Berlin. Die Deutsche Bahn verlegt plötzlich die Abfahrt des Zuges um eine Stunde nach vorne. Und dann? So kommen Passagiere an ihr Geld.

Die Reise ist seit Wochen geplant. Dann kommt eine E-Mail der Deutschen Bahn. Betreff: „Fahrplanänderung auf Ihrer Reise nach Berlin Hbf am 02. Aug. 2024: geänderte Fahrtzeiten“. Das ist nicht ganz überraschend, die Deutsche Bahn ist schließlich bekannt für ihre Unpünktlichkeit.

Nur, in diesem Fall startet der Zug nicht verspätet, im Gegenteil: „Ihr Zug fährt von Hamburg Hbf früher ab“ – statt um 19.38 Uhr schon um 18.35 Uhr. Dafür komme er eine gute Stunde früher in Berlin an. Und dann der schlichte Aufruf: „Bitte beachten Sie die neuen Zeiten.“

Deutsche Bahn: Wenn der Zug früher fährt, droht Streit

Was aber, wenn das zu früh ist, weil ein Geschäftstermin dann noch nicht zu Ende ist oder das Essen mit Freunden vor dem Nachtisch abgebrochen werden müsste? Das Ticket ist online gekauft zum Super-Sparpreis, es hat eine Zugbindung. Also ist es nur gültig für den einen, nun vorverlegten Zug. Zumindest steht in der Mail nichts davon, dass die Zugbindung aufgehoben wird. Wie bitte?

Also nachschauen, was die Deutsche Bahn dazu erklärt. Auf der Homepage findet sich dies: „Wenn Sie am Reisetag durch Verschulden der DB Ihren Anschlusszug nicht erreichen, Ihr Zug ausfällt oder allgemein eine Verspätung von mehr als 20 Minuten am Zielort erwartet werden muss, wird die Zugbindung automatisch aufgehoben. Das heißt, Sie dürfen andere Züge der Deutschen Bahn nutzen, um Ihr gebuchtes Ziel zu erreichen.“

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Deutsche Bahn: Zugpreisbindung wird aufgehoben

Gilt das alles bei einem vorverlegten Zug etwa nicht? Die Bahn beruhigt auf Anfrage: „Wenn es durch eine Fahrplanänderung zu einer früheren Abfahrt eines Zuges kommt, ist die Zugbindung aufgehoben“, sagt ein Bahnsprecher unserer Redaktion. Bahnkundinnen und -kunden könnten dann alle Züge des Fernverkehrs und des Nahverkehrs nutzen – und natürlich auch eine spätere Verbindung wählen. „Ebenso haben sie freie Wahl über die Reiseroute zum auf dem Ticket angegebenen Zielort“, erklärt der Bahnsprecher.

Grundsätzlich würden Kunden vorab über Änderungen der gebuchten Verbindung informiert. Zudem empfehle die Bahn, sich über den DB-Navigator vor der Reise zu informieren.

Gibt es das Geld zurück?

Während die Bahn bei früheren Abfahrten bei der Zugbindung Kulanz zeigt, sieht es bei einer finanziellen Entschädigung anders aus. Kommt man mit dem vorverlegten Zug früher als geplant an, gibt es kein Geld zurück. Ansprüche auf eine Verspätungsentschädigung würden bestehen, wenn die Reisenden mit mindestens 60 Minuten Verspätung am Zielort ankommen. „Dies kann bei einer Nutzung einer alternativen Verbindung im Kontext der aufgehobenen Zugbindung der Fall sein, wenn beispielsweise ein späterer Zug genutzt wird und die Ankunft am Zielort dadurch mindestens 60 Minuten verspätet ist“, erklärt der Bahnsprecher.

Rein rechtlich ist die Sache mit Zügen, die früher als geplant fahren, weniger klar. Darauf weist Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn hin. Der Grund für einen früher abfahrenden Zug laute meistens: Bauarbeiten. Diese Fälle seien nicht geklärt. Denn: Welche Ansprüche Reisende geltend machen können, werde per Gesetz geregelt. Das könne also die Politik beschließen, doch bisher dächten alle immer nur an Verspätungen. „Und im rein juristischen Sinne ist das keine“, sagt Naumann.

Politisch ist das Interesse an einer Änderung auch eher verhalten. „Ich bin davon überzeugt, dass Züge, die zu früh abfahren, gerade das kleinste Problem der Bahn sind“, sagte Thomas Bareiß, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, unserer Redaktion. Er halte nichts davon, wegen „ein paar wenigen Einzelfällen einen großen und teuren Verwaltungsapparat mit entsprechender Bürokratie“ aufzubauen.

Wie oft es tatsächlich vorkommt, dass die Bahn Züge früher als geplant fahren lässt, will der Konzern auch auf Nachfrage nicht mitteilen. Aber: Eine Seltenheit ist es offenbar nicht mehr. „Grundsätzlich kann ich sagen, dass die Zahl von Fahrplanänderungen mit der Zunahme von kurzfristigen Baustellen steigt“, so der Bahnsprecher.

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Fährt die Bahn zu früh, ist man auf die Kulanz der Deutschen Bahn angewiesen. © picture alliance / pressefoto_korb | Micha Korb