Berlin. Die Optiker-Kette richtet ihr Geschäft neu aus, um wieder profitabler zu werden. Wie das gelingen soll, erklärt CEO Stephan Schulz-Gohritz.
Der Optiker Mister Spex ist in schweres Fahrwasser geraten: Zur Restrukturierung des Unternehmens sollen alle Filialen im Ausland geschlossen und auch Mitarbeitende am Unternehmenssitz in Berlin entlassen werden. Bekannt für seinen Online-Schwerpunkt, will das Unternehmen unter dem Slogan „Der Optiker deines Lebens“ jetzt das stationäre Geschäft in Deutschland mit hochwertigen Brillen mit Sehstärke ausbauen. Welches Konzept dahinter steckt, erläutert der neue Chief Executive Officer Stephan Schulz-Gohritz im Gespräch.
Herr Schulz-Gohritz, wie werden die Kunden in Deutschland die Neuausrichtung von Mister Spex bemerken?
Stephan Schulz-Gohritz: Wir rücken die optische Expertise in den Stores in den Mittelpunkt des Kundenerlebnisses. Im ersten Gespräch dreht sich alles um den Sehtest und die Lebenssituation, für die die Brille gebraucht wird. Das ist die fundamentale Umstellung. Außerdem bieten wir künftig Premium-Gläser von einem namhaften deutschen Hersteller unter eigenem Namen an. So wollen wir den Anteil an Korrektionsbrillen (Anm. d. Red.: mit Sehstärke) erhöhen und unsere Marge stärken. Aktuell beträgt er grob gesagt 40 Prozent, 35 Prozent entfallen auf Sonnenbrillen und 25 Prozent auf Kontaktlinsen.
So eine Beratung ist personalintensiv. Sie haben gerade verkündet, Personal zu entlassen. Wie passt das zusammen?
Wir befinden uns in einer wichtigen Transformation. Wir müssen zu einem Personalabbau und einer Kostenreduktion kommen. Die Neuausrichtung unseres Geschäftsmodells auf die optische Expertise erfordert aber auch, dass wir in diesem Bereich gezielt Personal aufbauen. Das tun wir über die eigene Ausbildung und indem wir Personal in dem Bereich einstellen.
Um Kosten zu sparen, sollen die ausländischen Filialen schließen und auch Personal am Unternehmenssitz in Berlin eingespart werden.
Richtig. Insgesamt gehen wir davon aus, dass etwa 12 Prozent unserer Belegschaft von rund 1300 Mitarbeitern abgebaut werden muss. Dazu schließen wir unsere acht Stores im Ausland. Am Unternehmenssitz in Berlin werden etwa 60 Mitarbeiter betroffen sein. Weil wir Online eine sehr leistungsfähige Plattform haben, wollen wir so in den jeweiligen Märkten im Ausland präsent bleiben. In Deutschland verfolgen wir hingegen weiter den Omnichannel-Ansatz mit Online-Präsenz und Stores vor Ort.
Sind von den Sparmaßnahmen auch die Filialen in Deutschland betroffen?
Dort sehe ich perspektivisch eher einen Aufbau unseres Personals, speziell im Bereich der Optiker. Wir haben derzeit 66 Filialen, sechs davon in Berlin. Es gibt keine grundsätzliche Entscheidung, diese Anzahl zu reduzieren, ganz im Gegenteil. Es kann aber Veränderungen an den Orten oder Lagen geben.
Wie unterscheiden Sie sich mit der neuen Strategie vom Wettbewerb?
Unser Unternehmen kommt in seiner Entwicklung sehr stark aus dem Bereich Online und einem breiten Angebot an Marken. Im Moment haben wir etwa 150 im Sortiment, das ist weit mehr als jeder andere Wettbewerber. Das ist eine Stärke, die wir weiterspielen werden. Sie können 10.000 Brillen virtuell anprobieren und vier nach Hause schicken lassen und gehen dann in den Store und lassen ihr Wunschmodell verglasen. Das ist der bequemste Prozess, der die Vorteile von Online und Offline kombiniert. Damit differenzieren wir uns. Aber der Kunde entscheidet, was für ihn der beste Weg ist. Wenn er sich am wohlsten fühlt, kann er auch zur Auswahl direkt in den Store gehen.
Müssen die Kunden mit der Positionierung im Premiumsegment mit höheren Preisen rechnen?
Wir wollen in einem ersten Schritt unsere Rabattquote reduzieren. Darüber haben wir in den vergangenen beiden Jahren versucht, Marktanteile zu gewinnen. Das Prinzip im Discounting läuft sich aber tot. Irgendwann lernen die Kunden, dass es regelmäßig Rabatte gibt und warten auf die nächste Aktion. Wir verbinden mit dem Thema Optiker-Expertise eine Höherpositionierung der Marke und das muss sich auch in der Preispositionierung widerspiegeln. Es ist trotzdem unser Anspruch, weiterhin das attraktivste Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. Das haben wir auch in der Vergangenheit getan, wir haben es nur nicht in unserer Marke richtig kommuniziert.
Die Restrukturierung und auch die Investition in die Filialen kostet erst einmal Geld. Ist die Finanzierung gesichert?
Wir sind in der sehr glücklichen Situation, dass wir über Barmittel in Höhe von etwa 100 Millionen Euro verfügen. Wir haben keine Bankverbindlichkeiten. Damit sind wir finanziell gut aufgestellt, um die Neuausrichtung des Unternehmens finanzierungsseitig zu bewältigen.
Ist denkbar, danach wieder zu expandieren, auch im Ausland?
Fairerweise muss man sagen, dass wir bis Jahresende erst einmal sehr intensiv mit unserem Transformations- und Restrukturierungsprogramm beschäftigt sein werden. Wir wollen jetzt mit dem Fokus auf Deutschland wieder eine Skalierbarkeit herstellen. Wenn unser Geschäftsmodell nachhaltig profitabel ist, können wir auch wieder im Ausland expandieren. Denn wir haben jetzt gesehen, dass die Marke dort nicht stark genug ist. Deswegen muss der Markenaufbau wie ursprünglich in Deutschland online erfolgen, um später genug Frequenz in die Stores zu bringen.
Wie stellt sich das Unternehmen auf, um diese Neuausrichtung zu bewältigen?
Ich bin seit Jahresanfang Chief Financial Officer und habe seit August auch das Mandat des Chief Executive Officer mit Gesamtverantwortung für das Unternehmen bis auf Weiteres übernommen. Seit dem 1. August ist außerdem Francesco Liut als Chief Commercial Officer im Unternehmen, der sowohl für das Online- als auch das Retail-Geschäft verantwortlich ist und die Bereiche Marketing, Category Management, Product und Data leitet. Zum 1. September kommt Christopher Douglas als Chief Restructuring Officer in das Unternehmen. Er wird dafür verantwortlich sein, das Restrukturierungsprogramm umzusetzen. Das soll bis Jahresende geschehen, damit es sich 2025 bereits in den Ergebnissen widerspiegelt.