Essen/Duisburg. Konzernchef López greift durch: Drei Vorstandsmitglieder von Thyssenkrupp Steel sollen gehen. Betriebsrat befürchet einen „Kahlschlag“.
Thyssenkrupp-Chef Miguel López greift nach Informationen unserer Redaktion im Konflikt mit der Duisburger Stahltochter hart durch: Drei von fünf Stahl-Vorständen wurden Aufhebungsverträge vorgelegt, wie Unternehmenskreise bestätigen. Dabei soll es sich um den Vorstandsvorsitzenden Bernhard Osburg sowie Personalchef Markus Grolms und Logistikchefin Heike Denecke-Arnold handeln. Ob sie die Aufhebungsverträge bereits unterschrieben haben, ist zur Stunde noch unklar.
Auch das „Handelsblatt“ berichtet darüber, dass drei Vorstandsmitgliedern von Thyssenkrupp Steel Europe (TKS) Vereinbarungen für eine vorzeitige Vertragsaufhebung unterbreitet worden seien. Der Name Osburg wird ebenfalls genannt. Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte die Essener Konzernzentrale, zu Spekulationen über Personalfragen äußere man sich nicht.
Nächste Aufsichtsratssitzung bei Thyssenkrupp Steel
Für diesen Donnerstag hat TKS-Aufsichtsratschef Sigmar Gabriel zur nächsten Sitzung geladen. Da das Kontrollgremium die Vorstandsmitglieder ernennen und auch die Aufhebung laufender Verträge absegnen muss, könnte dann bereits formal über die offensichtlich von Konzernchef López gewollten Abberufungen entschieden werden.
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Die strategische Entscheidung, dass Osburg, Grolms und Denecke-Arnold gehen müssen, sei in Essen aber bereits gefallen, wie unsere Redaktion aus dem Umfeld des Industriekonzerns hört. Seitdem Thyssenkrupp-Chef López seinen Stahlchef Osburg vor drei Wochen öffentlich angezählt und ihm „Schönfärberei“ vorgeworfen hatte, war über einen möglichen Rauswurf spekuliert worden.
„Das nimmt kein gutes Ende“
Im Gegensatz zu López, der erst im Juni 2023 nach vielen Jahren bei Siemens zu Thyssenkrupp kam, kennt Osburg die Thyssenkrupp-Organisation schon seit vielen Jahren und ist auch als Präsident des Branchenverbands Wirtschaftsvereinigung Stahl gut vernetzt.
Insider werfen die Frage auf, wie sich nun der tschechische Investor Daniel Kretinsky verhalten wird. Er hat bereits einen 20-Prozent-Anteil an Thyssenkrupp Steel übernommen und erwägt den Kauf der Hälfte des Stahlgeschäfts. Die Insider zeigen sich beunruhigt über die Entwicklung. „Das nimmt kein gutes Ende“, sagt ein Manager in führender Position. López werde es „schwerfallen, gute Leute für den Job zu finden“.
Betriebsrat von Thyssenkrupp Steel befürchtet „Kahlschlag“
Wie es nun weitergehen soll, ist die große Frage. Die IG Metall hatte bereits in einem Flugblatt davor gewarnt, dass López den Stahlchef Osburg werde loswerden wollen. „Ein Nachfolger dürfte López aus der Hand fressen“, schrieb die IG Metall Duisburg-Dinslaken vor wenigen Tagen an die Stahlbeschäftigten im Duisburger Norden und warnte: „Was dann kommt, weiß keiner. Besser wird es auf keinen Fall.“ Zuletzt hatte die IG Metall vor dem Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen gewarnt, sollte López sich durchsetzen.
Ali Güzel, Betriebsratschef am größten Thyssenkrupp-Stahlstandort in Duisburg, schlägt Alarm. Er befürchte „einen Kahlschlag“, sagte Güzel im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es geht hier um eine Halbierung der Hütte.“ Damit seien etwa 10.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Olaf Vopel, der Vize-Betriebsratschef des Stahlstandorts Duisburg-Hamborn, zeigt sich tief besorgt. „Ich habe echt Angst“, sagte er. Diese Stimmung sei an der Mahnwache vor Tor 1 am Stammwerk in Duisburg weit verbreitet. „Jetzt ist wirklich angekommen: Unsere Jobs sind in Gefahr.“ Er gehe davon aus, dass die Beschäftigten am Donnerstag (29. August) in Scharen zur Mahnwache kommen werden, berichtet Vopel.
