Essen. Die ersten Staaten beginnen, das KIimagas CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Kann das die globale Erwärmung bremsen? Das sagt eine neue Studie.
- Der weltweite Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) steigt unentwegt, trotz aller Klimaschutzbemühungen
- Die ersten Staaten haben begonnen, das Treibhausgas aus der Atmosphäre zu ziehen. Die Mengen sind jedoch gering, ergab eine neue Studie
- In diesem Artikel lesen Sie, mit welchen Technologien CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden kann und welche Verfahren die vielversprechendsten Lösungen sind
Alle sechs bis acht Jahre veröffentlicht der Weltklimarat IPCC einen globalen Sachstandsbericht zum Klimawandel. Tausende Wissenschaftler tragen darin den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammen, um dem politischen Handeln so eine Grundlage zu geben. In vielen Bereichen zeigen die IPCC-Berichte Lösungen auf, doch es fehlen politische Pläne, sie umzusetzen. In kaum einem anderen Bereich wird das so deutlich wie bei der Debatte über Technologien, die klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre der Erde zurückholen sollen. Es gibt Möglichkeiten, doch der Wille fehlt.
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Weil es der Staatengemeinschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht gelungen ist, den Ausstoß an Klimagasen deutlich zu senken, schreibt es der IPCC inzwischen in jede seiner Klimaszenarien: Die Menschheit muss CO2 aus der Atmosphäre entnehmen oder gar nicht erst entstehen lassen, wenn sie das Klimasystem stabil halten will. Bis Ende des Jahrhunderts müssen, so der Weltklimarat, Hunderte Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt und dauerhaft gespeichert werden.
Davon ist die Welt aktuell Lichtjahre entfernt. Trotz aller Klimaschutzbemühungen ist der weltweite Ausstoß von CO2 nach Annahmen des Global Carbon Project 2023 auf den Rekordwert von 40,9 Milliarden Tonnen angestiegen. Doch nur 2,2 Milliarden Tonnen werden wieder entnommen, heißt es in der wissenschaftlichen Studie „The State of Carbon Dioxide Removal“ (Stand der Kohlendioxidentnahme), die vor wenigen Tagen aktualisiert wurde.
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Noch stammen nahezu alle entnommenen CO2-Mengen aus konventionellen Methoden wie Aufforstung. Nur der kleinste Teil, 0,1 Prozent, komme aus neuartigen Technologien, sagt Oliver Geden, Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Mitautor der Studie. Prof. Jan Christoph Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin geht davon aus, dass die Staatengemeinschaft in kurzer Zeit das Drei- bis Vierfache an CO2-Mengen aus der Atmosphäre holen muss. Doch wie?
Die Zeit drängt. Bis Mitte des Jahrhunderts will die EU klimaneutral sein. Das bedeutet: Alle Emissionen, die dann noch entstehen, müssen durch eine CO2-Entnahme ausgeglichen werden. Die Möglichkeiten dafür liegen auf dem Tisch: Neben der Aufforstung von Wäldern gibt es Technologien, die schon jetzt einsatzbereit sind. Das Abscheiden und Speichern von CO2 an Land oder im Meeresuntergrund etwa. Das direkte Herausfiltern von CO2 aus der Luft. Oder Biokohle als Speicher.
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Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) weist darauf hin, dass die bislang erprobten Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die großen Mengen an Kohlendioxid, die in Deutschland ausgestoßen werden, zu entfernen. Man gehe davon aus, dass sie ungefähr fünf bis 15 Prozent der heutigen Emissionen ausgleichen könnten, so die Forscher. Welche sind die vielversprechendsten Technologien, wenn das Großreinemachen der Atmosphäre gelingen soll? Welche Vor- oder Nachteile haben sie? Und welches Potenzial? Ein Überblick über die wichtigsten Verfahren.
Aufforstung von Wäldern: Viel Potenzial, aber ein langer Prozess
Bäume und Pflanzen nehmen beim Wachstum CO2 aus der Luft auf. Werden große Flächen aufgeforstet, ließe sich viel CO2 aus der Atmosphäre binden. Studien schätzen, dass bis 2050 pro Jahr bis zu 3,6 Milliarden Tonnen CO2 entnommen werden könnten. Sinnvoll sei diese Maßnahme vor allem in den tropischen Regionen, wo eine Fläche von 500 Millionen Hektar zu Verfügung stünde.
Der Nachteil: Aufforstung dauert lange, auch stellt es eine riesige Herausforderung dar, den Wald als Speicher über viele Jahre zu erhalten: Niederschlagsänderungen, Waldbrände oder die Ausbreitung des Borkenkäfers sind schwer kalkulierbare Risiken. Der Effekt als CO2-Speicher kann zudem je nach Baumart nach 20 bis 60 Jahren abrupt enden und auf null sinken, wenn der Wald steht und das Wachstum endet.
