Berlin. Skandinavien trendet als Reiseziel. Weil der Norden kühler ist. Ab einer bestimmten Temperatur endet die Komfortzone für Urlauber.
- Wer an seinen Urlaub im Sommer denkt, fallen vermutlich erstmal nicht die skandinavischen Länder ein
- Doch das dürfte sich durch die immer stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels ändern
- Wo soll man 2024 seinen Urlaub machen? Einem Experten zufolge auf jeden Fall nicht in Italien. Dafür hat er ein anderes Ziel im Blick
Über 50.000 Urlauber sind in diesem Winter schon mit TUI nach Finnland geflogen. Die Provinz Lappland in Nordfinnland ist nach Angaben des Reiseunternehmens ein beliebtes Urlaubsziel „und wird im nächsten Winter noch mehr wachsen.“ TUI nimmt denn auch mehr Flüge nach Lappland ins Programm.
Weder TUI noch Finnland sind eine Ausnahme. Skandinavien liegt im Trend. Nach den Hitzewellen 2023 in Südeuropa zieht es Urlauber verstärkt in den kühlen Norden. Und nicht nur im Winter, ganz im Gegenteil.
Urlaub 2024: Wird Schweden zum neuen Italien?
Laut Ferienhausplattform Fewo-direkt zeichnet sich für 2024 sich ab, dass die schwedische Provinz, dass Skåne, Kronoberg oder Kalmar genauso heiß begehrt sein werden wie der Gardasee, Mallorca oder Schleswig-Holstein. Für Juli liege die Verfügbarkeit „teilweise schon bei unter 50 Prozent“, teilte das Unternehmen unserer Redaktion mit.
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„Die hohen Belegungsraten in Schweden könnten durchaus eine Folge der Hitzewellen in Südeuropa im Sommer 2023 sein“, vermutet Fewo-direkt-Manager Wolfgang Pagl. Bereits im vergangenen Jahr sei das Interesse an Skandinavien gestiegen. „Es scheint, als möchten sich in diesem Jahr viele Familien von vorneherein ein Urlaubsdomizil im kühleren Norden sichern“, erklärte er unserer Redaktion.
Harald Zeiss forscht an der Hochschule Harz in Werningerode mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und internationaler Tourismus. Er denkt, dass der Klimawandel in zunehmendem Maße Einfluss auf die Entscheidungen von Reisenden hat. „Die steigenden Temperaturen und die Extremwetterereignisse, wie die von Ihnen erwähnten Hitze und Waldbrände im Mittelmeerraum, führen dazu, dass Urlauber künftig andere Reiseziele in Betracht ziehen“, sagte er unserer Redaktion.
Der Klimawandel verändert die Tourismusströme
Extrem ist das neue Normal, wenn es um das Wetter geht. Touristen passen sich an, nicht nur in Deutschland, sondern auch im übrigen Europa, ja, eigentlich weltweit. Die „New York Times“ berichtet, dass Amerikaner, die im Sommer europäische Städte besuchen wollen, schon letztes Jahr vermehrt kurzfristig umgebucht haben: statt Rom lieber Amsterdam.
In Frankreich boomt der Norden. Das muss laut Branchenverband Institut Français du Tourisme nicht heißen, dass die Franzosen nicht mehr in den Süden fahren. Vielmehr würde sich die Verteilung der Urlauber über das Jahr gesehen verändern, erläuterte Verbandspräsident Jean-Luc Michaud. In der Hochsaison Juli und August sei ein Rückgang an Buchungen im Süden zu verzeichnen. Die Nebensaisonmonate Mai und Juni, zunehmend auch September und Oktober würden dort aber immer attraktiver für Urlauber.
Ob Nordfrankreich 2023 oder Schweden 2024, das Reiseverhalten wandelt sich. Von heute auf morgen werden sich die Tourismusströme nicht ändern. Wissenschaftler Zeiss sagt: „Nicht alle auf einmal und nicht alle mit dem gleichen Ziel, aber das Umdenken findet schon seit einigen Jahren statt.“ Es werde durch jede Negativmeldung aus den betroffenen Gebieten angetrieben. „Dieses Umdenken ist ein Teil des sich wandelnden Reiseverhaltens, das durch ökologische Bedenken und persönliche Komfortpräferenzen beeinflusst wird.“
Wo der Komfortbereich endet – bei über 28 Grad
Schweden und generell die nördlichen Regionen profitierten nach seinen Worten von der Entwicklung. Schwitzt du noch – oder urlaubst du schon? Sie böten in den Sommermonaten angenehmere Temperaturen und seien bekannt für ihre unberührte Natur – „und damit das Gegenmodell zu verbauten Küsten mit Hotelanlagen“.
Zeiss meint: „Dies passt gut zu dem wachsenden Trend des nachhaltigen Tourismus, bei dem Urlauber nach Destinationen suchen, die sowohl umweltfreundlich als auch weniger überlaufen sind.“ Die zu erwarteten angenehmeren Temperaturen sind dann noch ein zusätzlicher Impuls. Den „Komfortbereich“ definiert Zeiss übrigens „bis maximal 28 Grad“.
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Schon 2023 zogen die Sommerbuchungen für Schweden und Norwegen an, ebenso die Suchanfragen nach Ferienwohnungen in Nordspanien oder – bei Städtereisen – nach Unterkünften in Riga in Lettland, Tallinn in Estland und Edinburgh in Schottland. Wenn die Sommer über längere Zeiträume hinweg wärmer werden, sind die Temperaturen insbesondere für Kinder und ältere Menschen immer schwerer zu ertragen. Jeder einzelne Urlauber wird sich vorher überlegen, ob es ihm oder ihr wert ist, in heißen Sommern in den Mittelmeerraum zu reisen. Müssen die südlichen Regionen mit einem erheblichen Rückgang der Nachfrage rechnen?
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Die Bedürfnisse müssen sich nicht einmal ändern. Im Sommer geht es immer noch um Sonne, Strand und Meer. Nur findet man die Bedingungen auch zunehmend woanders, an der Ostsee statt im Mittelmeerraum, in Skandinavien statt Italien, Griechenland und Spanien. Die drei klassischen Tourismusziele litten 2023 unter Hitzerekorden, Dürre und Waldbränden. Griechenland freute sich 2023 über Rekordzahlen – bloß, wie lange noch?
Top-Reise-Ziele 2024: Lauterbach verkündete das Ende einer Ära
Eine Reizfrage. Jedenfalls für Staaten, die oft ökonomisch auf die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr angewiesen sind. Als der umtriebige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im letzten Sommer das Ende einer Ära voraussah, machte sein Tweet in Italien Schlagzeilen: „Heute in Bologna Italien eingetroffen, jetzt geht es in die Toskana. Die Hitzewelle ist spektakulär hier“, hatte Lauterbach getwittert. „Wenn es so weitergeht, werden diese Urlaubsziele langfristig keine Zukunft haben. Der Klimawandel zerstört den Süden Europas. Eine Ära geht zu Ende.“
So naheliegend der Zusammengang zwischen Erderwärmung und Reiseverhalten ist, für den Trend gen Norden haben die Fachleute von Fewo-direkt noch eine andere Vermutung: „Zusätzliche Impulse kommen aus den sozialen Medien“, sagt Manager Wolfgang Pagl. Zahlreich Influencer und Influencerinnen würden gerade dem sogenannten Vanlife den Rücken kehren. „Vanlife“ heißt übersetzt Leben im Wohnmobil und war eine Zeitlang „in“. Nun legen sich Influencer lieber ein rotes Schwedenhaus zu.