Berlin. Noch bleibt die Zinswende aus, doch die EZB deutet an, dass sich das ändern könnte. Was Anleger und Sparer in welchem Fall tun können.
Werden Kreditzinsen für den Immobilienkauf wieder günstiger? Lohnt es sich noch, Erspartes auf einem Tagesgeldkonto zu parken? Die Europäische Zentralbank (EZB) hat darauf direkten Einfluss. Mit dem sogenannten Leitzins steuern die Banker um EZB-Chefin Christine Lagarde die Geldpolitik im Euroraum. Wie sich die Zinsen entwickeln, was auf die Verbraucher zukommen kann und was man tun muss, um das eigene Geld zu retten. Drei Szenarien.
1. Die EZB senkt den Leitzins
Dieses Szenario gilt im Moment als das wahrscheinlichste. Europas oberste Notenbankerin Lagarde verkündete am Donnerstag nach der ersten Sitzung des EZB-Rates in diesem Jahr zwar, den zentralen Leitzins, der angibt, zu welchen Konditionen sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, bei 4,5 Prozent zu belassen. Über Zinssenkungen zu diskutieren, halte sie hingegen für „verfrüht“, so Lagarde. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte sie noch gesagt, eine Zinssenkung in diesem Sommer sei durchaus wahrscheinlich.
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Die Preisentwicklung in der Eurozone hat sich aber bereits deutlich verlangsamt. „Vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB ist man zwar noch ein wenig entfernt, aber es ist erreichbar“, sagt Alexander Kriwoluzky, Leiter der Abteilung Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Im Dezember hatte die Inflationsrate im Euroraum Berechnungen zufolge um 2,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen. Wenn die EZB im Spätsommer tatsächlich einen ersten Zinssenkungsschritt einleitet, rechnet Kriwoluzky mit einer deutlichen Belebung wirtschaftlicher Aktivitäten. „Senkt die EZB die Zinsen, werden Kredite billiger und dann wird das geplante Hausprojekt eben doch durchgeführt“, erklärt er. Getätigte Investitionen führten, so der Ökonom, auch zu sinkenden Arbeitslosenzahlen.
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Verbraucher sollten sich bereits jetzt auf mögliche Leitzinssenkungen vorbereiten und Erspartes längerfristig auf besser verzinstes Festgeld umschichten, empfiehlt Zinsexperte Dirk Eilinghoff vom Geldratgeber „Finanztip“. Dabei sei es allerdings wichtig, genau zu überlegen, welche Laufzeit man sich erlauben könne. Denn im Gegensatz zum variabel verzinsten Tagesgeld haben Verbraucher auf Festgeldkonten nicht jeden Tag Zugriff auf ihr Erspartes.
2. Der Zinssatz bleibt doch noch eine Weile stabil
Geht die Inflation wider Erwarten doch nicht zurück, wird die EZB den Leitzins nicht senken, sagt DIW-Wissenschaftler Kriwoluzky. Ein Faktor für erneut höhere Preise könnte zum Beispiel ein neuer Krisenherd sein. Als Beispiel nennt der Ökonom die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Containerschiffe im Roten Meer, die bereits dazu geführt haben, dass sich Transportkosten deutlich verteuerten. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Preise für Güter hierzulande. Möglicherweise könnten auch in Tarifverhandlungen erreichte Lohnsteigerungen zu einer erneut höheren Inflationsrate führen.
Sollte die EZB die Zinsen im Sommer doch nicht senken, wäre das allerdings eine Überraschung. Und deswegen bliebe auch eine solche Entscheidung nicht ohne Folgen. „Da Zinssenkungen von Banken bei Krediten oder auch in Aktienkursen bereits eingepreist sind, würden keine Zinssenkungen wie Zinserhöhungen wirken“, erklärt Kriwoluzky. Wirtschaftlich würden stabile Leitzinsen Deutschland wohl weiter ausbremsen, da dann auch Investitionen nur mit angezogenen Handbremse umgesetzt würden.
Weder Zinssenkungen noch -steigerungen – für das Ersparte bei Banken, egal ob auf Tagesgeld- oder Festgeldbasis, würde das wohl nicht allzu viel ändern. „Verbraucher hätten sich jedenfalls nicht vertan“, sagt, „Finanztip“-Experte Dirk Eilinghoff. Grundsätzlich könne man im Tagesgeld bleiben und sich mit dem Wechsel ins Festgeld noch etwas Zeit lassen, so der Zinsfachmann.
3. Unerwartet muss die EZB den Leitzins doch wieder anheben
Ein solcher Schritt dürfte die Gefahr einer Rezession in der Eurozone dramatisch erhöhen. Die EZB wäre sicher vorsichtig, was diese Entscheidung angeht. „Vermutlich würde man als Notenbanker eher abwarten und hoffen, als riskieren, mit einem höheren Leitzins die wirtschaftlichen Aktivitäten gänzlich abzuwürgen“, sagt Makroökonom Kriwoluzky.
Doch wenn die Notenbanker nicht anders könnten, wären wohl weniger Investitionen in Folge höherer Kreditzinsen und auch steigende Arbeitslosenzahlen die Folge. Verbraucher könnten dann allerdings auf noch höhere Zinsen für das Ersparte hoffen. Anreize, das eigene Geld auszugeben, gäbe es dann jedoch wiederum weniger. „Die private Nachfrage ginge zurück“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Wirtschaftlich würden Deutschland und die Eurozone in eine ernste Krise schlittern.
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Nach der Entscheidung, den Leitzins zunächst nicht zu senken, bezeichnete Deutschlands Wirtschaft die „abwartende Haltung“ der EZB am Donnerstag als „in dieser Situation nachvollziehbar“. Kritisch sieht die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) allerdings, dass die Zentralbank Zinsvorteile für „grüne Geschäfte“ erwägt. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben forderte, darauf zu verzichten.
Vom Dachverband der Immobilienwirtschaft ZIA hieß es, man unterstütze das Ziel der EZB, die Inflation nachhaltig wieder auf zwei Prozent zu senken. „Allen Beteiligten muss allerdings klar sein, dass langanhaltend hohe Zinsen die Immobilienbranche unter enormen Druck setzen. Die dringend benötigten Wohnungen können aufgrund des aktuellen Zinsniveaus nicht rentabel finanziert werden. Viele Projektentwickler mussten aus diesem Grund schon Insolvenz anmelden, weitere werden folgen“, sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner dieser Redaktion.
Beim Wohnungsbau in Deutschland benötige es aber „jetzt den Turbo“. Der ZIA forderte deswegen weitere Zinsverbilligungen durch staatliche Hilfe. Für 100.000 zusätzliche Wohnungen müsste die Bundesregierung Berechnungen zufolge weitere drei Milliarden Euro bereitstellen.