Essen. Modeketten werben oft mit dem Recycling gebrauchter Kleidung, doch Recherchen zeigen, dass Millionen Textilien im Müll oder auf Deponien landen.
- Textilrecycling: Ein grünes Versprechen? Viele Modeunternehmen bewerben Recycling als nachhaltig, doch die Realität ist oft eine andere.
- Der wahre Kreislauf? Wie viel von der gesammelten Kleidung tatsächlich wiederverwendet wird und was wirklich mit den Altkleidern passiert.
- Alles Wichtige über das Recyling von Textilien und den leeren Versprechen der Modebranche lesen Sie in unserem Artikel.
Schätzungen zufolge landen jede Woche etwa 15 Millionen Kleidungsstücke allein aus der EU in Ghana. Dieser endlose Textilstrom bedeckt in afrikanischen Ländern weite Landstriche und zeigt, wie groß die Herausforderung des globalen Textilrecyclings wirklich ist.
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Gebrauchte Kleidung: Ist hochwertiges Recycling wirtschaftlich?
Die Modebranche gehört weltweit zu den besonders ressourcenintensiven Industrien. Laut dem Umweltbundesamt verursacht sie mehr als ein Prozent der globalen CO2-Emissionen und ist für etwa ein Prozent der Wasserentnahme, wie beispielsweise aus Grundwasservorkommen, verantwortlich. Außerdem verbraucht sie rund fünf Prozent aller weltweit eingesetzten Chemikalien.
Nur ein kleiner Teil der produzierten Textilien wird jedoch tatsächlich in Kreisläufen geführt. Viele Kleidungsstücke haben einen kurzen Lebenszyklus und landen ungenutzt im Kleiderschrank oder direkt auf Mülldeponien. Selbst Textilien, die in städtischen Sammelcontainern entsorgt werden, werden nur zu einem geringen Teil in Deutschland recycelt – hauptsächlich die hochwertigen Materialien.
Nur ein kleiner Prozentsatz, etwa ein bis zwei Prozent landen auf dem Second-Hand-Markt. Dies ist laut einer Studie des Öko-Instituts im Auftrag des Naturschutzbundes (NABU) die wirtschaftlich sinnvollste Lösung.
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Textilien: Afrikanische Länder versinken in unserer Kleidung
Rund die Hälfte der gesammelten Alttextilien wird ins Ausland exportiert, wo ein Teil von lokalen Händlern verkauft wird. Allerdings sind laut Greenpeace-Recherchen etwa 30 bis 40 Prozent dieser Kleidung unverkäuflich. Der Grund dafür liegt in der zunehmend minderwertigen Qualität neuer Textilien, die oft aus Plastik bestehen. Diese minderwertigen Textilien landen schließlich auf illegalen Mülldeponien und stellen eine enorme Belastung für die Umwelt dar.
Neben ökologischen Problemen bedeutet das auch wirtschaftliche Schwierigkeiten für Händler vor Ort, die keinen Verdienst mehr aus dieser Kleidung erzielen können. Diese Praxis verstärkt globale Ungleichheiten und wird als „Abfallkolonialismus“ bezeichnet.
Die Auswirkungen sind fatal: „Ganze Landstriche verschwinden unter illegalen Mülldeponien“, heißt es weiter im Greenpeace-Bericht. Textilien, die nicht mehr verkauft werden können, landen auf Mülldeponien, wo sie unter freiem Himmel verbrannt werden.
Die dabei entstehenden Giftstoffe stellen eine enorme Gefahr für die Umwelt dar, da sich niemand um deren Entsorgung kümmert. Ein Teil der Textilien gelangt außerdem direkt in Flüsse, wodurch schädliche Chemikalien und Färbemittel in das Meer gelangen. Diese unkontrollierte Entsorgung verstärkt nicht nur die Umweltbelastungen, sondern verschärft auch die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten weltweit.
„Im Jahr 2019 importierte Kenia 185.000 Tonnen Altkleider, demnach wären davon 55.500 bis 74.000 Tonnen tatsächlich Textilabfälle.“
Umweltschutz: Automatische Sortierung ist der Schlüssel
Dabei ließe sich das vermeiden. „Es gibt großes Potenzial für ein hochwertigeres Recycling, damit aus Alttextilien wieder Textilien entstehen können“, erklärt Anna Hanisch, Expertin für Kreislaufwirtschaft beim NABU. Das Schlüsselziel sei, das Faser-zu-Faser-Recycling auszubauen, um alte Kleidung so aufzubereiten, dass ihre Fasern erneut in der Textilproduktion genutzt werden können. Auf diese Weise könnte ein echter Kreislauf entstehen, der die Textilindustrie nachhaltiger und ressourcenschonender macht.
