Berlin. Im Haushalt für das Jahr 2025 klafft plötzlich wieder ein großes Loch. Wo die Ampel jetzt die fehlenden Milliarden auftreiben könnte.
Gerade erst hat die Ampelkoalition mühsam einen Kompromiss in ihrem Streit um den Haushalt für das kommende Jahr errungen, da droht die Debatte wieder von vorne loszugehen. Nach verfassungsrechtlichen Zweifeln an der jüngsten Einigung zieht Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Notbremse.
Um nicht vor dem Bundesverfassungsgericht zu landen, will der FDP-Vorsitzende das Paket noch mal aufschnüren – und sparen. 17 Milliarden Euro fehlen der Ampel. Wo diese herkommen könnten:
Nicht abgerufene Finanzmittel
Jedes Jahr fließen hohe Summen, die die Ministerien erhalten, nicht ab. Teils liegt das an komplizierten und bürokratischen Verfahren, teils an längeren Bearbeitungszeiträumen und mitunter schlicht an fehlender Nachfrage. Die Ampelkoalition hofft darauf, bis zu neun Milliarden Euro an nicht abgerufenen Mitteln im Haushalt 2025 nutzen zu können.
Ein Buchungstrick bei der Bahn
Eigentlich wollte die Ampel mit drei Buchungstricks das Loch stopfen: An die Autobahn GmbH und die Deutsche Bahn sollten Darlehen vergeben werden, von der Förderbank KfW wollte man nicht abgerufene Mittel aus der Zeit der Gaspreisbremse nutzen. Gegen alle drei Vorschläge gibt es verfassungsrechtliche Bedenken.
Doch im Finanzministerium ist man kreativ geworden: Mit einer sogenannten Eigenkapitalzuführung an die Deutsche Bahn könnte man 3,6 Milliarden Euro einsparen. Die Idee: Der Bund gibt das Geld der Bahn, die es direkt in ihre Infrastruktur, etwa das Schienennetz, investiert. Weil perspektivisch etwa über Trassengebühren wieder Einnahmen aus dieser Investition generiert werden würden, wäre das vereinbar mit der Schuldenbremse.
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Kürzungen bei Sozialausgaben
Trotz der nicht abgerufenen Mittel der Ministerien und des Buchungstricks bei der Bahn bleibt eine Lücke von vier bis fünf Milliarden Euro. Das Finanzministerium schlägt vor, bei den Sozialausgaben zu sparen, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen.
Immer wieder wurde zuletzt über Kürzungen beim Bürgergeld debattiert. Aber auch über andere Punkte des letzten Haushaltskompromisses, etwa über die Steuervorteile für ausländische Fachkräfte, wird gestritten.
Sozialverbände warnen eindringlich vor einer Sparrunde. „Kürzungen bei den Sozialausgaben sind absolut tabu“, sagte Verena Bentele, Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, unserer Redaktion. Schon der jüngste Kompromiss habe Kürzungen im Bürgergeld und einen Griff in die Rentenkasse beinhaltet, im Gesundheitssystem und in der Pflege gäbe es ohnehin nichts zu holen.
Anders sieht das der Präsident des Steuerzahlerbundes: „Jeder Minister muss ein Sparminister werden“, forderte Reiner Holznagel.
Aus der FDP kommen aber auch abseits der Sozialausgaben erste konkrete Sparideen: So will Fraktionschef Christian Dürr die Entwicklungshilfe kürzen. „Wenn bei uns das Geld für die Sanierung von Schienen und Straßen fehlt, kann Deutschland nicht Milliarden für Projekte andernorts verteilen. Solche Ausgaben muss der Staat in Zeiten knapper Kassen zurückfahren“, sagte Dürr unserer Redaktion. Zugleich appellierte Dürr an die Koalitionspartner, „jetzt dringend die geplanten Reformen beim Bürgergeld umzusetzen, um den Sozialstaat effizienter zu machen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen.“
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Eine Reform der Schuldenbremse
Mit einem neuen Haushaltsstreit rückt auch die Debatte über die Schuldenbremse wieder in den Fokus. „An einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse und ihrer grundlegenden Reform führt kein Weg vorbei“, meint Stefan Körzell, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Statt zu sparen, brauche es Investitionen: „Mindestens 600 Milliarden Euro sind dafür zusätzlich für die nächsten zehn Jahre notwendig“, sagt Körzell. Auch SPD und Grüne fordern eine Reform der Schuldenbremse. Die FDP lehnt solche Überlegungen aber strikt ab. Und auch vom Sachverständigenrat, den sogenannten Wirtschaftsweisen, kommt Widerspruch. Bei einem Haushaltsvolumen von 480 Milliarden Euro brauche man für einen Fehlbetrag von sechs bis acht Milliarden Euro die Schuldenbremse nicht aussetzen, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding unserer Redaktion. „Ausreichende Gründe dazu liegen dieses Jahr bisher auch nicht vor.“
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Eine veränderte Steuerpolitik
Statt auf der Ausgabenseite könnte der Bund auch auf der Einnahmenseite tätig werden – etwa in Form höherer Steuern. Linken-Chefin Janine Wissler plädiert für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Übergewinnsteuer.
Auch die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, forderte eine „angemessene Besteuerung“ von Reichtum. Zudem könne der Staat 5,5 Milliarden Euro einnehmen, wenn er etwa das Dienstwagenprivileg abschaffe, so Engelmeier. Diese Vorschläge dürften allerdings mit der FDP nicht zu machen sein.