche Optionen, darunter einen Verkauf. 1000 Beschäftigte könnten Evonik durch eine Abgabe des sogenannten C4-Chemie-Geschäfts verlassen. Auch ein Chemie-Standort mit 400 Beschäftigten in Witten steht auf der Verkaufsliste des Evonik-Vorstands. In Summe geht es also um etwa 7000 Stellen des Essener Chemiekonzerns. „Das ist schon ein Vorgang, der anstrengend ist“, sagte Vassiliadis. Die Arbeitnehmerseite achte dabei darauf, dass der Konzern auch weiterhin in Europa und Deutschland investiere.