Essen. Tief im Meer liegen seltene Metalle für die Energiewende. Doch die Risiken des Abbaus sind unerforscht. Studien zeigen erschreckende Szenarien.

Auf dem Grund der Weltmeere liegen Schätze, die entscheidend für das Gelingen der Energiewende sein könnten. Seltene Metalle etwa, unverzichtbar für die Herstellung von Batterien für Elektroautos, Photovoltaik-Anlagen oder Windturbinen. Der Tiefseebergbau soll den Hunger nach diesen Rohstoffen stillen, die für den Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft in Massen benötigt werden. Der Abbau könnte schon bald beginnen.

Doch weder ist das Ökosystem Tiefsee mit seinem vermuteten Artenreichtum ausreichend erforscht, noch gibt es umfassende Studien über die möglichen Umweltschäden, die der Abbau in bis zu 6000 Metern Tiefe verursachen könnte. Dennoch will das erste Unternehmen schon bald die ersten Abraumbagger zu Wasser lassen. Ist „Deep Sea Mining“ der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft oder der Beginn einer massiven Umweltzerstörung? Worum es geht.

Tiefseebergbau: Seltene Metalle am Meeresboden als Schlüssel zur Energiewende

Auf zerklüfteten Meeresböden, entlang unterseeischer Bergrücken oder an den Flanken und Krateröffnungen erloschener Unterwasservulkane vermuten Bergbauunternehmen Millionen Tonnen von Metallen und Seltenen Erden, die in Jahrmillionen entstanden sind. Ziel der Begierde sind vor allem Billionen von Knollen auf dem Meeresgrund. Sie enthalten neben Mangan und Eisen auch Nickel, Kupfer, Kobalt oder Seltene Erden. Allesamt sind sie die Schlüsselrohstoffe für Anlagen erneuerbarer Energien, für Komponenten in der Elektromobilität oder elektronischer Bauteile aller Art. Für das, was Zukunft versprechen soll.

Fieberhaft suchen Unternehmen auch nach polymetallischen Sulfiden – zusammengebackenen Knötchen, die meist in der Nähe hydrothermaler Quellen zu finden sind, etwa Schwarzen Rauchern. Dort, in den vulkanischen Regionen der Tiefsee, vermuten Forscher geschätzte 30 Millionen Tonnen Kupfer und Zink. Auch Kobaltkrusten, metallische Ablagerungen an den Hängen vulkanischer Seeberge, haben einen Goldrausch in der Tiefe ausgelöst. Sie sind reich an Kobalt, Platin sowie anderen Seltenen Erden.

Manganknollen werden mit riesigen Staubsaugern eingesammelt

Bei etwa 1000 Metern Wassertiefe beginnt das Reich der Tiefsee. Dort unten herrschen totale Dunkelheit, ein hoher Wasserdruck und Kälte. Der Abbau der Metalle soll in fünf bis sechs Kilometern Tiefe erfolgen. Manganknollen etwa werden durch riesige Traktoren wie eine Art Staubsauger vom Meeresboden eingesammelt. Über einen langen Schlauch wird das Gemisch aus Sedimenten, Wasser und Knollen zum Schiff an die Oberfläche gepumpt. Dort werden die Knollen gereinigt, das Wasser-Sediment-Gemisch wieder ins Meer zurückgeleitet.

Die begehrten Metalle sind in allen Weltmeeren zu finden. Doch die Regionen, in denen sich ihr Abbau lohnt, sind begrenzt. Das Gebiet mit der höchsten Knollenkonzentration ist die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ). Die Region im Pazifik zwischen Hawaii und Mexiko soll nach ersten Schätzungen mehr als 21 Milliarden Tonnen Knollen enthalten. Dort haben derzeit 16 Länder Explorationsverträge abgeschlossen, darunter auch Deutschland. Sie haben damit das Recht erworben, Vorkommen zu erkunden.

Weitere Regionen, die bei den Unternehmen erhebliches Interesse geweckt haben, sind der Mittelatlantische Rücken, der durch die Mitte des Atlantischen Ozeans, den nordwestlichen Pazifik und den Indischen Ozean verläuft. Bislang galt die kommerzielle Ausbeutung dieser Meeresböden als unrentabel. Das Wachstum klimafreundlicher Technologien aber nährt nun die Angst vor Engpässen kritischer Rohstoffe. Tiefseebergbau wird systemrelevant.

