Dortmund. Heike Heim soll den Vorsitz bei DSW21 räumen. Das fordert der Aufsichtsrat nach Beratungen über falsche Abrechnungen der Ökotochter Stadtenergie.
Die Dortmunder Stadtwerke DSW21 trennen sich von ihrer Vorstandsvorsitzenden Heike Heim. Das gab der Aufsichtsrat am späten Dienstagabend bekannt. Nach nur einem Jahr muss sie ihren Chefsessel schon wieder räumen, allerdings nicht aufgrund schlechter Führung der Muttergesellschaft. Vielmehr ist sie über den Abrechnungsskandal bei der grünen Ökostromtochter Stadtenergie und und insbesondere die finanziellen Folgen gestolpert.
Der Aufsichtsrat hatte darüber am Nachmittag beraten und anschließend verkündet: „Auf Vorschlag des Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Westphal hat der Aufsichtsrat der Dortmunder Stadtwerke (DSW21) ihn (...) beauftragt, Gespräche mit der Vorstandsvorsitzenden Heike Heim hinsichtlich einer Beendigung der Zusammenarbeit aufzunehmen.“ Ziel sei ein Aufhebungsvertrag.
DSW21-Chefin muss gehen, Vertretung ist schon geregelt
Offensichtlich muss sie ihren Platz unmittelbar räumen. Darauf lässt der Hinweis des Aufsichtsrates auf die „Vertretungsregelung im aktuellen Vorstand“ schließen. Demnach nehme Arbeitsdirektor Harald Kraus als dienstältestes Vorstandsmitglied die Abwesenheitsvertretung wahr. Eine Begründung für die plötzliche Trennung gab der Aufsichtsrat nicht ab.
Auch interessant
„Wir fordern eine lückenlose Aufklärung des ganzen Sachverhalts“, hatte Aufsichtsrätin Andrea Becker unserer Redaktion vor der entscheidenden Sitzung des Kontrollgremiums gesagt. Sie sitzt für den Verdi-Landesverband NRW im Kontrollgremium der Dortmunder Stadtwerke. Sie betonte, es müsse zuerst aufgeklärt werden, bevor über die Schuldfrage und mögliche personelle Konsequenzen entschieden werden könnten. Das ist offenbar in der Sitztung geschehen, in der die Untersuchungsergebnisse der externen Wirtschaftsprüfer vorgestellt werden sollten.
Am Montag hatte der Aufsichtsrat der Energietochter DEW21 getagt und anschließend den Schaden aus dem Stadtenergie-Skandal beziffert. Wie erst vor wenigen Wochen publik wurde, haben Zehntausende Kunden der grünen Tochter von DEW21 zuviel für ihren Ökostrom und ihr Gas bezahlt. Geprellt wurden sie um insgesamt 36 Millionen Euro, wie das Unternehmen inzwischen errechnet hat. Für DEW summiert sich das mit den Kosten für die Aufarbeitung auf einen Verlust von 74 Millionen Euro. Ein Betrag, der richtig weh tut.
Verlust der Ökostromtochter Stadtenergie wird sich verzehnfachen
Auch die Muttergesellschaft DSW21 erleidet dadurch einen finanziellen Schaden, die Rückzahlungen für die Stadtenergie-Kundinnen und -Kunden belasten nachträglich die Bilanz 2023. Der letzte dokumentierte DEW-Geschäftsbericht für 2022 weist für Stadtenergie einen Verlust von 7,3 Millionen Euro aus. Der wird sich in etwa verzehnfachen.
Die geplante Ausschüttung der Energietochter an die DSW21 in Höhe von 30 Millionen Euro entfällt nun nach Informationen unserer Redaktion aus gut unterrichteten Kreisen ganz. Zusätzlich will die Stadtwerke-Mutter die Garantie-Ausschüttung an die Miteigentümerin Westenergie, die knapp 40 Prozent an DEW21 hält, in Höhe von 11,7 Millionen Euro übernehmen. DSW21 rechnet insgesamt mit einer Belastung von 46 Millionen Euro.
Keine persönliche Verstrickung in Abrechnugsskandal
Verantwortlich dafür zeichnete Heike Heim, die im fraglichen Zeitraum die Energietochter DEW führte. Zudem galt die grüne Online-Tochter Stadtenergie als ihr Baby, sie wollte mit ihr neue Kundengruppen und Einnahmen für die Stadtwerke erschließen. Eine irgendwie geartete Verstrickung in die mutmaßlichen kriminelle Machenschaften einer Führungskraft der Ökotochter wird ihr nach Informationen unserer Redaktion nicht vorgeworfen.
Entscheidend waren die schwachen Zahlen von DEW unter ihrer Führung. Dazu hatte auch eine ungeschickte Einkaufspolitik beigetragen: Kurz vor dem Abflauen der Energiekrise im Spätsommer 2022 kaufte DEW für noch hohe Preise Energie auf mehrjährigen Vorrat ein. Wer damals auf sinkende Preise spekulierte und abwartete, lag richtig, DEW unter Heim falsch. Das fiel ihr dem Vernehmen nach nun neben dem Skandal um Stadtenergie auf die Füße.
Zu einem echten Abrechnungsskandal wird der Vorgang, weil offenkundig kriminelle Energie dahinter steckte. Die externen Wirtschaftprüfer seien jeder einzelnen Abrechnung „akribisch nachgegangen und haben dabei weitere Anhaltspunkte für Rechtsverstöße gefunden“, erklärte DEW21 am Montagabend. Man stehe dazu „mit der Staatsanwaltschaft in Dortmund in Kontakt und informiert diese regelmäßig über den Stand der internen Untersuchung“, heißt es.
DEW21 zum Stadtenergie-Skandal: Anhaltspunkte für weitere Rechtsverstöße
Eine Führungskraft des Unternehmens wurde freigestellt. DEW21 räumt Unregelmäßigkeiten „im Zeitraum 2022/23“ ein, die beim Jahresabschluss 2023 im Frühjahr 2024 festgestellt und inzwischen untersucht worden seien. Stadtenergie ist ein reiner Onlineanbieter und versorgte zuletzt rund 50.000 Kundinnen und Kunden.
DEW21-Chef: Rückzahlungen laufen auf Hochtouren
Noch haben auch nicht alle Geschädigten ihr Geld zurück. „Die Korrektur der fehlerhaften Abrechnungen gegenüber unseren Kundinnen und Kunden hat für uns oberste Priorität. Dieser Prozess läuft gerade auf Hochtouren“, verspricht DEW-Chef Gerhard Holtmeier. „Die festgestellten Unregelmäßigkeiten und die notwendigen Rückstellungen belasten DEW21 bedauerlicherweise spürbar“, sagt er zum finanziellen Schaden für das Unternehmen.