Laut Hanisch ist eine automatisierte Sortierung der Altkleider eine notwendige Voraussetzung für effektives Recycling. Aktuell erfolgt die Sortierung von gebrauchten Textilien noch manuell, wobei geschultes Personal die Kleidung in Kategorien wie Art, Farbe, Größe, Material und Trend ordnet. Dies stellt eine Herausforderung dar, da es zeitaufwendig und fehleranfällig ist. Eine automatisierte Sortierung könnte jedoch den Recyclingprozess erheblich verbessern und den Weg für hochwertiges Faser-zu-Faser-Recycling ebnen.
Hanisch erklärt: „Eine technische Lösung macht das Recycling erst wirtschaftlich.“ Die automatische Sortierung befindet sich allerdings noch in der Anfangsphase: EU-weit wird aktuell weniger als ein Prozent der Altkleidung automatisch sortiert. Lesen Sie dazu: Greenwashing: Wie Sie irreführende Werbung sofort erkennen
Oft wird das sogenannte mechanische Recycling eingesetzt, bei dem die Textilfasern zum Beispiel durch Reißen verkürzt werden. Dies führt dazu, dass die Fasern für neue Textilien selten wiederverwendet werden können. Stattdessen finden sie oft nur noch in minderwertigen Produkten wie Putzlappen oder Dämmmaterial Verwendung. Dieser Prozess wird als „Down-Cycling“ bezeichnet, da das recycelte Material eine geringere Qualität aufweist als das ursprüngliche Produkt.
Modeunternehmen und ihr Recycling-Hype: Wahrheit oder Greenwashing?
Vor dem Hintergrund wirken Aussagen wie „Alle Textilien sind willkommen – von allen Marken, in jedem Zustand“, wie sie von Modegigant H&M gemacht werden, zunehmend fragwürdig. Unter dem Slogan „Let’s close the loop“ ermutigt das Unternehmen Kunden, ihre alte Kleidung in H&M-Filialen abzugeben – als Gegenleistung gibt es Gutscheine, mit denen neue Produkte gekauft werden können.
Laut H&M sollen die abgegebenen Kleidungsstücke, die noch tragbar sind, als Secondhand-Ware verkauft oder zu anderen Produkten wie Putzlappen verarbeitet werden. Ein Teil der Textilien wird auch geschreddert. Doch wie wenig dies mit echter Kreislaufwirtschaft zu tun hat, zeigt eine Studie des Öko-Instituts.
Eine Recherche der Stiftung Changing Markets offenbart, dass die tatsächliche Handhabung der gesammelten Kleidung weit von den Marketingversprechen der Modeunternehmen entfernt ist. Für die Recherche versah die Stiftung gut erhaltene Kleidungsstücke mit Trackern, die in verschiedenen Modegeschäften abgegeben wurden. Das Ergebnis war alarmierend: Ein Großteil der Textilien wurde entweder zerstört, nach Afrika exportiert oder blieb einfach in den Sammelstellen liegen. Nur ein einziges Stück wurde tatsächlich im Land, in dem es abgegeben wurde, weiterverkauft.
„Dass Artikel wiederverwendet oder recycelt werden, sind oft nur leere Versprechen“
Textilrecycling: NABU sieht Hersteller und EU in der Pflicht
Wie aber lassen sich zukünftig so viele Textilien wie möglich in die Kreislaufwirtschaft integrieren? Eine vielversprechende Methode ist die Depolymerisierung – ein chemisches Recyclingverfahren. Dabei werden die chemischen Verbindungen von Textilfasern aufgespalten, sodass die einzelnen Bestandteile wiederverwendet werden können.
Trotz seines Potenzials für hochwertiges Recycling hat die Depolymerisierung einen höheren Energie- und Chemikalienbedarf als andere Methoden, was es für Produzenten unattraktiv macht. Der NABU fordert von der EU, Hersteller stärker in die Verantwortung zu nehmen. „Es braucht Anreize, Recyclingrohstoffe aus Alttextilien auch wieder einzusetzen. Freiwillig passiert das bisher kaum“, so Hanisch.
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Es brauche aber noch weitere Ansätze: Neben dem Recycling sollte eine lange Nutzung der Textilien Priorität sein. „Kreislaufwirtschaft fängt beim Design an: Damit Textilien recycelt werden können, sollten sie zum Beispiel möglichst wenige unterschiedliche Materialien enthalten. Der Fokus muss dabei auf Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit liegen.“
Mit der „Strategie für nachhaltige Textilien“ hat die EU bereits Ziele für eine nachhaltigere Textilindustrie formuliert. Bis 2030 soll die gesamte Wertschöpfungskette – von der Gestaltung und Herstellung über die Nutzung bis hin zur Entsorgung – grundlegend umstrukturiert werden. Geplant ist, dass Textilien künftig schadstofffrei, langlebig und recyclebar sind, und dass Hersteller für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich gemacht werden. Allerdings handelt es sich derzeit noch um eine vage Idee, da konkrete Maßnahmen und Umsetzungspläne bislang fehlen.
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