Bochum. Wohnungsriese will Geräte einbauen, die viele Daten erfassen, und Mieten erhöhen. Sorge um Datenmissbrauch durch Kriminelle. So reagiert Vonovia.
„Der Spion an meiner Decke“ titelt die angesehene „Zeit“ einen Kommentar über neue Rauchmelder des Bochumer Wohnungsriesen Vonovia. Es sind smarte Geräte, die nicht nur Rauch erkennen und dann laut piepen, sondern auch Kohlenmonoxid, Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit messen. Ein Einfallstor für Kriminelle, die anhand der Daten erkennen könnten, wenn sich niemand in der Wohnung aufhält, warnt die „Zeit“. Ein „Eingriff in die Privatsphäre“, der verboten gehöre, wettert Hans-Jochem Witzke, Chef des Mieterbunds NRW, im Gespräch mit unserer Redaktion. Vonovia weist alle Vorwürfe zurück.
Deutschlands größter Wohnungskonzern wirbt in einer Online-Präsentation für seine neuen Rauchmelder mit dem Namen „Multisensor plus“. Sie sorgten für mehr Sicherheit, ein besseres Raumklima und geringeren Energieverbrauch in den Wohnungen. So würden sehr hohe Temperaturen erkannt und Brände im Zweifel schon gemeldet, bevor sie ausbrechen. Die Messung der Luftfeuchtigkeit könne Schimmelbildung vorbeugen, indem die Geräte über eine App der Mieterin oder dem Mieter anzeigen können, wann es Zeit zum Lüften ist. Nebenbei werden wie bei herkömmlichen Geräten Rauchbildung und überhöhte Kohlenmonoxidkonzentration von dem Gerät erkannt.
Ob die smarten Rauchmelder auch in NRW eingebaut werden, lässt Vonovia offen
Einbauen will Deutschlands größter Vermieter sie zunächst in einem Teil seiner 60.000 Wohnungen in Hessen und Baden-Württemberg. Man wolle die Ergebnisse dann prüfen. Ob das Projekt auf NRW ausgerollt werden solle, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, erklärte Vonovia-Sprecher Olaf Frei im Gespräch mit unserer Redaktion.
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Ginge es nach dem Mieterbund NRW, sollte der „Multisensor Plus“ weder in NRW noch anderswo installiert werden. „Ich würde mich unwohl fühlen mit so einem Gerät zu Hause, ich würde mich kontrolliert fühlen“, sagt Vorstand Witzke. Dass die Daten an externe Server übermittelt und gespeichert werden, sei „ein Eingriff in die Privatsphäre und ein Verstoß gegen den grundgesetzlichen Schutz der eigenen Wohnung“.
Der Deutsche Mieterbund sei „hochgradig alarmiert“ und könne vor dem Einbau der Geräte nur warnen, so Witzke. Als Motiv wittert er Geschäftemacherei: „Vonovia sucht nur nach neuen Möglichkeiten, neue Kosten den Mieterinnen und Mietern aufdrücken zu können. Alles andere sind vorgeschobene Gründe.“
Vonovia will die Mieten nach Einbau der intelligenten Rauchmelder erhöhen
In der Tat sind es die mit dem Einbau der smarten Rauchmelder angekündigten Mieterhöhungen um mal vier, mal sechs Euro im Monat, die laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau etwa in der Mainmetropole und in Kassel auf Widerstand stoßen. Von Erhöhungen „im niedrigen einstelligen Bereich“ spricht Vonovia. Es handele sich um eine Modernisierung für mehr Sicherheit, was eine Mieterhöhung rechtfertige, begründet das Unternehmen.
Bundesweite Schlagzeilen macht der „Multisensor Plus“ des Herstellers Techem aber vor allem wegen der Daten, die erfasst, gespeichert und ausgewertet werden. Immer wieder weisen Datenschützer und Cyber-Sicherheitsexperten darauf hin, wie viele Daten in der eigenen Wohnung gesammelt werden, wenn sie zum Smart Home wird. Vom intelligenten Lautsprecher über Kühlschrank und Staubsauger bis hin zu Fernseher werden die Gewohnheiten der Menschen erfasst und ausgewertet.
Mieter müssen widersprechen, wenn die Daten in der Wohnung bleiben sollen
Vonovia versichert, dass dies bei seinen neuen Rauchmeldern nur mit Einwilligung der Mieterinnen und Mieter geschehe. Wer das nicht nutzen wolle, könne widersprechen. Die Daten würden dann nicht in die Techem-Cloud hochgeladen, sondern nur in den Geräten in der Wohnung selbst gespeichert und nach 48 Stunden überschrieben.
Dafür müssen die Mieterinnen und Mieter allerdings selbst aktiv werden und die Zusatzfunktionen ausschalten. Wer das nicht tut, willigt freilich indirekt ein, dass seine Daten nach Vonovia-Angaben „nur über einen Zeitraum von drei Jahren personenbeziehbar gespeichert“ werden. Erst danach werden sie anonymisiert.
Zeit: Daten über Raumklima lassen Rückschlüsse auf Personen in der Wohnung zu
Bei der Übertragung sieht das Zeit-Ressort für Cybersicherheit die Gefahr, dass Kriminelle oder Geheimdienste die Daten abgreifen könnten. Anhand der stündlich erfassten Daten könne man etwa erkennen, ob und wie viele Personen sich in einer Wohnung aufhalten. Selbst wenn die Daten, wie Vonovia betont, nur auf Servern innerhalb der EU gespeichert würden, seien sie nicht sicher vor dem Zugriff etwa der amerikanischen Geheimdienste. Denn sie gehörten dem Techriesen Microsoft - und US-Unternehmen könnten gezwungen sein, bestimmte Daten auch von Servern in Europa ihren Geheimdiensten preiszugeben.
Vonovia weist den Bericht der „Zeit“ zurück und nennt die Darstellung „in weiten Teilen komplett unwahr und spekulativ“.
Während Außenstehende den Grad der Datensicherheit kaum bis gar nicht beurteilen können, sieht Mieterschützer Witzke ganz lebensnahe Fallstricke: Er befürchtet, Vonovia könne die Daten auch gegen seine Mieterinnen und Mieter verwenden, etwa wenn es darum geht, wer für Schimmelbildung verantwortlich ist. „Die wissen dann ja, wie oft ich gelüftet habe“, sagt er - und fordert, dem müsse der Staat einen Riegel vorschieben.
Vonovia versichert: „Wir überwachen niemanden“
„Wir überwachen niemanden“, erwidert Vonovia-Sprecher Frei und betont, die Daten würden nur anonymisiert genutzt und seien vor dem Zugriff Dritter geschützt. Stattdessen hätten die Mieterinnen und Mieter mit den neuen Funktionen die Chance, Energie und damit Geld zu sparen. Der Bochumer Dax-Konzern versichert, sich an alle Datenschutzrichtlinien zu halten, sowohl Vonovia als auch der Hersteller Techem stünden „im engen Austausch mit den Datenschutzbehörden“.