Verschollener Karl-Erivan Haub: Staatsanwälte ermitteln wieder
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Essen. Zweifel am Tod von Ex-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub gibt es viele. Nun hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder aufgenommen.
Neue Wendung im Krimi um den vor sechs Jahren in den Schweizer Bergen verschollenen Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub: Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Ermittlung gegen Haubs Bruder, den amtierenden Tengelmann-Chef Christian Haub, wieder aufgenommen. Er soll falsche Angaben zum Verschwinden seines Bruders gemacht haben.
Es ist ein „Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der falschen Versicherung an Eides Statt anhängig, das im Zusammenhang mit dem beim Amtsgericht Köln im Jahre 2021 geführten Verschollenheitsverfahren betreffend Karl-Erivan Haub steht“, bestätigte die Behörde der WAZ. Zuerst hatte das Manager Magazin über den Fall berichtet.
Amtsgericht Köln erklärte Karl-Erivan Haub am 10. Mai 2021 für tot
Den Antrag hatten Haubs Ehefrau Katrin, die Kinder Viktoria und Erivan, Bruder Christian und die Unternehmensgruppe Tengelmann gestellt. In einer eidesstattlichen Versicherung, die unserer Redaktion vorliegt, hatte Christian Haub am 10. Mai 2021 vor dem Amtsgericht Köln erklärt, dass ihm „keine belastbaren Hinweise, geschweige denn Beweise“ dafür vorlägen, dass „mein Bruder Charlie noch leben könnte“.
Um diese Erklärung geht es nun in den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen der Frage nach, ob Christian Haub in der eidesstattlichen Versicherung vor dem Amtsgericht Köln teilweise falsche Angaben gemacht hat. Anlass ist laut der Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige, in der unter anderem vorgetragen werde, dass dem Beschuldigten – entgegen seinen Angaben – belastbare Hinweise darauf vorgelegen hätten, dass der Verschollene Karl-Erivan Haub noch leben könnte.
Das Leben von Tengelmann Karl-Erivan Haub
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Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen wegen Beschwerde von Journalistin auf
Die Staatsanwaltschaft hatte im vergangenen Jahr bereits gegen Haub ermittelt, das Verfahren dann aber wieder eingestellt. Hintergrund sind Recherchen der RTL-Journalistin Liv von Boetticher. Sie hatte am 17. Mai 2023 Strafanzeige gegen Christian Haub wegen des Verdachts des Meineids gestellt. Nach der Einstellung des Verfahrens hatte von Boetticher Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln eingelegt.
Nach Informationen des Manager Magazins soll es am Mittwoch zu einer Hausdurchsuchung beim früheren Tengelmann-Sicherheitschef gekommen sein. Dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft gegenüber der WAZ nicht äußern.
Umfangreiche Berichte von Privatermittlern
Der ehemalige Sicherheitschef hatte gemeinsam mit einem weiteren Krisenmanager nach dem Verschwinden von Haub umfangreiche Ermittlungen angestellt. Ihre Berichte konnte unsere Redaktion einsehen, sie lesen sich teils wie ein Krimi: Demnach soll Karl-Erivan Haub über Jahre als Agent für den russischen Geheimdienst FSB tätig gewesen sein. Weil die Geheimdienste der USA im Frühjahr 2018 kurz davor gestanden hätten, Haub zu enttarnen, habe dieser nach Russland fliehen müssen.
Die Vorwürfe gegen Christian Haub begründet die Journalistin von Boetticher mit einem Foto, das angeblich den lebenden Karl-Erivan Haub zeigen soll. Demnach hätten die Privatermittler bereits 2020 Erkenntnis gehabt, dass dieses Foto für 100.000 Euro zu kaufen sei. Es habe auch Informationen über Haubs neuen Namen und Aufenthaltsort gegeben. Die Unternehmensgruppe Tengelmann wollte sich bei früheren Recherchen auf Anfrage unserer Redaktion nicht dazu äußern, ob sie im Besitz dieses vermeintlichen Fotos ist. Im Konzernumfeld wurde allerdings versichert, dass der Firma oder Christian Haub kein entsprechendes Material vorliege.
Die Staatsanwaltschaft Köln hatte im vergangenen Jahr noch keine ausreichenden Verdacht gegen Christian Haub gesehen. „Da die Aufnahmen (…) weder zur Verfügung stehen noch zu beschaffen sind, können Existenz, Echtheit und Zeitpunkt der Aufnahmen nicht überprüft werden“, sagte Staatsanwältin Stephanie Beller am 18. August 2023 unserer Redaktion. Aus dem Umfeld der Behörde verlautete zudem, dass man nach Prüfung der Strafanzeige und aller eingereichten Unterlagen davon ausgehe, dass sich von Boetticher in großen Teilen auf „Angaben vom Hörensagen“ beziehe. Eine Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt sei nicht möglich.
In ihrer Stellungnahme zur Wiederaufnahme des Verfahrens betont die Staatsanwaltschaft nun, dass die Ermittlungen andauern. „Auf die für den Beschuldigten geltende Unschuldsvermutung wird ausdrücklich hingewiesen.“ Zudem unterstreicht die Staatsanwaltschaft, dass „bislang kein Anlass besteht, die Aufhebung der Todeserklärung bezüglich Karl-Erivan Haub nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes zu beantragen.“ Hierfür müsse feststehen, dass der Verschollene die Todeserklärung überlebt hat. Dies sei derzeit nicht der Fall.
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