Essen/Düsseldorf. Der Staat hatte Uniper 2022 gerettet, will nun wieder aussteigen. Als Käufer ist Kretinsky im Spiel, der doch Thyssenkrupp Steel retten soll.
Thyssenkrupp-Stahlaktionär Daniel Kretinsky wird nun auch als möglicher Käufer des Düsseldorfer Energiekonzerns Uniper gehandelt, den der deutsche Staat vor zwei Jahren retten musste. Die Bundesregierung, die Uniper jetzt wieder verkaufen will, habe den tschechischen Milliardär in diesem Zusammenhang angesprochen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Seine Energieholding EPH sei an dem Verkaufsprozess beteiligt. Eine Nachricht, die auch beim Essener Industriekonzern Thyssenkrupp und seiner Stahltochter in Duisburg auf großes Interesse stoßen dürfte.
Krisen, überall Krisen, na und? Der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders aktiv und lotet die Chancen für seine Unternehmen und Industriebeteiligungen aus. So kaufte er 2016 dem Vattenfall-Konzern die ostdeutschen Braunkohlereviere ab, als die Schweden keine Zukunft mehr für die besonders klimaschädliche Energieform sahen. 2019 stieg er beim seinerzeit schwächelnden Handelskonzern Metro ein. Seit einem Jahr wird er auch als Retter der Stahlsparte von Thyssenkrupp (TKS) gehandelt. Kretinsky hat inzwischen 20 Prozent an TKS vom Essener Mutterkonzern übernommen und eine Option auf mindestens 50 Prozent.
Kretinsky - Milliardär mit einem Faible für Krisenkonzerne
Nun ist Kretinsky Reuters zufolge im Rennen um den Energiegroßhändler Uniper, hier gegen seine Gewohnheit aber nicht am Tiefpunkt des Unternehmens, sondern nach dessen Erholung. Der russische Überfall auf die Ukraine hatte 2022 eine heftige Energiekrise in Europa ausgelöst und Uniper ganz besonders getroffen. Denn Deutschlands größter Gashändler bezog den größten Teil seines Gases aus Russland, das den Hahn im Sommer 2022 abdrehte. Um seine Lieferverträge erfüllen zu können, musste der Konzern Gas an den Tagesmärkten extrem teuer zukaufen und verlor viele Milliarden Euro.
Nachdem die Bundesregierung den als systemrelevant eingestuften Energiekonzern fast vollständig übernahm und sich die Gaspreise für viele überraschend schnell wieder normalisierten, stabilisierte sich Uniper rasch und schreibt inzwischen wieder Milliarden-Gewinne. Ein guter Zeitpunkt für den Staat, wieder auszusteigen. Der Bund hält mehr als 99 Prozent an Uniper, dessen Wert aktuell auf rund 18 Milliarden Euro taxiert wird. Diese enorme Summe ließ in Berlin neben einem schrittweisen Ausstieg und einem Börsengang auch den Komplettverkauf als attraktive Option aufkommen. Angesichts der von den Düsseldorfern in Anspruch genommenen Staatshilfen in Höhe von 13,5 Milliarden Euro könnte der Bund am Ende mit einem satten Gewinn wieder aussteigen.
Was würde Kretinsky-Einstieg bei Uniper für Thyssenkrupp bedeuten?
Reuters zufolge hat das nach dem Platzen der Ampel-Regierung kommissarisch vom SPD-Politiker Jörg Kukies geführte Bundesfinanzministerium neben Kretinsky auch den kanadischen Vermögensverwalter Brookfield, den norwegischen Energiekonzern Equinor und den Staatskonzern Taqa aus Abu Dhabi für einen möglichen Uniper-Deal in die engere Auswahl genommen.
In der Essener Thyssenkrupp-Zentrale dürfte ein möglicher weiterer Einstieg Kretinskys in die ihm wohlbekannte deutsche Energiebranche einige Fragen aufwerfen. Allen voran jene, ob der Tscheche wohl noch gewillt ist, seinen Stahlanteil wie geplant von 20 auf 50 Prozent oder mehr aufzustocken. Entsprechende Nachfragen, ob es hier Fortschritte gebe, blieben zuletzt ohne erkenntnisreiche Antworten aus der Konzernführung.
Die Personalie Kretinsky erzeugt bei Thyssenkrupp starke Emotionen
Die Beteiligung des Tschechen ist ein hochemotionales Thema bei Thyssenkrupp. Bereits den Erwerb des Minderheitsanteils musste die Konzernführung im Mai gegen die geschlossene Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat mit der Doppelstimme des Chefaufsehers Siegfried Russwurm durchsetzen. Trotz heftiger Proteste gipfelte dies im Rücktritt des Stahl-Aufsichtsratschefs Sigmar Gabriel und in der Trennung von Stahlchef Bernhard Osburg. Die Gewerkschaft IG Metall und der Betriebsrat hatten sich stets offen für einen Einstieg Kretinskys gezeigt, aber über ihre mangelnde Einbeziehung durch Konzernchef Miguel López geklagt.