Berlin. Der knallharte Gewerkschafter gibt sein Amt ab. Für die Eisenbahner erstritt er viel – aber Weselsky hatte auch eine ganz andere Seite.

Um markige Worte war Claus Weselsky nie verlegen. Mal schalt der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) den Bahnvorstand als „Nieten in Nadelstreifen“, mal als „Lügner“, mal als Vollpfosten. Das geschah meist im Rahmen der vielen harten Tarifrunden, die der 65-jährige Dresdner mit den Arbeitgebern ausfocht. In dieser Woche ist Schluss damit, zumindest in seiner Funktion als Verhandlungsführer der Spartengewerkschaft. Weselsky geht in den Ruhestand. Als stellvertretender Bundesvorsitzender des Beamtenbunds bleibt er aber noch im Amt.

Kein anderer Gewerkschaftsführer hat es zu einem höheren Bekanntheitsgrad geschafft. Keiner ist so streitlustig wie der gelernte Schlosser und spätere Lokführer. Dass sein Name zumindest allen Bahnkunden geläufig sein dürfte, hängt vor allem mit den vielen Streiks zusammen, der er ausrief. Die Arbeitskämpfe haben ihn zeitweilig auch harte Kritik eingebracht, er wurde sogar als „Einheizer von Sachsen“ bezeichnet. Immer wieder wurden dann auch Forderungen laut, das Streikrecht in Betrieben der Daseinsvorsorge einzuschränken. So weit ist es nicht gekommen.

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    Mit den Ausständen hat Weselsky am Ende viel erreicht. 2014 etwa setzte die GDL nach langem Streik eine Ausweitung ihrer Tarifabschlüsse auf das gesamte Zugpersonal durch. In diesem Jahr vereinbarte Weselsky nach mehreren Wellenstreiks der Einstieg in eine 35-Stunden Woche für Schichtarbeiter. Dazu gab es noch eine satte Lohnerhöhung. Für einen gemeinsamen Auftritt mit dem Personalvorstand der Deutschen Bahn reichte es da schon nicht mehr. Zu viele Beschimpfungen der Gegenseite haben dort Spuren hinterlassen.

    Lokführer: Weselsky hat auch ein anderes Gesicht

    Dabei ist Weselsky abseits der großen Bühne ein ruhiger, mitunter auch humorvoller Gesprächspartner. So haben ihn auch Verhandlungspartner in den Tarifrunden beschrieben. Das ändert aber nichts an der unbeugsamen Seite des GDL-Chefs. So war er auch schon zu DDR-Zeiten. Die Mitgliedschaft in der SED verweigerte Weselsky. Er ist stattdessen Mitglied der CDU geworden und geblieben. 

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    Auch wenn der letzte Tarifabschluss ein großer Erfolg für die GDL ist, hinterlässt Weselsky seinem Nachfolger Mario Reiß auch ein paar Baustellen. Die größte ist der Status der GDL im Tarifgeflecht der Bahn. Mit weniger als 40.000 Mitgliedern ist die Lokführervertretung nur die Nummer zwei im Bahnkonzern. Mit der ungleich größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) liegt der GDL seit vielen Jahren im Dauerclinch. Früher wurde noch gemeinsam verhandelt. Doch die EVG sehen Weselsky und seine Mitstreiter als zu zahm an. „Einkommens-Verhinderungs-Gewerkschaft“ nennt er die Konkurrenz. 

    Mario Reiß, derzeit stellvertretender GDL-Chef, könnte Nachfolger von Claus Weselsky werden.
    Mario Reiß, derzeit stellvertretender GDL-Chef, könnte Nachfolger von Claus Weselsky werden. © FUNKE Foto Services | Martin Schutt

    Die Baustelle ist das Tarifeinheitsgesetz (TEG). Es bestimmt, dass in jedem der rund 300 Bahnbetriebe nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern dort zählt. Der GDL werden lediglich 18 Betriebe zugeordnet. Schon lange klagt die GDL gegen die aus ihrer Sicht willkürliche Einschätzung der Mehrheit. Das Arbeitgeber nicht nach der Mitgliedschaft fragen dürfen, sind die exakten Verhältnisse auch nicht bekannt. Ein höchstrichterliches Urteil darüber steht noch immer aus. 

    Gewerkschaft: Der Nachfolger steht schon in der Spur

    Eine andere Baustelle zeichnet sich in der Gütersparte ab. Dort wird ein harter Sanierungskurs fällig, der die Arbeitsbedingungen für die Lokführer dort verschlechtern könnte. Dieses Problem wird nun Nachfolger Reiß angehen müssen. Der 58-jährige kommt ebenfalls aus Sachsen und ist seit gut zwei Jahren stellvertretender Bundesvorsitzender der GDL. An diesem Donnerstag wird er sehr wahrscheinlich an die Spitze gewählt.

    Während Weselsky sich zum Alleinunterhalter eignet, ist Reiß eher ruhig als poltern provokant. In der Sache gilt er allerdings als ebenso harter Verhandlungsführer wie Weselsky. Er will auch kein Einzelkämpfer sein, sondern die GDL mit einem kleinen Kreis führender Funktionäre in die Zukunft führen. Die Weichen für den künftigen Kurs stellt die Generalversammlung der GDL in dieser Woche. Dann wird der neue Vorsitzende auch erläutern, welche Ziele er erreichen will.