Berlin. Fußballfans machen derzeit Bekanntschaft mit der Deutschen Bahn und ihren Tücken. Doch der Bahn-Manager Thieme zeigt sich optimistisch.
Bilder von an Bahnhöfen gestrandeten und frustrierten Fußballfans machten in diesen Tagen in den sozialen Netzwerken die Runde. Insgesamt verlief der EM-Auftakt bei der Deutschen Bahn allerdings weitgehend reibungslos, wie Ralf Thieme, Vorstand der für die Bahnhöfe zuständigen Bahn-Tochter InfraGO, im Interview versichert.
Die Bahn hat eine pünktliche Beförderung der Fans und Mannschaften zu den Spielen versprochen. Doch schon in den ersten Tagen kam es zu chaotischen Lagen in Gelsenkirchen oder Passau. Was läuft da schief?
Ralf Thieme: Wir nehmen Kritik grundsätzlich immer an. Aber: Die Nachrichten über den Ärger von Fans in Gelsenkirchen waren in Teilen wirklich überzogen. Da ist mitunter eine Generalkritik an der Stadt und ihren Bewohnern artikuliert worden, die Maß und Mitte verloren hat. Man kann darüber streiten, wie oft Züge bei einem solchen Event fahren müssen – in Gelsenkirchen sind sie nach dem Spiel alle paar Minuten abgefahren. Wenn aber 50.000 Leute aus dem Stadion strömen, bekommen naturgemäß nicht alle die erste Bahn. Das ist in Gelsenkirchen wie in allen anderen Städten weltweit so. Die Stadt deshalb zu einem Un-Ort in Deutschland zu erklären, wird dem nicht gerecht. Gelsenkirchen hat viel in den Bahnhofsvorplatz investiert, wir viel in den Bahnhof. Zu sagen, das sei der abgehängte Platz in Deutschland, das wird weder unseren Kollegen noch den Gelsenkirchenern gerecht.
Wie können Sie die Probleme beim nächsten Spiel dort verhindern?
Thieme: Wir haben gemerkt, dass die meisten Fans direkt von Gelsenkirchen ins Rheinland fahren wollen. Es gibt aber auch gute Umsteigeverbindungen über Essen. Mit zusätzlichen Mitarbeitenden und Durchsagen in Gelsenkirchen am Hauptbahnhof wollen wir die Reisenden auch darauf lenken. Was wir auch auf den Weg bringen: Einen zusätzlichen Sonderzug, der von Gelsenkirchen in Richtung Düsseldorf und Köln fährt.
Auch in Passau gab es Klagen. Fans aus Österreich haben es erst zur zweiten Halbzeit des Spiels ihrer Mannschaft nach Düsseldorf geschafft. Wir kann so eine Panne geschehen?
Thieme: Wir beschränken die Baumaßnahmen während der EM auf ein Minimum und haben viele Baustellen punktgenau zur EM zum Abschluss gebracht. Unsere Bautrupps haben da buchstäblich rund um die Uhr gearbeitet. Nur bei der einen zwischen Regensburg und Passau ist uns in der Nacht zu Montag eine Baumaschine kaputtgegangen. Deshalb hat diese Baustelle länger gedauert. Das hat zu den Verspätungen geführt. Es stimmt übrigens nicht, dass Tausende Fans aus Österreich in Passau gestrandet sind. Rund 150 Fans haben es erst zur zweiten Halbzeit geschafft. Das ist total ärgerlich. Wir werden den betroffenen Fans eine Wiedergutmachung als Entschuldigung zukommen lassen. Wir bitten die Fans, Kontakt mit uns aufzunehmen. Wir werden einen guten und kulanten Weg finden, sie zu entschädigen.
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Können Sie ähnliche Probleme für den Rest des Turniers ausschließen?
Bei 25.000 Zugfahrten täglich lässt es sich nicht ausschließen, dass auch mal ein Zug unpünktlich ist. Und die Unwetter im Süden Deutschlands kurz vor Start der EM haben unseren Fahrgästen einiges an Geduld abverlangt. Unser Konzept zur EM geht insgesamt gut auf. Außer lokalen Anpassungen wie in Gelsenkirchen müssen wir nichts ändern. 5000 Reinigungskräfte mehr als sonst sorgen für Sauberkeit, plus 3000 Techniker für funktionierende Bahnhöfe.
Wie fällt ihre erste EM-Bilanz ansonsten aus?
Thieme: Wir sind sehr zufrieden, wie wir in das Turnier gestartet sind. Am ersten Wochenende fuhren allein im Fernverkehr 1,2 Millionen Passagiere. An den Bahnhöfen der zehn Spielstätten konnten wir jeweils zu den Spielen rund 100.000 Fans begrüßen. Die Information und Wegeleitung der Reisenden haben gut geklappt. Unsere Mitarbeitenden haben 12.000 Beratungsgespräche an den Willkommensschaltern geführt. Die Atmosphäre war gut und ganz überwiegend freundlich. Das muss man schon ins Verhältnis setzen zu der Panne in Passau. Sonst wird es unfair gegenüber den zehntausenden Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern, die hier einen tollen Job machen
Im Vorfeld gab es Diskussionen um die Sicherheit in den Zügen und an den Bahnhöfen. Auch wurden gewaltbereite Fangruppen aus dem Ausland erwartet. Wie friedlich verliefen die ersten Turniertage?
Thieme: Das erste Wochenende verlief absolut friedlich. Wir hatten keine wesentlichen Übergriffe auf das Personal oder andere Fahrgäste oder Fans. Kleinere Auseinandersetzungen gibt es immer. Es bleibt natürlich dabei: Jeder Übergriff auf unsere Mitarbeitenden ist einer zu viel und nicht tolerierbar! Wir gehen davon aus, dass die EM friedlicher verlaufen wird, als manches Drittligaspiel. Das ist bislang auch eingetroffen.
Klingt das nicht etwas blauäugig?
Thieme: Das ist es nicht. Natürlich wird die positive Erwartung mit einem starken Sicherheitskonzept kombiniert. Es sind sowieso immer 6000 Beamte der Bundespolizei und zusätzlich 4500 Sicherheitsleute der Bahn an den Stationen und in den Zügen unterwegs. Zur EM haben wir die Anzahl nochmal um 20 Prozent, also 900 Sicherheitskräfte aufgestockt. Wir haben wochenlang an diesem Sicherheitskonzept gearbeitet. Am Ende waren damit auch die zunächst – grundsätzlich zu Recht – besorgten Betriebsräte beruhigt. Ein gutes Beispiel für den Erfolg sind die kroatischen Fans, die von Polizisten aus Kroatien begleitet werden. Sie haben sich in ihrer Landessprache unterhalten können. Es hat zur Deeskalation beigetragen, dass Polizisten aus den heimischen Ländern mitgefahren sind. Wir sind der Bundespolizei dankbar für ihren Einsatz und die exzellente Zusammenarbeit vor Ort.
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