Thyssenkrupp-Aufsichtsräte: „Notwendige und überfällige Entscheidungen“
López hat sich in den vergangenen Tagen die Unterstützung der Eigentümervertreter im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG gesichert. Der Essener Konzern ist die Muttergesellschaft von Thysssenkrupp Steel (TKS) in Duisburg. Thyssenkrupp Steel stehe „vor notwendigen und überfälligen Entscheidungen für die Sicherung der Stahlproduktion im Ruhrgebiet und in Deutschland“, hieß es in dem am 27. August veröffentlichten Schreiben, das unter anderem von Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather und Chefkontrolleur Siegfried Russwurm unterzeichnet worden ist.
Es gehe darum, einen „weiteren wirtschaftlichen Aderlass abzuwenden und die Fundamente des Konzerns im Ruhrgebiet und anderswo in Deutschland und der Welt zu sichern“, so die Aufsichtsratsmitglieder der Kapitalseite. Das Schreiben endet mit den Worten: „Die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat unterstützen den Vorstand der Thyssenkrupp AG unter Führung von Miguel López voll und ganz in seinem darauf ausgerichteten Handeln.“ Es dürfte kein Zufall sein, dass unmittelbar nach dieser Veröffentlichung die Personalentscheidungen in der Stahlsparte publik geworden sind.
Krupp-Stiftungs-Chefin Gather als treibende Kraft
Von verschiedenen Akteuren wird Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather als eine treibende Kraft in der aktuellen Entwicklung beschrieben. Die Stiftung, die auf dem Gelände der Essener Villa Hügel residiert, ist mit etwas mehr als 20 Prozent die größte Anteilseignerin von Thyssenkrupp. Der Konzern mit insgesamt rund 100.000 Beschäftigten hatte an der Börse zuletzt massiv an Wert verloren und erreichte zuletzt nur noch eine Marktkapitalisierung von rund zwei Milliarden Euro. Bereits zwei Mal in den vergangenen Wochen hatten sich Beschäftigte von Thyssenkrupp bei Protestveranstaltungen auf dem Gelände der Villa Hügel versammelt. Zuletzt hatte die IG Metall von ihr und Russwurm gefordert, López zu stoppen.
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Die Anteilseigner wünschen von López, dass er endlich eine Lösung für den Stahl findet, was seinen Vorgängern und Vorgängerin Martina Merz nicht gelungen war. Dabei sind offenkundig sowohl die Ungeduld als auch der Wunsch groß, die Verselbstständigung von TKS möglichst kostenschonend für den Konzern zu halten. Konkret geht es um die finanzielle Ausstattung für die kommenden zwei Jahre und die Höhe der Mitgift, die es f+r die Tochter auf dem Weg in die Selbstständigkeit bräuchte.
Diesen Ziel genügte Osburgs Sanierungsplan nicht, wie aus der Essener Zentrale zu hören ist. López hatte vor drei Wochen in einem Statement, an Osburg adressiert, geschrieben: „Was wir jetzt brauchen, ist ein nüchterner, realistischer Blick in die Zukunft ohne Hoffnungswerte und ohne Schönfärberei.“
Gegenseitige Vorwürfe der Schönrechnerei
Die Gegenseite wirft dagegen López Schönrechnerei in seinem Sinne vor, zumindest habe er das von Osburg verlangt. Aus gut informierten Kreisen heißt es, der Konzernchef habe Osburg gedrängt, seinem Sanierungsplan unrealistisch gute Prognosen, was Stahlpreise und Mengen angeht, zugrunde zu legen. Dies vor dem Hintergrund, die Mitgift drücken zu wollen. Osburg errechnete trotzdem einen Bedarf von vier Milliarden Euro, López bot bisher dem Vernehmen nach maximal 2,5 Milliarden Euro.
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Unter diesen Vorzeichen könnte die Aufsichtsratssitzung an diesem Donnerstag ähnlich turbulent werden wie die denkwürdige Sitzung vor drei Wochen, als López‘ seinen Bruch mit Osburg für alle sichtbar demonstrierte. Eigentlich sollte es einmal mehr um die Finanzierung gehen. Von einem sich abzeichnenden Kompromiss ist aber nichts zu hören. Stattdessen dürfte die Abberufung der drei Vorstandsmitglieder ein Thema und es dabei emotional werden.
Nicht wenige befürchten, dass Kretinsky seine Ausstiegsoption ziehen könnte
Wie Kretinsky, López‘ Wunschlandidat für die Übernahme von 50 Prozent an TKS, die jüngsten Entwicklungen aufnimmt, ist zur Stunde völlig unklar. Er hat ein ureigenes Interesse daran, der Stahlkonzern, in den er bereits mir 20 Prozent eingestiegen ist, vernünftig ausgestattet wird. Im nächsten Schritt soll er seine Beteiligung, so der Plan, auf 50 Prozent aufstocken. Allerdings hat er auch eine Ausstiegsklausel. Dass er diese angesichts der Turbulenzen ziehen könnte, befürchten im Duisburger Norden nicht wenige.