Tiefseebergbau
Aufgeschnitte Mangan-Knolle: Die seltenen Metalle am Meeresgrund gelten als Schlüssel zur Energiewende. © DPA Images | Ingo Wagner

Für den Tiefseebergbau gibt es noch immer keine verbindlichen Regeln

Das Problem: Trotz jahrelanger Verhandlungen hat sich die Staatengemeinschaft immer noch nicht auf ein verbindliches Regelwerk für den Tiefseebergbau verständigt. Das aber ist nötig: Etwa 60 Prozent der Meeresböden liegen außerhalb von Hoheitsgewässern und damit außerhalb nationaler Gerichtsbarkeit.

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Wichtigstes politisches Forum ist die Internationale Meeresbodenbehörde ISA, ein Gremium der Vereinten Nationen. Doch auch die diesjährige Generalversammlung der ISA endete vor wenigen Tagen ergebnislos, denn Mehrheiten finden sich kaum. Die Ablehnung des Abbaus von Bodenschätzen in der Tiefsee ist inzwischen gewachsen: Von den 168 ISA-Mitgliedsstaaten sind aktuell 32 Länder entweder für ein Moratorium, eine vorsorgliche Pause oder ein Verbot des Tiefseebergbaus.

Deutschland setzt sich für eine „vorsorgliche Pause“ ein, bis die Risiken ausreichend erforscht seien und strenge Abbauregularien vorlägen, die ernsthafte Umweltschäden ausschließen. Frankreich ist für ein Verbot, Großbritannien für ein Moratorium. China, Indien und Norwegen sind nach wie vor für den Tiefseebergbau. Wie groß das Risiko für das Ökosystem Tiefsee aber ist, darüber führen Kritiker und Befürworter heftige Debatten.

Debatte über ökologische Auswirkungen: Zerstört der Abbau das Ökosystem Tiefsee?

Es sind vor allem Umweltschützer und Wissenschaftler, die vor dem Verlust von Artenvielfalt und der Zerstörung eines Lebensraums warnen, „noch bevor vieles entdeckt und verstanden worden ist“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von rund 830 Meereswissenschaftlern. So befürchten die Experten unter anderem die großflächige Zerstörung des Meeresbodens, die Aufwirbelung und Freisetzung von Sedimenten und Giftstoffen sowie Lärmbelästigung durch den Betrieb von Maschinen auf dem Meeresgrund.

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Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere die mittleren Wasserschichten des Ozeans, ein riesiges Reservoir einzigartiger Artenvielfalt, durch die zurückfließenden Sedimente gefährdet seien. In ihrer gemeinsamen Erklärung fordern die Wissenschaftler eine Aussetzung der Bemühungen, mit dem Tiefseebergbau zu beginnen. Stattdessen müsse die Forschung beschleunigt werden, „damit wir besser verstehen, was auf dem Spiel steht“.

Umweltorganisationen wie Greenpeace, WWF und BUND argumentieren, dass sich Unternehmen auf Produkte konzentrieren sollten, die endlichen Ressourcen schonen und auf recyceltem Material basieren. Das Öko-Institut etwa zweifelt in einer Studie im Auftrag von Greenpeace daran, dass der Abbau der Metalle zwingend für eine erfolgreiche Energie- und Verkehrswende notwendig sei. Noch sei überhaupt nicht klar, welche Rohstoffe in Zukunft benötigt würden, so Autor Andreas Manhart vom Öko-Institut. Er verweist auf alternative Batteriekonzepte, die ohne Kobalt und Nickel auskämen und zunehmend Marktanteile eroberten.

Rechtliches Schlupfloch: Der erste Konzern will ein Tiefseebergbau-Projekt starten

Am Ende jedoch bleibt ein rechtliches Schlupfloch bestehen: Auch ohne ein verbindliches Regelwerk kann mit dem Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee begonnen werden. Der kanadische Konzern The Metals Company hat bereits angekündigt, noch in diesem Jahr einen ersten Antrag für ein kommerzielles Tiefseebergbau-Projekt zu stellen. 2026 will das Unternehmen im Pazifik starten. Der Goldrausch in der Tiefe, er hat begonnen.

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