Duisburg/Essen. Thyssenkrupp tauscht drei Stahlvorstände aus, Konzernchef López hat sich durchgesetzt. Jetzt muss er beweisen, dass er es besser kann.
Ein Konzernchef, der seinen Spartenchef öffentlich bloßstellt, muss ihn auch feuern. Das sagten in den vergangenen Wochen diverse Manager, die mit Thyssenkrupp nichts zu tun, aber die Konfliktkaskade verfolgt haben. Alles andere würde López als Schwäche ausgelegt werden. Und wenn der einen Eindruck nicht aufkommen lassen will, dann diesen. Insofern liegt sein hartes Vorgehen gegen die Stahl-Vorstände ganz in der Logik seines bisherigen Auftretens als Thyssenkrupp-Chef.
Was das nun für den Stahl, für den Mutterkonzern und für die Beschäftigten bedeutet? Lässt sich noch nicht sagen. Nur, dass dieses Erdbeben eine Machtverschiebung mit sich bringt. Dass über Wohl und Wehe von Thyssenkrupp Steel Europe künftig in Essen entschieden wird, nicht mehr in Duisburg. López und die Anteilseigner erhoffen sich dadurch den Durchbruch. Tausende Stahlarbeiter befürchten dagegen den Niedergang ihres Unternehmens.
Eine Zäsur für die deutsche Montanmitbestimmung
Was in der Stahlstadt im Duisburger Norden dieser Tage passiert, taugt als Zäsur für die deutsche Montanmitbestimmung. Sie schützte bisher die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Schwerindustrie vor den größten Härten und sorgte dafür, dass Stahlmanager auch bei harten Sparplänen zumindest Kompromisse mit der IG Metall und dem Betriebsrat eingehen mussten. López scheint nun den Beweis angetreten zu sein, dass man auch in einem montanmitbestimmten Unternehmen durchregieren kann, wenn man die entscheidenden Leute in die Knie und zur Aufgabe zwingt.
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Stahlchef Osburg hatte den Rückhalt der Arbeitnehmerseite. Und weil es in einem montanmitbestimmten Betrieb kein Doppelstimmrecht für den Aufsichtsratsvorsitzenden gibt, der so die Arbeitnehmerbank überstimmen könnte, hatte das lange Zeit auch Gewicht. López, als Konzernchef angetreten und von den Geldgebern aufgefordert, den Stahl endlich aus dem Kerngeschäft zu kegeln, hat das aber erst recht angetrieben, in Duisburg aufzuräumen.
López Vorhaben verheißt nichts Gutes für den Stahl
Für wen das am Ende gut und für wen schlecht ist, muss sich zeigen. Die Vorzeichen für den Stahl sind mit diesem Tag aber schlechter geworden. Der Plan, ihn mit möglichst geringen Kosten auszugliedern, verheißt einen Sprung in die Eigenständigkeit, der einem von der Klippe gleicht. Ohne das Netz des Mutterkonzerns, unter wachsendem Finanzdruck und inmitten einer Stahl-Konjunkturkrise in die so entscheidende Phase des Umbaus zum grünen Stahlkonzern zu starten, wäre abenteuerlich.
Wenn denn die Verselbstständigung klappt. Denn dafür braucht es einen Partner, der bereit ist, dieses Abenteuer mit all seinen Risiken einzugehen. Vom tschechischen Milliardär Kretinsky weiß man, dass er kalkulierbare Risiken durchaus einzugehen bereit ist. Andernfalls hätte er kaum Vattenfall das ostdeutsche Braunkohlegeschäft abgekauft. Aber hält er das Risiko bei Thyssenkrupp Steel unter den neuen Vorzeichen noch für kalkulierbar?
Absprung von Kretinsky wäre fatal - für den Konzern wie seine Tochter
Springt Kretinsky ab, hat sowohl der Konzern als auch seine Stahl-Tochter ein neues, massives Problem. Ohne frisches Kapital kann die bevorstehende Transformation nicht gelingen, zumindest darin waren sich Osburg und López immer einig. Beliebig kleinschrumpfen lässt sich ein Stahlkonzern auch nicht. Also was dann?
Meint López und meinen es die Anteilseigner ernst damit, ihre Stahltochter in eine gute Zukunft überführen zu wollen, müssen sie diese auch so ausstatten, dass sie auf eigenen Füßen stehen kann. Dafür braucht es nach wie vor Kompromisse zwischen Essen und Duisburg. Vielleicht fällt dies dem Konzernchef jetzt leichter, vielleicht stimmt ihn der gewonnene Machtkampf etwas milder. Zumindest dürfte es im Ringen um den Stahl nicht mehr so persönlich werden wie zuletzt.
Nun muss López den Stahlkochern beweisen, dass er es besser kann
Fährt López aber weiter die harte Tour und entlässt seine Stahltochter in eine ungewisse Zukunft, werden ihm das 27.000 Beschäftigte und deren Familien persönlich nehmen. Denn für die trägt er nun die volle Verantwortung. Ihnen schuldet er jetzt den Beweis, dass er es besser kann. Nicht nur zum Wohl der Kapitalgeber, sondern auch in ihrem Sinne.