Biokohle als Speicher und Dünger: Nicht unbegrenzt verfügbar
Die Idee ist seit Jahrhunderten bekannt: Die Biomasse aus Bäumen und Pflanzen kann unter hohen Temperaturen in Biokohle umgewandelt werden. Der Kohlenstoff kann dauerhaft gespeichert, als Dünger oder auch als Baustoff verwendet werden. Wie viel CO2 dadurch tatsächlich entnommen werden kann, ist laut Experten noch nicht ausreichend in Feldversuchen nachgewiesen worden. Angenommen wird ein Potenzial von jährlich einer Milliarde Tonne CO2. Biomasse ist jedoch nicht unbegrenzt verfügbar.
CO2 direkt aus der Luft filtern (DACCS): Eine der teuersten Technologien
Bei diesem Verfahren bläst eine Anlage Luft über eine Flüssigkeit oder einen Feststoff, dabei wird das CO2 gebunden. Das entnommene CO2 wird anschließend wieder gelöst, komprimiert und transportfähig gemacht. In einem Endlager kann es dann gespeichert werden. DACCS-Anlagen können quasi überall betrieben werden. Das Gute dabei: Sie kommen ohne Pipelines aus.
Experten sehen ein Potenzial von bis zu fünf Milliarden Tonnen CO2, die pro Jahr aus der Luft geholt werden könnten. Laut Experten haben weltweit fünf Unternehmen die Technik bis zu Pilotanlagen entwickelt. Am weitesten sei dabei die Schweizer Firma Climeworks, die vor wenigen Wochen auf Island die Luftreinigungsanlage „Mammoth“ eröffnete. Laut Unternehmensangaben kann die Anlage jährlich bis zu 36.000 Tonnen CO2 aus der Luft auffangen, das dann in Vulkansteinschichten eingelagert wird. Climeworks will so bis 2030 eine Million Tonnen CO2 und bis 2050 eine Milliarde Tonnen einfangen.
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Ein wesentlicher Nachteil von DACCS aber ist: Die Technik zählt derzeit zu den teuersten Varianten, um CO2 aus der Luft einzufangen. Der Grund: Das Abscheiden ist aufwendig und verbraucht viel Energie. Als entscheidend gilt daher, mit welchem Energieträger die Anlagen betrieben werden. Ein Einsatz fossiler Brennstoffe verringere die Effizienz massiv.
Carbon-Capture-and-Storage (CCS): In großem Maßstab erprobt, aber umstritten
Gemeint ist die Abscheidung und unterirdische Speicherung von klimaschädlichem CO₂ aus Industrieanlagen oder aus der Verbrennung von Öl, Gas oder Kohle. Mit energieintensiven Verfahren wird das Treibhausgas an seiner Quelle eingefangen, verflüssigt und dann nach dem Transport unterirdisch etwa in den Meeresgrund gepresst oder in ausgedienten Kohleflözen eingelagert. So soll verhindert werden, dass das CO₂ in die Atmosphäre gelangt und die Erderwärmung beschleunigt.
Während Norwegen die Technologie seit zwei Jahrzehnten im industriellen Maßstab erfolgreich praktiziert, ist die Abspaltung und die Speicherung von CO₂ in Deutschland, abgesehen von Versuchsanlagen, bislang verboten. Umweltverbände sehen vor allem Risiken in der unterirdischen Speicherung. Nun aber hat die Bundesregierung grünes Licht für die Speicherung im Meeresboden der Nordsee gegeben. Auch Pipelines an Land sollen erlaubt werden. Eine Speicherung an Land, zum Beispiel in ehemaligen Gas- und Erdöllagerstätten, soll vorerst ausgeschlossen bleiben.
CDRmare, eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung, schätzt, dass im Untergrund der Nordsee auf deutschem Gebiet 3,6 bis 10,4 Milliarden Tonnen CO₂ eingelagert werden können. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat eine Speicherkapazität in der deutschen Nordsee von zwei bis acht Milliarden Tonnen errechnet. Berechnungen zufolge wird Deutschland in der Zukunft Rest-Emissionen in Höhe von 60 bis 130 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr produzieren. Müssten diese Emissionen allein durch CCS vermieden werden, reichten die Lager rechnerisch für 30 bis 60 Jahre.
Bio-Energie mit CCS (BECCS): Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion
Die Idee: Nachwachsende Rohstoffe werden zur Stromerzeugung verfeuert, aus dem Abgas der Kraftwerke wird das CO2 herausgefiltert und im Untergrund gespeichert. Ein Nachteil: Werden Pflanzen speziell für Bioenergie angebaut, fällt die Fläche für die Nahrungsmittelproduktion aus. Andere, nicht verwertete Pflanzenreste gelten als zu energiearm, ihr Nutzen für die CO2-Entnahme ist nach Auffassung von Forscher gering.
Im Prinzip gilt BECCS als bereit für einen großflächigen Einsatz. Biomasse-Kraftwerke gibt es in Deutschland bereits viele. „Was fehlt, sind politische Pläne“, sagt Klimaexperte Oliver Geden.
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