Berlin. Das Ticket hat den ÖPNV revolutioniert, doch nun ringt die Politik nicht nur um den Preis. Ein Experte sagt, wie es weitergehen kann.
Was passiert mit dem Deutschlandticket? Politisch wird über die Zukunft des Nahverkehrsangebots wohl erst bei der nächsten Verkehrsministerkonferenz im Herbst entschieden. Klar ist, dass monatlich 49 Euro nicht zu halten sein werden. Ein Experte schätzt drei Szenarien ein und sagt auch, was sie für Kunden bedeuten würden.
1. Das Deutschlandticket wird teurer
Das wahrscheinlichste Szenario. Erst kürzlich hatte ein Vorschlag des hessischen Verkehrsministers Kaweh Mansoori (SPD) die Debatte um den künftigen Preis neu entfacht. Mansoori hatte vorgeschlagen, den Preis künftig ohne die Politik fortzuentwickeln und stattdessen anhand eines neu zu bildenden Indexes zu berechnen, wie viel Nutzer monatlich für das Deutschlandticket zahlen müssen.
„Ich denke da zum Beispiel an die Lohnentwicklung im ÖPNV gemixt mit einer teilweisen Abbildung der erhöhten Kosten für Sprit und Energie“, hatte Mansoori gegenüber unserer Redaktion erklärt. Ein Ökonom des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat berechnet, dass das einen Aufschlag von zehn Prozent bedeutet würde. Demnach würde das Deutschlandticket 4,90 Euro teurer und würde somit ab 2025 monatlich 53,90 Euro kosten.
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Kostendeckend könnten die öffentlichen Verkehrsunternehmen auch dann nicht arbeiten, heißt es vom Verband der Verkehrsunternehmen (VDV). Das ganze Ausmaß, wie stark Bus und Bahn bundesweit unterfinanziert seien, werde zunehmend offensichtlich, sagt VDV-Präsident Ingo Wortmann gegenüber dieser Redaktion. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein werden ab 2025 erste Regionalbahn-Verbindungen wieder stillgelegt. Andere Bundesländer stehen dem VDV zufolge ebenfalls vor solchen Entscheidungen. Die finanziellen Mittel reichten nicht aus.
„Das Deutschlandticket verschärft die Situation zusätzlich. Wir brauchen bundesweit weit mehr als die zuletzt noch angenommenen drei Milliarden Euro“, so Wortmann. Eine befürchtete Erhöhung der Schienennutzungsgebühren, der Trassenpreise, könnte zu zusätzlichen Löchern führen.
Derzeit geben Bund und Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Nahverkehrsangebot aus. Zusätzlich sollen in diesem Jahr sogenannte Regionalisierungsmittel des Bundes in Höhe von rund 350 Millionen Euro dazukommen. Doch wegen der angespannten Haushaltslage hält die Ampel das Geld zusammen, auch die zusätzlichen Mittel für das Deutschlandticket sind noch nicht geflossen. Perspektivisch müsse der Bedarf ohnehin angepasst an die allgemeine Preisentwicklung steigen, findet der VDV. Und auch dann sei so lediglich der Status quo zu erhalten. „Worüber kaum einer berichtet: Von der Mobilitätswende haben sich Bund und Länder mit ihren finanzpolitischen Entscheidungen de facto verabschiedet. Von Ausbau kann keine Rede mehr sein“, sagt VDV-Präsident Wortmann.
Kommt tatsächlich zum Jahresanfang eine Preiserhöhung beim Deutschlandticket, hält Verkehrsexperte Thomas Puls vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) die Folgen für verkraftbar. „Die meisten Kunden des Deutschlandtickets hatten vorher ein anderes, häufig viel teureres Abo. Das heißt, viele Nutzer, die früher Bestandskunden waren, würden einer Preiserhöhung vermutlich offen gegenüberstehen“, sagt Puls.
2. Der Preis vom Deutschlandticket verändert sich nicht
Denkbar, aber selbst mit etwas mehr finanzieller Unterstützung aus der Politik müssten dann wohl Angebote gestrichen werden, mutmaßt Fachmann Puls. Bereits vor dem Deutschlandticket konnten die Verkehrsunternehmen Puls zufolge ihre Kosten lediglich zu 70 Prozent über den Verkauf von Fahrscheinen decken. Durch das ÖPNV-Angebot sei die Quote noch mal schlechter geworden. „Gelingt es nicht, die Einnahmen signifikant zu steigern, wird man nicht drumherum kommen, die Kosten zu senken, sprich das Angebot einzuschränken. Die Verkehrsbetriebe können die Lücke nicht anders schließen“, erklärt der Experte.
Beginnen könnte man mit Strecken, die vergleichsweise gering ausgelastet sind und bei denen die Kostendeckung schlecht ist. Der VDV lehnt solche Gedanken ab. „Wir können es uns in einem Hochindustrieland wie Deutschland nicht leisten, dass wir ÖPNV-Angebote zurücknehmen, weil die Politik keine Lösungen findet“, mahnt Verbandspräsident Wortmann.
„Am Ende sind die Verkehrsunternehmen in einer schlechten Lage: Sie haben keine Einnahmenhoheit, weil der Preis politisch festgesetzt wurde, und auch wenig andere Möglichkeiten, das Defizit auszugleichen“, sagt Puls. Dass Einnahmen perspektivisch anders verteilt werden sollen, steht aber bereits fest. Derzeit ist die Absprache so, dass jeder Verkehrsverbund seine Erlöse aus dem Deutschlandticket behält, was diejenigen begünstigt, die einen starken Vertrieb oder eine benutzerfreundliche App haben.
Ab 2025 soll dann nach Postleitzahlen aufgeteilt werden. Das heißt, das Unternehmen, das in dem Bereich, in dem der Kunde wohnt, zuständig ist, behält auch das Geld. Eine Lösung, die aber zum Beispiel bei Jobtickets, also, wenn ein Unternehmen zentral für seine Belegschaft einkauft, eine Herausforderung ist. Erst ab 2026 ist geplant, dass die Einnahmen „nachfrageorientiert“ verteilt werden. Wer mehr Passagiere befördert, mehr Kilometer fährt und ein gutes Angebot hat, soll dann mehr Geld erhalten. Am Hauptproblem würde aber auch eine andere Aufteilung wenig ändern. „Es ist einfach zu wenig Geld im Topf“, sagt Forscher Puls.
3. Das Deutschlandticket wird gänzlich abgeschafft
Politisch eigentlich kaum denkbar, glaubt der IW-Experte. Kommt man nicht zu einer Einigung, was die Zukunft des Deutschlandtickets angeht, wäre das fatal. „Die Politik würde sich hiermit ziemlich kopflos präsentieren“, sagt Puls. Und auch Verkehrsunternehmen wären Leidtragende. „Sicher würden auch viele Bestandskunden wieder in ihre teureren Monatsabos zurückkehren. Dennoch rechne ich dann mit Reibungsverlusten.“ Das heißt: Möglicherweise liegen die Einnahmen der Verkehrsbetriebe nach einem Aus des Angebots sogar niedriger als vor dessen Einführung. Zuletzt hatte das Deutschlandticket gut 13 Millionen monatliche Nutzer.
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