Essen. Immer mehr Online-Glücksspiele kommen auf den Markt. Westlotto und andere wollen mehr gegen Suchtgefahren und illegale Anbieter tun.
Erstmals steht ein Deutscher an der Spitze des Lotto-Weltverbands. Vertreter aus 80 Ländern wählten in Paris Westlotto-Chef Andreas Kötter zum Präsidenten der World Lottery Association. Im Interview erklärt er, warum von illegalen Lotto-Anbietern Gefahren ausgehen, warum der spanische Weihnachts-Hype „El Gordo“ in Deutschland gar nicht angeboten werden darf und wie der Lottoverband zu Suchtgefahren steht.
Herr Kötter, Sie sind vor einigen Tagen zum Präsidenten des Lotto-Weltverbands (WLA) gewählt worden. Wie fühlt sich das an?
Andreas Kötter: Ich gehe mit einer gewissen Freude und Neugier daran, aber auch Respekt und dem klaren Wunsch, die WLA als die zentrale Austauschplattform und Instanz für Innovationen und Nachhaltigkeit im Lotteriemarkt weiter zu etablieren. Ziel des Weltverbands ist es, die 159 staatlichen Lottogesellschaften, die bei uns Mitglieder sind, zukunftssicher aufzustellen, den Verbraucherschutz voranzubringen, uns aber auch gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich am Markt zu behaupten. Das ist auch ein Spagat.
Was hat denn Lotto spielen mit Nachhaltigkeit zu tun?
Andreas Kötter: Eine ganze Menge. Neben dem Schutz von Spielerinnen und Spielern geht es darum, einen Teil unserer Einnahmen für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen. Unsere Mitglieder stehen immerhin für jährlich mehr als 90 Milliarden US-Dollar, die in mildtätige Zwecke fließen. Das ist der soziale Nachhaltigkeitsfaktor unserer Mitgliedsunternehmen. Es geht außerdem um Cyber-Sicherheit, aber auch um die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels.
Mit illegalen Anbietern beschäftigen Sie sich schon seit einigen Jahren auch auf internationaler Ebene. Sind Sie dabei vorangekommen?
Andreas Kötter: Im Weltverband mussten wir uns erst einmal auf eine Definition verständigen, was illegal ist. Jetzt haben wir ein gemeinsames Fundament: Glücksspielanbieter sind dann legal, wenn sie im jeweiligen Land zugelassen sind.
Haben Sie ein Beispiel?
Andreas Kötter: In Spanien ist die Weihnachtslotterie El Gordo äußerst beliebt. Sie gehört zur Kultur des Landes. In diesen Wochen werben viele Anbieter für El Gordo auch in Deutschland oder bieten Wetten darauf an. Das ist aber schlichtweg nicht zulässig. Im übrigen hat die staatliche spanische Lottogesellschaft auch gar kein Interesse, dass El Gordo auch in Deutschland stattfindet. Durch die Digitalisierung wird es jedoch immer schwieriger, illegale Aktivitäten zu ermitteln. Als WLA lassen wir deshalb ein auf Basis von Künstlicher Intelligenz basierendes wissenschaftliches System entwickeln, um diesem Problem zu begegnen.
Welche Risiken gehen Verbraucher ein, die bei Illegalen spielen?
Andreas Kötter: Sie haben keinen staatlich verbrieften Anspruch auf die Auszahlung eines Gewinns. Und es ist fraglich, ob sie diesen Gewinn gerichtlich einklagen können. Zudem entgehen dem Staat und gemeinnützigen Einrichtungen Einnahmen. Das ist bei legalen Anbietern ganz anders.
Schlagzeilen in Deutschland hat zuletzt der Anbieter Lottoland gemacht, der erst im März dieses Jahres in die sogenannte Whitelist der legalen Unternehmen aufgenommen wurde. Den Schritt haben die NRW-Landesregierung, aber auch Sie, Herr Kötter, als Chef von Westlotto deutlich kritisiert.
Andreas Kötter: Ja, diese Kritik halte ich aufrecht. Lottoland Deutschland ist bis heute nicht am Markt und nicht in der Lage, einen Spielauftrag anzunehmen. Das finde ich überraschend und trägt zur Verunsicherung der Kunden und Werbetreibenden bei. Es gibt nur Produkte des maltesischen Anbieters Lottoland International. Und der ist illegal. Das macht mir große Sorgen.
Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Glücksspiel bei Menschen größere physische und psychische Schäden anrichten kann als bislang bekannt. Es ist von zerstörten Beziehungen und Suizidgefahr die Rede. Alarmieren Sie diese Erkenntnisse?
Andreas Kötter: Ich kann Ihnen versichern, dass wir Suchtgefahren keineswegs unterschätzen. Deshalb müssen wissenschaftliche Untersuchungen ein deutlich stärkeres Gewicht bekommen als bisher. Der Glücksspiel-Markt bewegt sich in einer Geschwindigkeit, mit der wir Schritt halten müssen. Die Wucht der Digitalisierung ist immens, es gibt immer schneller neue Spiele. Wir können sie nur bewältigen, indem wir Kriterien und Standards anpassen. Die WLA ist da der weltweite Vorreiter!
Da werden Sie ohne internationale Zusammenarbeit nicht auskommen, weil immer mehr Spiele online angeboten werden.
Andreas Kötter: Auch deshalb ist unser Weltverband so wichtig. Zumal Lotterien wie das deutsche „Lotto 6 aus 49“ in Europa das stärkste Marktsegment sind. In USA gehen Rubellose und Jackpots am besten.
Lotto bringt man eher mit älteren Menschen in Verbindung, die samstags ihren Tippschein zur Annahmestelle bringen. Sprechen Sie auch jüngere an?
Andreas Kötter: Das Durchschnittsalter der Westlotto-Spieler liegt knapp unter 50 Jahren, das stimmt. Mit dem Eurojackpot haben wir aber die weltweit erfolgreichste Produkteinführung der letzten zehn Jahre gesehen. Der Eurojackpot spricht auch jüngere Menschen an.
>>> Zur Person
Andreas Kötter ist gelernter Banker und war unter anderem für die landeseigene NRW-Bank tätig. Seit 2016 ist er Geschäftsführer von Westlotto mit Sitz in Münster. Seither ist Kötter auch auf der internationalen Bühne tätig. Er ist Chairman der europäischen Lotterie Eurojackpot und war bis zu seiner Wahl zum Präsidenten Vize der World Lottery Association.